Bovine Spongioforme Encephalopathie (BSE): Ansteckungswege und Infektionsrisiko

BSE beherrscht zwar nicht mehr die Schlagzeilen. Die Forschungsanstrengungen sind aber ungebrochen und langfristig angelegt. Auf dem Deutschen Lebensmittelchemikertag vom 10. bis 12. September in Braunschweig wurde eine Studie vorgestellt, nach der in Deutschland das Risiko für einen Menschen, bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen, 10.000 mal höher ist, als sich durch Verzehr von Rindfleisch mit BSE zu infizieren. Der Deutsche Lebensmittelchemikertag wird von der Lebensmittelchemischen Gesellschaft, einer Fachgruppe in der Gesellschaft Deutscher Chemiker, ausgerichtet.

Tödlich verlaufende Gehirnerkrankungen, die mit einer schwammartigen Auflösung des Hirngewebes verbunden sind und daher als spongioforme Encephalopathien bezeichnet werden, sind bei Schafen, Rindern, Elchen, Rentieren, exotischen Paarhufern, Nerzen und Katzen bekannt. Unter bestimmten Voraussetzungen sind diese Krankheiten übertragbar, weshalb sie auch unter der Bezeichnung „Transmissible Spongioforme Encephalopathien (TSE)“ bekannt sind. Besondere Aufmerksamkeit erregte in den vergangenen Jahren die „Bovine Spongioforme Encephalopathie (BSE)“ bei Rindern, da diese Krankheit in einigen Ländern verstärkt aufgetreten ist. Beim Menschen kennt man neben der mit BSE verwandten „Creutzfeld-Jacob-Krankheit (CJK)“ fünf weitere spongioforme Encephalopathien, deren Ursachen erblich, sporadisch oder infektiös bedingt sein können.

Aufgeschreckt wurden die Menschen in England, weil dort eine neue, bisher noch nicht beschriebene Variante der CJK aufgetreten ist, von der im Gegensatz zur bekannten CJK, die bisher nur bei älteren Menschen auftrat, Krankheitsfälle bei jungen Menschen berichtet wurden. In Deutschland gibt es bisher keinen Patienten, der an dieser als nvCJK bezeichneten Krankheit leidet. Symptome der Krankheit sind Verlust der Bewegungskoordination und der geistigen Fähigkeiten, körperlicher Verfall und Tod. Obwohl unser Kenntnisstand zur Entstehung und zur Ausbreitung der TSE noch außerordentlich unvollständig ist, gibt es doch bereits eine Reihe von gesicherten Erkenntnissen, die es ermöglichen, die weitere Ausbreitung dieser schrecklichen Krankheiten bei Mensch und Tier einzudämmen. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass ein Nullrisiko niemals erreicht werden kann, weil es sich um multifaktorielle Krankheiten handelt, die in verschwindend geringer Zahl auch allein verursacht durch bestimmte Erbanlagen auftreten können.

Ursache für die Entstehung von TSE ist nach allgemein anerkannter Lehrmeinung eine sich im Gehirn ausbreitende Strukturveränderung von Proteinen, die normalerweise Bestandteile von Zellmembranen und Nervenzellen sind, über deren physiologische Bedeutung jedoch bisher keine eindeutigen Erkenntnisse vorliegen. Die „gesunden“ Prionenproteine (PrPc) können durch die veränderten „scrapieartigen“ Prionenproteine (PrPsc) ebenfalls in PrPsc umgewandelt werden. Ist die krankhafte Umformung im Gehirn einmal in Gang gekommen, dann breiten sich die strukturveränderten PrPsc nach dem Schneeballprinzip aus und zerstören das Gehirn. Damit die Kettenreaktion in Gang kommt, muss zunächst eine bestimmte Zahl an PrPsc-Molekülen vorhanden sein. Diese PrPsc-Moleküle können sich entweder spontan aus gesunden PrPc bilden oder sie gelangen von außen, z.B. über die Nahrung, in den Körper. Über die benötigte Anzahl von PrPs° zur Auslösung der Kettenreaktion ist bis heute nichts bekannt. Da die Prionen von Tierart zu Tierart und auch zum Menschen unterschiedliche Strukturen haben, spielen auch die Strukturen eine wichtige Rolle für die Fähigkeit und die Geschwindigkeit der Umwandlung von PrPc in PrPsc.

Das Infektionspotential nimmt somit mit abnehmender struktureller Ähnlichkeit der Prionen ab. Da aber die Struktur der „scrapieartigen“ Prionen bisher nur sehr lückenhaft bekannt ist, lässt sich über das Infektionspotential von PrPsc unterschiedlicher Herkunft wenig aussagen. Hinzu kommt, dass die Infektion auch von der individuell durchaus geringfügig unterschiedlichen Aminosäurezusammensetzung der Prionen abhängt. Hinsichtlich des Infektionsweges bei Aufnahme von PrPsc aus der Nahrung ist bis heute einiges bekannt, aber vieles bewegt sich noch im Bereich von Annahmen. Bekannt ist, dass PrPsc sehr resistent sind gegen Verdauungsenzyme; wie und warum gerade die doch sehr großen PrPsc aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert werden, ist bisher kaum schlüssig nachgewiesen worden. Es bestehen Hinweise, dass sich die Prioneninfektion vom Darm über das Lymphgewebe zu den Lymphknoten, der Milz und den Mandeln ausbreitet und von dort auf die Nervenbahnen überspringt und ins Gehirn gelangt.

Lässt sich das Infektionsrisiko des Menschen nach heutigem Kenntnisstand abschätzen? Es gibt natürlich viele Szenarien, die eine seuchenartige Ausbreitung der CJK voraussagen bis hin zu der Annahme, dass die Anzahl an Erkrankungen an der CJK gleich niedrig bleibt wie bisher. Ein Ansatz, das Infektionsrisiko des Menschen auf der Basis einiger begründbarer Annahmen abzuschätzen, liegt von Danneel vor (2001). Unter den etwa 15 Millionen Rindern in Deutschland gibt es 600 BSE-Fälle, davon bleiben etwa 5 %, das sind 30 BSE-Rinder, unentdeckt, und das Fleisch dieser Tiere kommt in den Handel. Eine Portion Rindfleisch, also kein Risikomaterial, enthält etwa 5.000 Prionen, und ein Prion von 100.000 Prionen, die in den Magen-Darm-Trakt des Menschen gelangen, erreicht das Gehirn. Es spricht einiges für die Annahme, dass ein PrPsc im Gehirn mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:10.000 die CJK auslöst. Mit diesen Annahmen lässt sich berechnen, dass ein Mensch, der 100mal im Jahr 200 g Rindfleisch isst, mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:100 Mio an BSE erkrankt. Das Risiko, vom Blitz erschlagen zu werden, ist 10mal, das bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen, 10.000mal höher.

Um das Infektionsrisiko so niedrig wie möglich zu halten, sind bestimmte Vorkehrungen zu treffen, die ausgelöst durch die BSE-Krise zum größten Teil bereits umgesetzt sind: 1. Unterbrechung der Infektionskette mit PrPsc im Futtermittel- und Lebensmittelbereich. Das Verbot, Tierkörpermehl in der Tierernährung einzusetzen und das Gebot, risikobehaftete Bestandteile des Schlachtkörpers zu entfernen, gehen in die richtige Richtung. 2. Anstrengungen zur Früherkennung einer Infektion bei Tieren sollen verstärkt gefördert werden. Aktuell wird berichtet, dass in den nächsten Monaten mit einer erheblich verbesserten Nachweisempfindlichkeit von PrPsc zu rechnen sein wird. 3. Die Forschungsanstrengungen zur Aufklärung bisher unbekannter Fakten zu BSE und CJK müssen mittel- bis langfristig und kontinuierlich angelegt werden, weil bei Krankheiten mit langen Inkubationszeiten (ca. 10 Jahre) kurzfristige Ergebnisse nicht erzielbar sind.

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