Arbeit in Sozialen Dienstleistungen – Welche Zukunft hat die Branche?

Soziale Dienstleistungen waren die heimliche Heldin des Strukturwandels in den letzten Jahren und sie sind auch für die kommenden Jahre auf Wachstum programmiert.

Allerdings könnten die schwierigen Arbeitsbedingungen – enorme Arbeitsbelastungen, viele Minijobs und viele befristete Arbeitsverhältnisse, hohe Teilzeitquoten, vergleichsweise niedrige Löhne – in Zukunft ein Entwicklungshemmnis werden. Um dieses zu verhindern ist Politik gefordert, etwa mit Vorgaben für eine verbesserte Refinanzierung der Leistungen.

Mindestens genauso wichtig ist aber, dass auch die Branche selbst ihre Hausaufgaben macht – dies war der Grundtenor eines Austausches von Wissenschaft und Politik, den der AWO Bundesverband gemeinsam mit dem Institut Arbeit und Technik (IAT /Westfälische Hochschule) organisiert hatte und zu dem auch wichtige Beiträge vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung kamen.

Prof. Dr. Joachim Möller – der Direktor des IAB – arbeitet heraus, dass die Sozialen Dienste in den letzten Jahren zu den Aktivposten am Arbeitsmarkt gehört haben, dass sie im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen aber eher schlecht aufgestellt seien.

Besonders irritierend falle ins Auge, dass es in dieser „Boombranche“ ein hohes Maß an Befristungen gibt, dass die Teilzeitquote enorm ist, die Krankenstände überdurchschnittlich hoch sind und die Einkommen vergleichsweise bescheiden ausfallen. Diese Schattenseiten der Arbeit – so Dr. Florian Blank vom WSI – schlagen auch auf die soziale Sicherung, auf die Rentenansprüche der Beschäftigten durch.

„Zwar kann nicht von einem vorprogrammierten Weg in Altersarmut gesprochen werden, aber es wird doch Zeit sich über eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen Gedanken zu machen“ so Blank. Ein wichtiges Gestaltungsfeld sei, Wege zu finden, die hohe Teilzeitquote zurückzufahren.

Bei der zukünftigen Entwicklung der Sozialen Dienste „haben wir in Sachen Kreativität noch Luft nach oben“, betonte Wolfgang Stadler, der Vorstandsvorsitzende des AWO-Bundesverbandes. Das gelte aber nicht nur beim Thema Voll- oder Teilzeit, sondern bei Fragen der Techniknutzung und beim Reagieren auf sich ändernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen.

Aktuell etwa müssten Wege gefunden werden, Flüchtlingen mit einschlägigen Qualifikationen und Interessen Wege in die Gesundheitsberufe zu ebnen. Dr. Joß Steinke, ebenfalls vom AWO-Bundesverband, gab einen Einblick in die Zukunftsbaustellen, wie sie heute schon bei der AWO zu besuchen sind. Gerade beim Thema Digitalisierung wird der Brückenschlag zu High-Tech-Start-Ups gesucht. „In den letzten Jahren haben wir bei der Anpassung an veränderte Herausforderungen gute Leistung abgeliefert. Deshalb sind wir auch zuversichtlich, beim Thema Arbeit 4.0 mithalten zu können.“

Michaela Evans vom IAT umriss, dass das System der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft außergewöhnlich kleinteilig und unübersichtlich sei und dass dies kooperativen Ansätzen zur Branchenentwicklung im Wege stünde. „Aber es gibt Grund zu Zuversicht. An etlichen Stellen setzen sich die Akteure zusammen und suchen nach neuen Wegen der Zusammenarbeit, auch bei der Tarifpolitik. Politik unterstützt diese Ansätze durch Einladungen zum sozialen Dialog.“

Viel Ermunterung kam auch von Seiten der Politik. Dr. Carola Reimann, die stellv. Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, umriss, dass die wirtschaftliche und soziale Bedeutung der sozialen Dienstleistungen immer klarer erkannt werde und dass es in den nächsten Jahren wichtig sei, die Leistungen der Branche, aber auch ihre Bemühungen um Zusammenarbeit für Erneuerungen systematisch zu unterstützen.

„Wenn es gelingt, sich in der Branche auf einheitliche und vertraglich fundierte Standards für gute Arbeit zu verständigen, ist das auch ein starkes Argument bei den Debatten um die Refinanzierung der Dienste durch die öffentlichen Hände und durch die Sozialkassen“, ermunterte Thorben Albrecht, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Sozialwirtschaft, auf Zusammenarbeit zu setzen. Prof. Dr. Josef Hilbert, Direktor des IAT und Moderator der Veranstaltung, schloss mit Zuversicht ab:

„Dieser Abend hat einen Stimmungswechsel deutlich gemacht: Die Sozialen Dienstleister verstehen sich zunehmend sowohl als gesellschaftlich notwendige Dienstleistung als auch als Zukunftsbranche. Dies macht offensichtlich Eindruck bei der Politik. Aber weitere positive Akzente für die Entwicklung der Branche brauchen einen Ausbau der Zusammenarbeit und des Innovationsbisses!“

Ihr Ansprechpartner: Prof. Dr. Josef Hilbert, Tel: 0209/1707-120, hilbert@iat.eu

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Claudia Braczko idw - Informationsdienst Wissenschaft

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