Symposium über molekulare Mechanismen des Proteintransports in der Zelle

Zum 65. Geburtstag von Prof. Dieter Gallwitz, Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen und Leiter der Abteilung Molekulare Genetik, fand letzte Woche ein internationales Symposium statt, das von Prof. Reinhard Jahn, Prof. Erwin Neher und Prof. Kurt von Figura organisiert wurde. Ein Höhepunkt war die „Dieter Gallwitz Lecture“ von Prof. Kai Simons, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden.

Verdiente Wissenschaftler werden häufig zu ihrer Emeritierung mit einem besonderen wissenschaftlichen Symposium geehrt. Aus diesem Anlass kommen dann ehemalige Kolleginnen und Kollegen – und vielleicht sogar Konkurrenten – des zukünftigen Ruheständlers aus aller Welt und berichten über verschiedene Facetten des gemeinsamen Forschungsgebietes. Von Ruhestand kann bei Dieter Gallwitz aber keine Rede sein. Mit Rücksicht auf die Einbindung von zwei Direktorenkollegen am Institut in die Belange der Max-Planck-Gesellschaft – Prof. Peter Gruss ist als Präsident nach München gegangen, Prof. Herbert Jäckle ist Vizepräsident und ebenfalls oft unterwegs – hat er sich bereit erklärt, für 2003 und 2004 die Funktion des Geschäftsführenden Direktors am Institut zu übernehmen und die Emeritierung noch einige Jahre hinauszuschieben. So wurde die geplante Veranstaltung kurzerhand zu einem Fest zum 65. Geburtstag von Dieter Gallwitz umgewidmet.

Das Thema des „Transport Meetings“ waren keineswegs verkehrstechnische Probleme, sondern es ging um den Transport von Proteinen und Membranen in der Zelle – ein Forschungsfeld, mit dem sich Dieter Gallwitz seit vielen Jahren sehr intensiv beschäftigt. Die 29 geladenen Sprecher berichteten über neue Erkenntnisse, wie Proteine – hauptsächlich solche, die in Zellmembranen eingebettet oder durch Zellmembranen umschlossen sind – ihre richtigen Bestimmungsorte in der Zelle finden. Dies ist kein einfaches Problem, wenn man bedenkt, wieviele Membran-umschlossene Organellen es beispielsweise bei menschlichen Zellen gibt und wieviele Krankheiten sich auf fehlerhafte zelluläre Transportvorgänge zurückführen lassen. Eines der Lieblingsobjekte der „Transport“-Forscher ist ein einzelliger Pilz, die Bäcker-, Bier- oder Wein-Hefe Saccharomyces cerevisiae. Dieser unscheinbare Organismus ist seit vielen Jahren auch das Studienobjekt von Dieter Gallwitz und seinen Mitarbeitern. Wie das Symposium letzte Woche zeigte, lassen sich viele Erkenntnisse, die an diesem Modellorganismus gewonnen wurden, auf menschliche Zellen übertragen.

Die meisten Beiträge des Meetings beschäftigten sich mit der scheinbar einfachen Frage, wie Proteine in der Zelle entscheiden, ob sie sich nach Ort X oder nach Ort Y bewegen oder gegebenenfalls an Ort und Stelle verweilen. Bei Proteinen, die von der Zelloberfläche aus ins Innere der Zelle wandern, bedeutet das oft eine Entscheidung darüber, ob sie im Lysosom abgebaut werden oder ob sie wiederverwendet, also recycelt, werden sollen. Wenn es sich bei den aufgenommenen Proteinen um Rezeptoren für Wachstumsfaktoren handelt, ist leicht einzusehen, dass Fehler bei diesen Entscheidungen sich für den ganzen Organismus dramatisch auswirken können – im extremen Fall kann ein Tumor entstehen. Wie an einem Fließband stehen dort, wo eine Entscheidung über Weg X oder Y getroffen werden muss, komplizierte molekulare Apparate bereit. Sie kontrollieren den Ablauf oder bewirken aktiv das Sortieren der Proteine. Wie das Symposium zeigte, ist das oft ein Vorgang, der in mehreren Schritten abläuft, und bei dem viele molekulare Zahnränder ineinander greifen. Da viele der Proteine, die sortiert werden müssen, fest in der Membran verankert oder von ihr umschlossen sind, muss die Sortierungsmaschinerie auch mit den Lipiden, dem Grundgerüst der Membranen in Wechselwirkung treten – ein weiteres wichtiges Thema des Meetings.

Der bedeutendste Beitrag des Jubilars Dieter Gallwitz zum Thema „Transport in der Zelle“ war 1983 die Entdeckung des ersten molekulares Schalters, der im Proteintransport eine Rolle spielt. In seiner Laudatio verwies der Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft, Prof. Herbert Jäckle, aber auch auf die vielfältigen anderen Leistungen hin, die dieser Entdeckung vorausgingen oder ihr anschließend folgten. Welche grundlegende Bedeutung zum Beispiel die frühen Arbeiten von Dieter Gallwitz über die Modifizierung der Histone haben, wird erst heute nach 30 Jahren klar. Auch die vielen verschiedenen Stationen seiner Laufbahn im In- und Ausland sind bemerkenswert. Nach seiner Promotion in Humanmedizin an der Universität Frankfurt/Main ging Gallwitz zunächst an die Universität Marburg und von dort für zwei Jahre an die University of Wisconsin in Madison (USA). Nach seiner Rückkehr und 1970 der Habilitation in Marburg lehrte er dort von 1972 bis 1986 als Professor für Physiologische Chemie. 1977 war Gallwitz Gastprofessor an der University of California in San Francisco, und seit 1986 ist er Direktor und Abteilungsleiter am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen.

Die Sprecher des Symposiums kamen aus USA, Japan und ganz Europa; auch mehrere Göttinger Wissenschaftler waren unter den Vortragenden. Die Zusammensetzung war durchaus als „hochkarätig“ zu bezeichnen, wie die große Zahl von über 350 Teilnehmern beweist, die den Hörsaal im „MPI am Fassberg“ bis zum letzten Platz füllten. Das lag einerseits am hohen Ansehen des Jubilars, es verdeutlicht aber auch die große Bedeutung von Göttingen als Standort für die molekulare „Transport“-Forschung.

weitere Informationen von:

Dr. Hans Dieter Schmitt
MPI biophysikalische Chemie
Abt. Molekulare Genetik
37070 Göttingen
Tel. 0551 201 1713
Fax: 0551 201 1718
E-Mail: hschmit@gwdg.de

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Dr. Christoph R. Nothdurft idw

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