Verschleppung von Arten verändert globale Biodiversitätsmuster

Die weiße Bergschnecke (Theba pisana), ein europäischer Vertreter, der mittlerweile weltweit in gemäßigten Regionen verbreitet ist, beispielsweise in Kalifornien, Südafrika und im südlichen Australien Foto: César Capinha

Als die großen Entdecker in See stachen, waren sie sicher fasziniert zu sehen, dass mit zunehmender Entfernung von der Heimat eine ganz andere Tier- und Pflanzenwelt vorherrscht. Ozeane und Hochgebirge wirkten im Laufe der Erdgeschichte als gigantische natürliche Barrieren.

Dadurch konnte sich auf weit voneinander entfernten Inseln und Kontinenten eine eigenständige, nur dort vorkommende Flora und Fauna entwickeln. Doch mit dem zunehmenden Handel und Tourismus hat der Mensch viele Tier- und Pflanzenarten über den gesamten Globus verschleppt oder bewusst ausgesetzt. Diese in den letzten Jahrzehnten rasant zunehmende Entwicklung, so vermuten Experten, könnte zu einer Homogenisierung der Ökosysteme führen. Global ansetzende Analysen zu dieser Hypothese fehlten jedoch bislang.

Ein fünfköpfiges Wissenschaftlerteam aus Portugal, Österreich und Deutschland hat nun erstmals nachweisen können, dass die globale Verschleppung von Arten zum Zusammenbruch der eigenständigen, über Jahrmillionen entwickelten Verbreitungsmuster führt. Die Wissenschaftler untersuchten am Beispiel von 175 Landschnecken-Arten, wie sich die Ähnlichkeit in der Artzusammensetzung zwischen 56 Ländern und Regionen durch menschliche Verschleppung verändert hat. Dieser Studie vorausgegangen waren Untersuchungen, die keine signifikanten Trends beim Biodiversitätsverlust auf lokaler Ebene aufzeigen konnten.

„Wir haben daher die Perspektive gewechselt und nicht gefragt, ob es mit der Zeit zu Veränderungen in der Artenvielfalt gekommen ist. Vielmehr wollten wir wissen, wie sich die Ähnlichkeit zwischen den Artengemeinschaften verändert hat“, erklärt Henrique Miguel Pereira vom Deutschen Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Senior-Autor der Studie.

Die Ergebnisse überraschten die Experten. Während die ursprüngliche, natürliche Verbreitung der Schneckenarten die bekannten Ausbreitungsgrenzen widerspiegelt, ergibt sich für gebietsfremde Vertreter ein anderes Bild.

„Die Verbreitung der vom Menschen verschleppten Schnecken folgt ganz neuen Mustern und wird fast ausschließlich vom Klima bestimmt, wobei sich die Gemeinschaften an zwei biogeographischen Regionen ausrichten: den Tropen und gemäßigte Zonen“, erklärt César Capinha, Hauptautor der Studie. Daraus folgt, dass sogar weit voneinander entfernte, klimatisch aber ähnliche Regionen eine sehr ähnliche Artengemeinschaft von verschleppten Schnecken aufweisen können.

Früher war es die Entfernung, die über die Ausprägung von Ähnlichkeitsmustern bestimmte. Heute ist es das Klima, ergänzt durch den Einfluss der geographischen Entfernung und des globalen Handels. Mit dem Transport von lebenden Pflanzen, Gemüse und Obst erreichen täglich blinde Passagiere neue Länder und Regionen und siedeln sich dort an.

Für Länder mit ähnlichen Klimaverhältnissen heißt das: Je intensiver der Handel zwischen den betreffenden Ländern betrieben wird, desto ähnlicher werden sich deren Artengemeinschaften entwickeln.

Diese biologische Homogenisierung könnte weitreichende Konsequenzen haben, warnen die Forscher. Während manche Arten durch den Menschen weltweit verschleppt werden, geraten viele einheimische Arten aufgrund der Ansiedlung der Neubürger immer stärker unter Druck.

Publikation:
César Capinha, Franz Essl, Hanno Seebens, Dietmar Moser, Henrique Miguel Pereira: The dispersal of alien species redefines biogeography in the Anthropocene, in: Science, 12. Juni 2015

Weitere Informationen:

Henrique Miguel Pereira
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
Mobil: +49 (0) 151 612 51644
hpereira@idiv.de

César Capinha
REFER Biodiversity Chair, Portugal
ccapinha@cibio.up.pt

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Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)
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