Theologie und soziale Verantwortung

Auf ein halbes Jahrhundert Forschung und Lehre blickt das Institut für Christliche Sozialwissenschaften an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster zurück. Mit der fünfzigjährigen Geschichte des Instituts sind die Namen so bedeutender Theologen und Kirchenmänner wie Kardinal Joseph Höffner und Prof. Dr. Franz Furger verbunden, die das Profil des Instituts nachhaltig prägten. Die theologisch-ethische Durchdringung aktueller wirtschaftspolitischer und sozialpolitischer Fragestellungen sowie die Förderung von wissenschaftlichem Nachwuchs sind die zentralen Aufgaben des Instituts seit seiner Gründung.

Am Freitag, 16. November 2001, eröffnet der amtierende Direktor Prof. Dr. Karl Gabriel um 15 Uhr in den Aula des Schlosses den akademischen Festakt, mit dem das Institut sein Jubiläum feierlich begeht. Nach Grußworten unter anderem von Bischof Dr. Reinhard Lettmann werden die ehemalige Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses Dr. Hanna-Renate Laurien und der frühere Präsident der Deutschen Bundesbank, Prof. Dr. Hans Tietmeyer, zum Verhältnis Kirche, Staat und Wirtschaft im 21. Jahrhundert sprechen. Prof. Tietmeyer referiert zum Thema „Kirche und Wirtschaft: Felder der Kooperation und des Konflikts im Zeitalter der Globalisierung“, während Dr. Laurien „Das Kirche-Staat-Verhältnis in der Zeitenwende: Spannungen und Perspektiven“ erörtern wird.

Die Anfänge des Instituts reichen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurück, als sich die katholische Kirche herausgefordert sah, nach praktikablen Lösungsansätzen für die sozialen Probleme zu suchen. Wurde zunächst auf die traditionellen Mittel der Caritas zurückgegriffen, so engagierte sich die neu entstandene katholische Sozialbewegung auf dem Weg staatlicher Politik und gesellschaftlicher Selbsthilfe für eine menschenwürdige Gesellschaft. Die Herausforderungen durch die Soziale Frage schlugen sich auch in der theologischen Forschung nieder. Nachdem in Münster bereits seit 1885 Lehrveranstaltungen zu sozialen Themen angeboten worden waren, wurde 1893 erstmals eine eigenständige Professur für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Münster eingerichtet, die bis 1920 die einzige in Deutschland blieb. Erster Professor auf diesem Lehrstuhl war Franz Hitze.

1951 gründete der spätere Kardinal Joseph Höffner, Professor für christliche Sozialwissenschaften, in der Tradition Hitzes und seiner Nachfolger das Institut für Christliche Sozialwissenschaften, dessen Leitung er als erster Direktor übernahm. Unter Joseph Höffner haben sich Lehrstuhl und Institut zu einem Zentrum der sozialwissenschaftlichen und sozialpolitischen Forschung in einer Phase entscheidender sozialpolitischer Weichenstellungen in der Bundesrepublik entwickelt. Die von ihm initiierte Schriftenreihe des Instituts, die seit 1955 erscheint, und das seit 1960 herausgegebene „Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften“ förderten die Breitenwirkung des Instituts. 1960 führte er das „Diplom für Christliche Sozialwissenschaften“ ein. Diese Zusatzqualifikation zum Theologiestudium ermöglicht es den Studierenden, ihre Kenntnisse in christlicher Sozialethik mit wirtschaftswissenschaftlichem Grundwissen zu verbinden.

Höffners Nachfolger Prof. Dr. Wilhelm Weber (1964-1983) und Prof. Dr. Franz Furger (1987-1997) griffen seine Ansätze auf und rückten vor allem Fragen der Nord-Süd-Spaltung der Welt in den Vordergrund. Prof. Furger nahm auch die traditionellen Beziehungen zur Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät wieder auf und begann mit der Neukonzeption des „Diploms für Christliche Sozialwissenschaften“, die sein Nachfolger Prof. Dr. Karl Gabriel zu Ende führte.

In den kommenden Jahren wird das Institut vor allem Fragen der Globalisierung aufgreifen. Im Rahmen des Schwerpunktes „globale Modernisierung“ arbeitet ein Team aus zwei Theologen und einem Wirtschaftswissenschaftler seit dem vergangenen Jahr an einem Forschungsprojekt zum Thema „Lösungsstrategien internationaler Verschuldung“. Prof. Gabriel versteht das von ihm betreute Projekt als Übernahme von Verantwortung durch die katholische Kirche, die ja schon immer ein „Global Player“ gewesen sei. Damit werde die bereits in den siebziger Jahren geführte Diskussion zur Lösung sozialer Probleme der Industriestaaten auf globaler Ebene weitergeführt. Darüber hinaus gibt es zurzeit Projekte zur Evaluierung christlicher Mittel- und Osteuropagruppen und zur Ökumene in der Gemeinde.

Ab Januar 2002 untersucht das Institut in einer zweijährigen Studie Fragen der Ambulanten Pflegestationen zwischen Familie, Staat und Markt. Auf diese Weise zeigt sich in der Arbeit des Instituts, dass christliche Theologen sich gesellschaftlichen Herausforderungen stellen und die ökonomischen und sozialen Entwicklungen nicht allein aus theologischer Sicht, sondern auch mit wirtschaftswissenschaftlicher Sachkompetenz beurteilen, um daraus verantwortliches Handeln abzuleiten.

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Norbert Frie idw

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