Durch innovative Geschäftsmodelle Armut lindern

Um diesen Ansatz der marktbasierten Armutsbekämpfung geht es beim Theorie-Praxis-Dialog „Growing Inclusive Markets“ am 19. und 20. Juni in der Stiftung Leucorea in Lutherstadt Wittenberg. 30 Experten aus Wirtschaft, Entwicklungszusammenarbeit und Wissenschaft setzen sich auf Einladung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) mit den Möglichkeiten und Grenzen innovativer Geschäftsmodelle auseinander, die Arme als Konsumenten, aber auch als Produzenten, Mitarbeiter oder Geschäftspartner einbinden.

Kunden mit geringem Einkommen werden derzeit von Unternehmen als interessante Zielgruppe entdeckt. Immerhin verfügen die vier Milliarden Menschen auf der Welt, die weniger als 3000 US-Dollar (gerechnet in Kaufkraftparität) im Jahr verdienen, insgesamt über eine Kaufkraft von fünf Billionen US-Dollar. Dies entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt Japans. Aus Marketingsicht besteht bei diesen Kunden ein großes Entwicklungspotential, da sie oft mit den elementaren Gütern und Dienstleistungen unterversorgt sind.

Gerade deutsche Unternehmen sind aufgrund ihrer Exportstärke und Innovationskraft gut aufgestellt, um die entsprechenden Märkte zu erschließen. Gleichzeitig sind Experten der Entwicklungszusammenarbeit auf der Suche nach neuen Modellen der Armutsbekämpfung und versuchen, verstärkt mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, um arme Bevölkerungsschichten besser in bestehende Märkte einzubinden.

Der Dialog in Wittenberg dient als Forum für Experten aus Unternehmen, Entwicklungszusammenarbeit und Wissenschaft, um die gemeinsamen Interessen an einer marktbasierten Armutsbekämpfung zu konkretisieren. Ziel ist es, Antworten auf folgende drei Fragen zu finden:

1. Wie können Geschäftsmodelle im Kontext von Armut sowohl die Situation der Armen als auch der Unternehmen verbessern?

2. Welche Hindernisse erschweren die Einbindung von Armen in Geschäftsmodelle? Wie können diese Hindernisse überwunden werden?

3. Wie können Wissenschaft, Unternehmen und Entwicklungszusammenarbeit das Konzept der Geschäftsmodelle zur Armutsbekämpfung weiterentwickeln?

In Indien zeigt der Versicherungs- und Finanzdienstleistungskonzern Allianz zusammen mit der Hilfsorganisation CARE, wie solche Geschäftsmodelle aussehen können: Innerhalb eines Jahres wollen beide Partner 200.000 armen Menschen im Alter von 18 bis 70 Jahren eine soziale Absicherung durch Mikroversicherung bieten. Das entwickelte Produkt bietet eine Absicherung im Todesfall, Unfallbehandlung, Unterstützung bei Beerdigungen und bei Krankenhausaufenthalten sowie eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. „Die Mikroversicherungen stellen somit erstmals eine auf diese Menschen zugeschnittene soziale Sicherung dar“, erklärte der Hauptgeschäftsführer von CARE Deutschland-Luxemburg, Wolfgang Jamann. Für die Allianz sind Mikroversicherungen ein wachsendes soziales Geschäftsfeld: „Normalerweise können arme Menschen die Prämien für einen Versicherungsschutz nicht bezahlen, aber wir haben eine Reihe von Produkten geschaffen, die sich diese Menschen leisten können, die sie wollen und die sie auch nutzen werden. Wir erwarten, im ersten Jahr schwarze Zahlen zu schreiben, um mögliche bescheidene Gewinne in weitere Mikroversicherungsprojekte investieren zu können“, sagt Michael Anthony, bei der Allianz SE zuständig für die Mikroversicherung.

Der Theorie-Praxis-Dialog in Wittenberg wird vom Lehrstuhl für Wirtschaftsethik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dem Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik (WZGE) und dem Emergia Institute organisiert. Er findet in Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) statt. Die UNDP-Initiative „Growing Inclusive Markets“ und ihr erster Bericht, der offiziell am 26. Juni veröffentlicht wird, werden in Wittenberg vorgestellt.

Christina Gradl, leitende Autorin des Berichts und Doktorandin am Lehrstuhl für Wirtschaftsethik der MLU, erklärt: „Unsere Fallstudien zeigen, dass Unternehmen, die Arme in ihr Geschäft einbinden wollen, ungewöhnliche Herausforderungen überwinden smüssen, da viele Grundbedingen für funktionierende Märkte wie Infrastruktur oder Rechtssicherheit nicht gegeben sind. Dennoch lohnt es sich, hier zu investieren, denn Unternehmen eröffnen sich so nicht nur neue Märkte, sondern können über ihr Produkte auch selbst zur Besserstellung der Menschen und damit dem Wachstum eben jener Märkte beitragen.“

Möglichkeiten für wechselseitige Besserstellung aufzuspüren, gehört zum Forschungsprogramm des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Ingo Pies beschreibt den Forschungsansatz: „Gesellschaftliche Herausforderungen werden häufig als Zielkonflikte wahrgenommen. Typisches Beispiel: Umweltschutz oder Wirtschaftswachstum. Das ist irreführend. Mittlerweile wissen wir: Deutsche Firmen verdienen ganz gut mit Umweltschutz, und reiche Gesellschaften leisten sich mehr davon als arme. Am Lehrstuhl arbeiten wir daran, solche vermeintlichen Zielkonflikte konzeptionell aufzulösen. Geschäftsmodelle zur Armutsbekämpfung sind eine ganz praktische Anwendung dieser Herangehensweise: Unternehmen müssen sich nicht entscheiden, ob sie ein Geschäft machen oder den Armen helfen wollen, sondern sie können durch ihr Geschäft den Armen helfen.“

Hinweis für Medienvertreter:
Sie sind herzlich eingeladen, an der Veranstaltung in Wittenberg teilzunehmen. Einen guten Einstieg in das Thema bietet insbesondere der Auftakt am 19. Juni von 13 bis 14 Uhr, wenn Partner der Veranstaltung eine Einführung in das Thema geben und Vertreter von Allianz und CARE ihr Mikroversicherungs-Projekt vorstellen.
Zeit und Ort:
Der Theorie-Praxis-Dialog „Growing Inclusive Markets“ beginnt am 19. Juni um 13 Uhr und endet am 20. Juni gegen 17 Uhr. Veranstaltungsort ist die Stiftung Leucorea, Collegienstr. 62, 06886 Lutherstadt Wittenberg. Eine vorherige Anmeldung wird erbeten.
Ansprechpartnerin:
Christina Gradl
Lehrstuhl für Wirtschaftsethik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Tel.: 0175 318 2564
E-Mail: christina.gradl@student.uni-halle.de

Media Contact

Carsten Heckmann idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-halle.de

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