Trendstudie Medical Design: Die Gerätehersteller entdecken Apple, Insekten und Reinweiß

Sebastian Maier (l.) und Alexander Müller, Geschäftsführer der Design Agentur Corpus-C aus Fürth<br>

Alexander Müller und Sebastian Maier leiten die Design Agentur Corpus-C. Ihre Spezialität: zeitloses Produktdesign für die Bereiche Medizin, Pharma und Labor. Als Experten für gutes Design haben sie die neuesten Produkte der Medizintechnikbranche unter die Lupe genommen. Im Interview erläutern sie die Ergebnisse der Trendanalyse 2011.

Sie haben eine Studie zu den aktuellen Designtrends von medizinischen Geräten herausgegeben. Was war Ihre Intention?

Alexander Müller: „Unsere Kunden erwarten professionelle Designberatung. Dazu gehört, dass wir die Trends von heute kennen und wissen, was morgen auf die Entwicklung von hochwertigen Produkten Einfluss nimmt. Wir nutzen jede Möglichkeit, um Innovationen aufzuspüren und am Puls der Zeit zu bleiben.“

Was war in Ihren Augen besonders hervorstechend?

Sebastian Maier: „Viele medizinische Geräte orientieren sich in diesem Jahr an Apple. Touchdisplays, Multitouch-Displays, 3D-Anwendungen – der Einfluss des iPhones ist unverkennbar. Das Design kommt nicht nur im Konsumgüterbereich sehr gut an. Auch die Medizintechnikunternehmen möchten an dem Erfolg teilhaben. Interessant ist auch, dass nach der bunten Phase die ersten Produkte wieder komplett in Reinweiß oder sehr kontrastreich in Schwarz-Weiß gestaltet wurden.“

Alexander Müller: „Auffallend sind aber auch Produkte, die wie skalierte Insekten aussehen. Wir sprechen hier von „Organic-Insect“. Die Produkte sind vielfarbig und extrem organisch gestaltet. Sie wirken aggressiv und unruhig, fallen aber auf. Einsetzbar sind sie in meinen Augen wohl nur in Schönheitskliniken, vielleicht noch im Reha-Bereich.“

Müssen medizinische Geräte nicht in erster Linie funktionieren?

Alexander Müller: „Natürlich. Aber gutes Design unterstützt und verbessert die Funktionalität. Es geht darum, Schwachstellen in der Bedienbarkeit von Geräten oder in ihrer Integrierbarkeit in den Arbeitsablauf auszuloten, um nachfolgende Modelle besser zu machen.“

Sebastian Maier: „Nicht nur besser, sondern auch sicherer! Nehmen wir das Beispiel Anästhesie. Gerade hier ist die fehlerlose Bedienbarkeit Pflicht. Wenn der Arzt in der Klinik seinen Arbeitsplatz im Schlaf bedienen kann, bedeutet das ein Höchstmaß an Sicherheit für die Patienten.“

Macht Design die OP- und Labortechnik nicht besonders teuer?

Alexander Müller: „Produkte im Gesundheitsbereich sind sehr kostensensibel. Jedes neue Gerät muss mehr leisten und weniger kosten als das Vorgängermodell. Design ist kein Zusatzposten, sondern trägt dazu bei, die Produktionskosten zu senken.“

Sebastian Maier: „Den Einfluss von Design auf die Qualität und den Markterfolg ihrer Produkte haben nach den Großen wie Philips und Siemens inzwischen auch zahlreiche Unternehmen aus dem Mittelstand erkannt. Design ist ein Wirtschaftsfaktor, kein Selbstzweck.“

Haben Sie sich deshalb ganz auf Medical Design spezialisiert?

Sebastian Maier: „Ja, weil wir den Bedarf an kompetenter Designberatung auf Seiten unserer Kunden erkannt haben. Der Medizinbereich ist stark reguliert, so ist auch die Designentwicklung mit unterschiedlichen Auflagen konfrontiert. Sie können nur dann schnell und flexibel agieren, wenn sie sich mit all diesen Vorgaben auskennen. Hinzukommt der globale Aspekt. Wir arbeiten für internationale Marktführer, die auch in China und Brasilien erfolgreich sein wollen.“

Wie entwickeln sich angesichts der strengen Vorgaben Trends im Medical Design?

Alexander Müller: „Ein Beatmungsgerät ist keine Kaffeemaschine. Trends im Medical Design entwickeln sich langsam, zudem ist die Technik viel komplexer. Das beste Beispiel dafür sind die aktuellen reinweißen Hochglanzoberflächen. Vor ein paar Jahren gab es keinen Kunststoff, der nicht vergilbte oder gelblich wurde. Außerdem war es schwierig, perfekte Oberflächen in Spritzgusstechnik herzustellen. Jetzt kann das Fließverhalten durch Computersimulationen analysiert und optimiert werden. Das Problem ist beherrschbar geworden – daraus ergeben sich neue Möglichkeiten für die Designer.“

Welche Anforderungen muss ein Designer im Medizinbereich mitbringen?

Sebastian Maier: „Die wichtigste Eigenschaft ist Leidenschaft. Medizinprodukte werden über Jahre entwickelt, das erfordert Geduld und Ausdauer. Weitere Voraussetzungen sind neben einem guten Formgefühl das Verständnis für technische Fragen, Kenntnisse in Sachen Materialien und Fertigungsverfahren. Zusätzlich brauchen Sie dann noch kommunikative Kompetenz – die Beratung macht einen großen Teil unserer Arbeit aus.“

Alexander Müller: „Wichtig ist auch, sich mit den Regularien auszukennen. Medizinische Geräte müssen viele Dinge leisten, pflegeleicht und robust sein. Sie werden zum Beispiel jeden Tag desinfiziert – das macht nicht jedes Material mit.“

Wie entwickeln Sie Ihre Ideen?

Alexander Müller: „Wir entwickeln Design im Dialog mit Kunden und Kollegen. Das ist ein kreativer Prozess. Die besten Ideen müssen immer ein bisschen reifen.“

Wie würden Sie den Stil von Corpus-C beschreiben?

Sebastian Maier: „In unseren Augen muss Medical Design zeitlos sein und Vertrauen vermitteln. Dass wir mit dieser Linie erfolgreich sind, belegen die zahlreichen Design Awards, die wir für unsere Produkte schon gewinnen konnten.“

In der Medizin spielt der Faktor Wahrnehmung eine große Rolle. Wie wirkt ein Gerät auf die Patienten, strahlt es eine Wohlfühlatmosphäre aus, fällt dem Arzt die Arbeit leicht? Sie arbeiten mit einer Psychologin zusammen. Wie sieht das in der Praxis aus?

Alexander Müller: „Farben und Formen lösen Emotionen aus und beeinflussen, wie ich ein Gerät wahrnehme. Auch die Haptik der Materialien spielt eine sehr große Rolle: Ein gummierter Griff fühlt sich besser und hochwertiger an als ein Edelstahlgriff. Wir versuchen, gemeinsam mit der psychologischen Fachkompetenz die optimale Lösung für alle – Auftraggeber, Anwender und Patient – zu gestalten. Effizient, praktisch und schön.“

Sebastian Maier: „Natürlich müssen wir dabei berücksichtigen, dass jeder Mensch Dinge unterschiedlich wahrnimmt. Es gibt aber bestimmte Formen und Farben, mit denen unterschiedliche Attribute und Eigenschaften in Verbindung gebracht werden. Deshalb werden typische Farben im Medical Design auch so häufig eingesetzt. Weiß und blau zum Beispiel. Diese Farben symbolisieren Hygiene und Reinheit.“

Gibt es dabei Unterschiede zwischen Frauen und Männern, Kindern und Erwachsenen?

Alexander Müller: „Die größten Unterschiede finden sich in der Wahrnehmung von Farbe. Männer finden Farben ansprechend, die technischer Natur sind: silber, blau, orange, schwarz und grau. Frauen tendieren zu Pastellfarben. Kinder, das weiß man inzwischen, nehmen Farben genau so wahr wie Erwachsene. Hier spielen andere Dinge eine Rolle. Wir arbeiten zum Beispiel an Spritzen, die lustig aussehen und nicht so viel Angst vor dem Pikser machen.“

Ein Blick in die Zukunft: Welche Trends erwarten Sie im kommenden Jahr?
Sebastian Maier: „Der Trend geht zur Miniaturisierung. Im vergangenen Jahr haben wir das erste mobile Ultraschallgerät im Handyformat gesehen – das hat Zukunftspotenzial. Darüber hinaus erwarten wir neue Medical-Apps für das iPhone, Touch-Anwendungen und 3D-Applikationen, die ohne Brille funktionieren.“

Corpus-C Design Agentur mit Sitz im Medical Valley Europäische Metropolregion Nürnberg (EMN) wurde 2007 gegründet und hat sich auf strategisches Produktdesign in den Bereichen Medizintechnik, Pharma und Labor spezialisiert. Der Unternehmensname leitet sich vom lateinischen Begriff „Corpus Callosum“ ab. Diese zentrale Verbindung der beiden Gehirnhälften ist für den Informationsaustausch und die Kreativität verantwortlich. Regelmäßig sind die Arbeiten des achtköpfigen Teams der Agentur auf den Shortlists renommierter Designpreise zu finden.

Ansprechpartner für die Redaktionen:
Corpus-C Design Agentur GmbH
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Kaiserstraße 168 – 170
Tel.: 0911 2177 379-0
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