Bringschuld der Wissenschaft – Holschuld der modernen Gesellschaft?

Tagung zum Public Understanding of Science (PUS) im ZiF

Mit dem Problem der Kommunikation zwischen Experten und Laien, die in Deutschland weniger entwickelt ist als in anderen Ländern – wie etwa in Großbritannien -, befasst sich eine Tagung, die vom 6. bis zum 8. Juni im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld stattfindet. Die von dem Bielefelder Chemiker Achim Müller organisierte Tagung zum „Public Understanding of Science“, zu der der Entdecker der Fußball-Moleküle Harold Kroto und der „Vater der Pille“ Carl Djerassi eingeladen sind, steht unter der Fragestellung, wie weit die Wissenschaft eine Bringschuld und die moderne Gesellschaft eine Holschuld hat.

Mit atemberaubendem Tempo sind Naturwissenschaft und Technik fortgeschritten. Das Faktenwissen ist explodiert. Dadurch gibt es nach Ansicht des Entdeckers der „Keplerate“ Achim Müller Kommunikationsprobleme grundsätzlicher Art: „Auf der einen Seite führt eine extreme Spezialisierung dazu, dass immer weniger Naturwissenschaftler miteinander kommunizieren. Wenn schon innerhalb der Wissenschaft gravierende Verständigungsprobleme auszumachen sind, um wie viel größer ist dann auf der anderen Seite die Kluft zwischen Menschen mit einer ’Allgemeinbildung’ und den auf Spezialgebieten forschenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Entstanden ist so eine Situation, die auch gesellschaftspolitische Schwierigkeiten birgt. Mangelndes gegenseitiges Verstehen kann zu Ängsten und Technikfeindlichkeit mit entsprechenden Folgen in Politik und Wirtschaft führen. Angehörige bestimmter Berufsgruppen, zu denen auch Forscher und Forscherinnen gehören, sehen sich immer häufiger in der Situation, ihre Tätigkeiten in der Öffentlichkeit darstellen oder sogar rechtfertigen zu müssen. Für diese Kommunikation ist jedoch eine Fachsprache völlig ungeeignet, andererseits ist die Aufgabe, sich in allgemein verständlicher Weise über ein Spezialgebiet mitzuteilen, in der Regel nicht Bestandteil des (wissenschaftlichen) Berufsalltags. Obwohl nun Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten zwischen den angesprochenen Welten zu vermitteln suchen, kann deren Tätigkeit das Problem nur teilweise und damit nicht zur Zufriedenheit lösen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat angesichts dieser Problematik einen ’Communicator-Preis’ ausgeschrieben.“
Als besonderes Problem wird im Rahmen dieser ZiF-Tagung das ambivalente Bild der Chemie in der (nichtwissenschaftlichen) Öffentlichkeit thematisiert. So stellt sich diese Veranstaltung als ein Beispiel dar, wie in einem bestimmten Wissenschaftsgebiet öffentliches Verständnis und nach Möglichkeit auch öffentliche Sympathie hergestellt werden kann. Im Vordergrund steht also der konkrete Anwendungsfall von Öffentlichkeitsarbeit für die Wissenschaft.

Das PUS-Programm im ZiF:

6. Juni, 20.00 Uhr, Lesung, H.W. Bellwinkel (Bochum): Thomas Mann und die Naturwissenschaften.

7. Juni, ab 8.50 Uhr, Eröffnung der Tagung durch die Geschäftsführende Direktorin des ZiF, Gertrude Lübbe-Wolff, und Achim Müller, Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld.
Harold Kroto (Brighton): Science, a Round Peg in a Square World.
Henri Brunner (Regensburg): Rechts oder links in Natur, Kunst, Technik, Wirtschaft und Wissenschaft.
Wolf Peter Fehlhammer (München): „100 Jahre Deutsches Museum“ – 100 Jahre PUS pur.
Andreas Dress (Bielefeld): The Evolution of Man: The Evolution of Mathematics.

7. Juni ab 14.00 Uhr, Harald Jockusch (Bielefeld): Von der Laborbank zu den Medien: Unser Beitrag zur Renaissance der Aufklärung.
Henning Genz (Karlsruhe): Alles voll Gewimmels – Das Vakuum der Physik.
Reinhard Kögerler (Bielefeld): Wie materiell ist Materie?
E. Constable (Birmingham): Making Chemistry Comprehensible.

8. Juni ab 9.00 Uhr, Peter Atkins (Oxford): Making Molecule Matter.
Günter Schmid (Essen): Chemistry Meets Physics: The Smallest Switches.
Achim Müller (Bielefeld): Chemie und Ästhetik: Die Formenvielfalt der Natur als Ausdruck ihrer Kreativität.
Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger (Ludwigshafen): Chemie – „Old Economy“ oder „New Frontiers?“
Martin Jansen (Stuttgart): Rationales Design oder Kombinatorik, wie steigert man die Effizienz bei Fest-körpersynthesen?

8. Juni, ab 14.00 Uhr, Heinrich Vahrenkamp (Freiburg i.Br.): Kein Leben ohne Metalle, z.B. ohne Zink.
Katharina Kohse-Höinghaus (Bielefeld): Das teutolab: eine chemische Verbindung zwischen Schule und Uni.

16.10 bis 17.00 Uhr, Round Table Diskussion – Was haben wir gelernt?

19.00 Uhr, Lesung, Carl Djerassi (Stanford): THIS MAN’S PILL: Reflections on the 50th Birthday of the Pill.

Weitere Informationen: Tagungsbüro des ZiF, Telefon 0521/106 2768, Internet: http://www.uni-bielefeld.de/ZIF/AGMueller_06_2001.html.

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Dr. Gerhard Trott idw

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