Winzigste biologische Spuren überführen den Täter

Winzigste Hautpartikelchen unter dem Fingernagel eines Mordopfers, Blutspritzer, Haare oder Spermaspuren auf der Kleidung und selbst Speichelreste an einer am Tatort gefundenen Bierflasche bringen heute oft den entscheidenden Hinweis bei der Aufklärung von Gewaltverbrechen. Mit Hilfe der modernen Methoden der Molekulargenetik nehmen Rechtsmediziner anhand solcher Spuren sozusagen den genetischen Fingerabdruck des Täters. Neueste Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der DNA-Analytik und dadurch eröffnete Perspektiven für die Rechtsmedizin werden vom 28. August bis 1. September 2001 beim 19. Kongress der Internationalen Gesellschaft für Forensische Genetik (ISFG) in Münster diskutiert. Kongresspräsident ist der Direktor des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Münster, Prof. Dr. Dr. h.c. Bernd Brinkmann, der zugleich amtierender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin und Vorstandstandsmitglied der ISFG ist.

Die Technik des genetischen Fingerabdrucks wurde 1985 in England entwickelt und wurde zunächst vor allem bei Vaterschaftsnachweisen angewandt. Ende der 80-er Jahre konnten Prof. Brinkmann und sein Team in Münster erstmals in der Bundesrepublik ein Kapitalverbrechen – es handelte sich damals um einen Sexualmord – mit dieser Methode aufklären und den Täter überführen. Das rechtsmedizinische Verfahren beruht auf der Tatsache, dass alle Körperzellen mit einem Zellkern Chromosomen enthalten, in denen sich wiederum jeweils die den genetischen Bauplan des Menschen darstellende Erbsubstanz DNA befindet. Auf dieser rund zwei Meter langen DNA-Kette sind vier bestimmte Moleküle in millionenfacher Zahl in individuell ganz unterschiedlicher Anordnung verteilt. Das Verteilungsmuster dieser Bausteine wiederholt sich auf der DNA-Kette in zahlreichen Sequenzen.

Ziel des genetischen Fingerabdrucks ist es, eine solche Sequenz sichtbar zu machen. Zeigen die Sequenzen aus zwei Proben eine identische Anordnung der chemischen Bausteine, so ist davon auszugehen, dass sie von ein und derselben Person stammen. Einen großen Durchbruch erfuhren diese Untersuchungen durch die 1984 in den USA entdeckte Methode der Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR). Bei diesem molekulargenetischen Verfahren wird der zu
untersuchenden Probe ein Enzym (Polymerase) hinzugefügt, dass dafür sorgt, dass bestimmte Abschnitte der DNA spezifisch vermehrt werden, so dass sie sichtbar gemacht werden können. Kleinste Mengen an DNA können auf diese Weise untersucht werden und die Ergebnisse am Computerbildschirm dargestellt und mit den entsprechenden DNA-Merkmalen der Tatverdächtigen verglichen werden.

Der Einsatz der PCR-basierten Untersuchungen hat in der rechtsmedizinischen Spurenkunde zu einem erheblichen Anstieg des Untersuchungserfolges geführt. Gegenüber früher genügen heute winzigste Mengen biologischen Materials, wie Haare, Blut, Sperma oder Speichel, um das jeweilige Erbmaterial genau zu analysieren und verdächtigen Personen zuzuordnen. Neben Zellkern-DNA, die von beiden Eltern auf die Nachkommen vererbt wird, kann heute auch die DNA aus Mitochondrien, das heißt aus den für die Energieversorgung der Zelle verantwortlichen Zellbestandteilen, untersucht werden. Mitochondriale DNA wird in mütterlicher Linie an die Nachkommen weitergegeben. Eine Analyse der mitochondrialen DNA bietet sich zum Beispiel in solchen Fällen an, in denen Leichen oder Skelette schon zu lange liegen und die Zellkern-DNA daher schon weitgehend zerfallen ist. Wegen der hohen Konzentration von mitochondrialer DNA in einer einzigen Zelle ist hier ein Nachweis auch nach langer Liegezeit unter ungünstigen Lagerungsbedingungen noch möglich.

Ein Schwerpunkt des Kongresses der ISFG, zu dem rund 400 Experten aus aller Welt in der Halle Münsterland in Münster erwartet werden, ist die Diskussion über neue Technologien in der DNA-Analytik. Dabei geht es unter anderem um eine Automatisierung der Verfahren, wodurch die Zeit der Untersuchung als auch die Kosten reduziert und die Effektivität erhöht werden kann. Darüber hinaus werden Fallbeispiele vorgestellt, die neue Anwendungsmöglichkeiten der DNA-Analytik deutlich machen. So wird etwa über die Analyse von DNA aus kleinsten Restpartikeln eines Latexhandschuhs berichtet, die zur Identifizierung des Handschuhträgers geführt haben. Welche Perspektiven die modernen molekularbiologischen Analyseverfahren eröffnen, wird unter anderem auch am Beispiel der Spezieszuordnung von Tierhaaren deutlich werden. So ist es heute bereits möglich, mit dieser Methode Hunderassen zu unterscheiden, was für Versicherungen von großem Vorteil sein kann.

Ein weiterer Schwerpunkt wird die geographische Zuordnung einer biologischen Spur sein. Durch die Analyse speziell der in mütterlicher oder aber in väterlicher Linie weitergegebenen Erbmerkmale besteht im Vergleich mit großen Datenbanken die Möglichkeit, Rückschlüsse auf die geographische Herkunft eines Täters zu schließen. Vierter Themenschwerpunkt wird die Genanalyse aus archäologischem Knochenmaterial sein. Auf diesem Gebiet arbeiten Rechtsmediziner eng mit Anthropologen und Archäologen zusammen. Mit Spannung erwarten die Veranstalter darüber hinaus eine möglicherweise kontroverse Diskussion zum Thema „Vom Genotyp (Erbbild) zum Phänotyp (Erscheinungsbild)“ .

Media Contact

Jutta Reising idw

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