Experten beraten über den richtigen Umgang mit menschlichem Gewebe

Da beim Umgang mit menschlichem Gewebe Grundrechte und Gemeinwohl berührt werden und neben wissenschaftlichen auch wirtschaftliche Interessen mit der Bereitstellung von menschlichem Gewebe verbunden sind, müssen ethische und rechtliche Anforderungen in den Blick genommen werden.

Dem widmet sich die Stiftung “Human Tissue and Cell Research” (HTCR) in vollem Umfang. Die Stiftung wurde im Dezember 2000 durch Prof. Dr. Karl-Walter Jauch in Regensburg gegründet. Der heutige Direktor der Chirurgischen Klinik und Poliklinik am Klinikum der Universität München, Campus Großhadern, hatte HTCR als Stiftung des öffentlichen Rechts mit folgenden Zielen ins Leben gerufen:

– Menschliches Gewebe für die Forschung verfügbar halten,

– In-vitro-Systeme – also lebende Zellen außerhalb des Körpers in Kulturschale – bereit stellen,

– Forschung mit humanen In-vitro-Modellen fördern und die Voraussetzungen für die Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Verfahren schaffen,

– Gewebebank mit menschlichem Zellgewebe aufbauen und langfristige Datendokumentation sicherstellen,

– ethische und rechtliche Rahmenbedingungen, sowie die Wahrung des Datenschutzes etablieren.

Die Stiftung agiert völlig unabhängig von Forschungsinstituten und interessierten Unternehmen, unterliegt staatlichen Kontrollen und hegt keine wirtschaftlichen Interessen. Prof. Dr. Karl-Walter Jauch hat mit privaten Mitteln den Grundstein für das inzwischen auf 450.000 Euro angewachsene Stiftungskapital gelegt. Die Geldgeber selbst, wie alle weiteren Spender, haben auf das Vermögen keinen Einfluss mehr. Lediglich die Erträge der in Regensburg ansässigen Stiftung stehen für Vorhaben zur Verfügung.

Inzwischen betreibt HTCR eine Gewebebank an den Universitätsklinika Regensburg und München/Großhadern. Das darin enthaltene menschliche Gewebe und Zellmaterial stammt aus interventionellen Eingriffen vor Ort. Anstatt das Gewebe, das für weitere Diagnosezwecke keine Verwendung fände, nach dem Eingriff als Ausschuss verwerfen zu lassen, stellen es die Patienten zu Zwecken der Forschung im universitären Bereich oder in der forschenden Pharmaindustrie und Biotechnologie zur Verfügung. Dieses Prozedere ist unter anderem deshalb für die Forschung besonders wertvoll, weil parallel zum Gewebe Informationen über die Krankheitsgeschichte dokumentiert werden. Durch die Anonymisierung der Daten stellt die Stiftung sicher, dass das Arztgeheimnis gewahrt bleibt. Nach über siebenjähriger Erfahrung in diesem Bereich hat sich bestätigt, dass sowohl die Therapie- und Medikamentenentwicklung, als auch das Bestreben nach immer höherer Arzneimittelsicherheit von dem gelagerten Humangewebe profitieren. Die Resultate der Forschung mit Humangewebe sind nicht nur aussagekräftiger, konkreter und direkter anwendbar, sie sind auch mit wesentlich geringeren Kosten erreicht worden.

Beispiel 1: Wenn Ideen, Erkenntnisse und Entdeckungen aus der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung, also in neue Strategien zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten umgesetzt werden sollen, wird Humangewebe benötigt. Eine ausschließlich auf Tierversuchen basierende Forschung bietet häufig eine zu geringe Human-Relevanz, schafft deshalb immer wieder Probleme aufgrund der Unterschiede zwischen Mensch und Tier, erzeugt unter Umständen irreführende Ergebnisse und ist folglich ergänzungsbedürftig.

Beispiel 2: Forschung mit Humangewebe kann die Lücke zwischen der Basisentwicklung im Labor, der Grundlagenforschung und der Anwendung am Patienten schließen helfen. Beispielsweise können Untersuchungen, die bislang nur an sich selbst perpetuierenden standardisierten Zelllinien vorgenommen wurden, nun an spezifischen Karzinomen von Patienten ausgetestet werden.

Programm des nicht öffentlichen Expertentreffens:

Das Eröffnungsreferat hält Prof. Dr. Susanna Hegewisch-Becker (Stellv. Vorsitzende der AG Internistische Onkologie in der deutschen Krebsgesellschaft). Sie geht auf die spezielle Bedeutung von Humangewebe für die Krebsforschung ein und erläutert dessen Unverzichtbarkeit. Dr. Thomas Singer (F. Hoffmann-La Roche) legt in seinem Kurzvortrag den Nutzen von Humangewebe für die Medikamentenentwicklung und die Medikamentensicherheit dar. Auf die Bedeutung und die Perspektiven der Forschung mit menschlichem Gewebe wird auch Prof. Dr. Klaus Lindpaintner (Roche Genetics, F. Hoffmann-La Roche) eingehen, der Humangewebe als Ausgangspunkt für die Medizin der Zukunft erachtet.

Den zweiten Themenblock des Expertentreffens eröffnet Prof. Dr. Konrad Hilpert (LMU München, Katholisch-Theologische Fakultät – Lehrstuhl für Moraltheologie). Er stellt ethische Kriterien für den Umgang mit Humangewebe zur Diskussion. Dr. Eva Zech (Referendarin OLG Bezirk Braunschweig) gibt eine Bestandsaufnahme und zeigt Entwicklungsperspektiven rechtlicher Rahmenbedingungen des Umgangs mit Humangewebe. Nils Hoppe (Wiss. Mitarbeiter an der Zentralen Einrichtung für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsethik, Leibniz Universität Hannover) umreißt sich abzeichnende juristisch-ethische Standards im europäischen Vergleich.

Im dritten Themenblock gibt Prof. Dr. Hans-Anton Lehr (Institut universitaire de Pathologie, Lausanne) Einblicke in die Praxis eines klinischen Pathologen und seine Orientierung an ethisch-juristischen Standards. Dr. Christina Schröder (Fraunhofer IBMT, Potsdam) benennt Grundanforderungen an den Aufbau und die Nutzung von Biobanken. PD Dr. Wolfgang Thasler (Facharzt für Chirurgie und Leiter der AG Leberregeneration am Klinikum der Universität München, LMU) beleuchtet einige Implikationen des „Honest-Broker-Konzepts“ für die Pathologie und seine Bedeutung für die Forschung.

Ansprechpartner:
PD Dr. Wolfgang Erwin Thasler
Chirurgische Klinik am Klinikum der Universität München,
Campus Großhadern
Arbeitsgruppe Leberregeneration
Tel: 089/7095-2673
Mobil: +49-170-8056612
E-mail: Wolfgang.Thasler@med.uni-muenchen.de

Klinikum der Universität München
Im Klinikum der Universität München (LMU) werden an den Standorten Großhadern und Innenstadt jährlich rund 81.000 Patienten stationär, 12.000 teilstationär und 370.000 Patienten ambulant behandelt. Die 44 Fachkliniken, Institute und Abteilungen verfügen über mehr als 2.300 Betten. Von insgesamt 9.000 Beschäftigten sind rund 1.800 Mediziner. Forschung und Lehre ermöglichen eine Patientenversorgung auf höchstem medizinischem Niveau. Das Klinikum der Universität München hat im Jahr 2006 mehr als 58 Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben und ist seit Juni 2006 Anstalt des öffentlichen Rechts.

Media Contact

Philipp Kreßirer Klinikum der Universität München

Weitere Informationen:

http://www.klinikum.uni-muenchen.de

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