Die Wahrnehmung kleiner Anzahlen und die Entwicklung des Zahlenverständnisses bei Kleinkindern

Preis der Hermann Willkomm-Stiftung an den Diplom-Psychologen PD Dr. Wolfgang Mack

Wie gelangen Menschen zu einem Verständnis von Zahlen? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Preisträger in seiner preisgekrönten Habilitationsschrift. Mack rückte methodologisch einen wahrnehmungsnahen Mengenerfassungsmechanismus ins Zentrum seiner Analyse, das sogenannte Subitizing. Subitizing bedeutet die Fähigkeit, sehr rasch und auf einen Blick eine kleinere Menge von Objekten quantitativ erfassen zu können. Beispielsweise bei einem kurzen Blick aus dem Fenster unmittelbar und ohne zu zählen feststellen zu können, dass vier Fahrzeuge vor dem Eingang des Hauptgebäudes der Universität parken.

In Experimenten mit Erwachsenen untersuchte Mack diese Fähigkeit, über die Erwachsene in allen Kulturen verfügen, genauer als bislang. In weiteren Experimenten versucht der Preisträger, diesen Mengenerfassungsmechanismus bei Säuglingen im Alter ab dem sechsten Lebensmonat zu analysieren, um damit zu prüfen, ob dieser Mechanismus an höhere geistige Prozesse – etwa einen bestimmten kognitiven Entwicklungszustand – gekoppelt ist, der bei Säuglingen noch nicht erreicht ist, oder ob umgekehrt dieser Mengenerfassungsmechanismus eher als Vorläufer von abstrakteren-symbolischen Erkenntnissen über die Zahl angesehen werden kann.

Das Ergebnis: Wolfgang Mack kann in seiner Arbeit nicht zeigen, dass „Säuglinge zählen können“, wie es bereits vor einigen Jahren in der Überschrift eines großen deutschen Blatts mit Bezug auf erste experimentelle Ergebnisse zu lesen war. Wohl aber, dass bereits Babys mit einem Alter von wenigen Monaten kleine Mengen von Objekten in ihrer Welt mit Hilfe des skizzierten wahrnehmungsbezogenen Mechanismus quantitativ erfassen, Mengen von anderen Mengen unterscheiden und ihr Verhalten an diesen „quantitativen Erkenntnissen“ über die Welt ausrichten.

Für diese Arbeit wurde Privatdozent Dr. Wolfgang Mack aus dem Fachbereich Psychologie und Sportwissenschaf- ten mit dem mit 3.000 Euro dotierten Preis der Hermann Willkomm-Stiftung für die beste naturwissenschaftliche Habilitationsschrift ausgezeichnet. In ihrer Laudatio im Rahmen der feierlichen Preisübergabe in der Aula der Universität dankte Prof. Monika Knopf der anwesenden Stifterin und Ehrenbürgerin der Universität, der 91-jährigen Wilhelmine Willkomm, nicht nur für die Auslobung des Habilitationspreises, sondern auch dafür, dass die Hermann Willkomm-Stiftung kontinuierlich dazu beitrage, fortwährend auftauchende Klippen naturwissenschaftlicher Forschung meistern zu helfen.

Der Preis wird in unregelmäßigen Abständen seit 1986 vergeben; bislang wurde er sieben mal verliehen; das Fächerspektrum der ausgezeichneten Arbeiten reichte dabei von der Informatik über die Geowissenschaften, Physik bis hin zur Biophysikalischen Chemie und der Pharmakologie. Wilhelmine Willkomm hatte nach dem Tod ihres Mannes Hermann 1982 einen großen Teil ihres ererbten Vermögens in die Stiftung eingebracht und das Kapital immer wieder auf heute 2,5 Millionen Euro aufgestockt. Aus den Erträgen wurden seit 1984 rund 2 Millionen Euro ausgeschüttet, die insbesondere „zur Förderung junger Menschen, die sich in den Naturwissenschaften ausbilden“ – so ein Zitat aus der Stiftungsverfassung – eingesetzt wurden.

Wolfgang Mack studierte an der Universität Würzburg Psychologie und legte 1990 sein Diplom ab. Nach kurzer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Würzburg ging er 1991 ans Max-Planck-Institut für psychologische Forschung nach München; dort promovierte er 1994 zu dem Thema „Entwicklung kognitiver Leistungen und der Expertise technischen Wissens in der Adoleszenz“. 1995-1996 forschte er als Postdoc an der Universität Potsdam in einem Innovationskolleg mit dem Titel „Formale Modelle kognitiver Komplexität“ und ist seit 1997 Mitarbeiter im Arbeitsbereich Entwicklungspsychologie an die Universität Frankfurt.

Kontakt:

Prof. Joachim Weidmann
Fachbereich Mathematik
Tel.: 069 – 798-22511/28811, Fax -28856
E-Mail: weidmann@math.uni-frankfurt.de

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Dr. Ralf Breyer idw

Weitere Informationen:

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