Neuer SFB: Redoxaktive Metallkomplexe – Reaktivitätssteuerung durch molekulare Architekturen

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) einen neuen Sonderforschungsbereich bewilligt, in dem Wissenschaftler aus Chemie und und Physik daran arbeiten werden, elementare Reaktionen nachzuvollziehen und deren Ablauf und Ergebnisse zu beeinflussen. Der SFB 583 mit dem Titel „Redoxaktive Metallkomplexe – Reaktivitätssteuerung durch molekulare Architekturen“ wird zum 1. Juli 2001 seine Arbeit aufnehmen. Für das laufende Haushaltsjahr stehen etwas mehr als 2,5 Millionen Mark an Fördergeldern zur Verfügung. Insgesamt ist für die erste dreijährige Förderperiode ein Betrag von über 7,5 Millionen Mark vorgesehen. Als Sprecher des SFB 583 amtiert Prof. Dr. Dieter Sellmann (Lehrstuhl für Anorganische und Allgemeine Chemie). Stellvertreter des Sprechers ist Prof. Dr. Dr. h.c. Rudi van Eldik (Lehrstuhl für Anorganische und Analytische Chemie). Ein SFB-Sekretariat wird im Institut für Anorganische Chemie eingerichtet.

An der Naturwissenschaftlichen Fakultät II beteiligen sich die Lehrstühle für Anorganische Chemie, Organische Chemie, Physikalische Chemie I und Theoretische Chemie. Die Naturwissenschaftliche Fakultät I ist mit dem Lehrstuhl für Experimentalphysik vertreten. Viele der insgesamt

16 Arbeitsgruppen, die im neuen SFB zusammenarbeiten werden, kooperieren bereits seit längerer Zeit, beispielsweise im Graduiertenkolleg „Homogener und heterogener Elektronentransfer“, das eine ähnliche, wenn auch eingeschränkte Thematik verfolgt. Die einzelnen Forschungsvorhaben der 16 Teilprojekte im SFB 583 sind in drei Projektbereiche gegliedert:
(A) Molekulare Architekturen für die Molekülaktivierung, (B) Molekulare Architekturen für den Ladungstransfer und (C) Physikalische und Theoretische Quantifizierung der Funktionalität. Bei der Molekülaktivierung sollen vorrangig Moleküle wie Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenmonoxid, Stickstoffmonoxid und Wasser untersucht werden.

Zur Durchführung einzelner Forschungsvorhaben hat die DFG dem SFB 583 neben 29 Wissenschaftlerstellen zwei wissenschaftliche Großgeräte genehmigt: ein neues CCD-Einkristalldiffraktometer und ein neues FT-Raman-Spektrometer mit Mikroskop im Gesamtwert von 850.000 Mark. Beide Großgeräte erlauben beispielsweise, die Architektur von Metallkomplex-Katalysatoren und deren Elektronenstruktur schneller aufzuklären.


Aktive Zentren von natürlichen Katalysatoren

Redoxreaktionen sind ein universeller Typ chemischer Reaktionen. Auch das menschliche Leben von der Zeugung bis zum Tod läßt sich als eine ununterbrochene Abfolge von Redoxprozessen auf molekularer Ebene begreifen. Atmen, Denken, Wachsen und Vergehen, alles ist mit Redoxreaktionen verknüpft. Dabei werden Elektronen übertragen, d.h., die einen Moleküle werden reduziert, die anderen gleichzeitig oxidiert.

Aktives Zentrum der meisten dieser Reaktionen sind Metallverbindungen mit einem komplexen räumlichen und funktionellen Aufbau. Für die natürlichen Kreisläufe der Elemente und die Aufrechterhaltung aller Lebensvorgänge sind solche „redoxaktiven“ Metallkomplexe als Bestandteil von Enzymen unverzichtbar. Beispiel dafür sind die biologische Stickstoff-Fixierung und die Photosynthese. Diese beiden Naturprozesse sind die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Sie werden durch Enzyme katalysiert, deren aktive Zentren Metallkomplexe sind.

Enzyme benötigen große Proteinmoleküle, um die redoxaktiven Metallkomplexe zu umhüllen und wirksam werden zu lassen. Chemiker und Chemikerinnen können die Reaktivität durch die Wahl geeigneter Liganden – kleiner Moleküle oder Ionen – steuern. Durch den Aufbau besonderer Strukturen können sie Komplexe schöpferisch entwickeln, die ihre katalytische Wirksamkeit auch ohne Proteinhülle entfalten.

Solche Katalysatoren könnten es ermöglichen, Ammoniak, das für den Aufbau von Eiweißstrukturen benötigt wird, aus reaktionsträgem Luftstickstoff zu erzeugen, ohne dass außergewöhnliche Druckverhältnisse oder Temperaturen nötig sind. Bisher ist es ebensowenig gelungen, diese Reaktion ohne biologische Enzyme im Reagenzglas ablaufen zu lassen, wie Wasser mit Hilfe von Sonnenlicht in elementaren Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten und für die Synthese von Kohlehydraten aus Kohlendioxid zu nutzen. Im Sonderforschungsbereich 583 sollen die Baupläne der Natur nicht nachgeahmt werden; stattdessen wird versucht, neue Strukturen zu finden, die denselben Zweck erfüllen.


Neue molekulare Architekturen

Die gezielte Veränderung der molekularen Architekturen soll detailliert Einblick in die Struktur-Funktions-Beziehungen der redoxaktiven Metallkomplexe liefern. Erstes Ziel des neuen SFB 583 wird das Auffinden von Katalysator-Architekturen sein, die kleine Moleküle koordinieren und aktivieren können sowie den Transfer von Ladung ermöglichen. Chemische Reaktivitätsstudien, kinetisch-mechanistische Untersuchungen und physikalische Messungen sollen quantitativ den Grad der Molekülaktivierung und des Ladungstransfers erfassen. Quantenmechanische Berechnungen gestatten es, die aus diesen Studien abgeleiteten Schlüsse zu überprüfen und bessere molekulare Architekturen der katalytisch aktiven Metallkomplexe zu entwickeln.

Ein solches Vorgehen erfordert die intensive Zusammenarbeit zwischen anorganischen und organischen Synthesechemikern, physikochemischen, physikalischen und theoretischen Arbeitsgruppen. Eine große Zahl Erlanger Arbeitsgruppen in der Chemie erforscht schwerpunktmäßig redoxaktive Metallkomplexe und hat bereits umfangreiche Vorarbeiten über die Aktivierung kleiner Moleküle sowie den Ladungstransfer geleistet. Diese Aktivitäten werden jetzt in dem neuen SFB 583 gebündelt.

Als Vision existiert dabei ein Szenario für die Lösung von Problemen, die über chemische Fragestellungen weit hinausreichen. Die gezielte Steuerung der Reaktionen von Molekülen wie Stickstoff, Wasserstoff, Wasser, Methan, Sauerstoff oder Kohlendioxid würde nicht nur elementare Bedürfnisse der Menschheit wie Energie, Nahrung und Kleidung dauerhaft stillen, sondern den Idealfall sogenannten „nachhaltigen Handelns“ darstellen, das kommende Generationen nicht mit schwer handhabbaren Hinterlassenschaften belastet.

* Kontakt:
Prof. Dr. Dieter Sellmann, Lehrstuhl für Anorganische und Allgemeine Chemie
Egerlandstraße 1, 91058 Erlangen
Tel.: 09131/85 -27360, Fax: 09131/85 -27367
E-Mail: sellmann@anorganik.chemie.uni-erlangen.de

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Gertraud Pickel idw

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