Todesfalle Strommast: Letzte Uhus in Gefahr

Der Uhu ist die grösste Eulenart Europas. Während seine Bestände in weiten Teilen Europas leicht ansteigen, stagnieren sie in der Schweiz oder sind gar rückläufig. So auch im Wallis, das eine kleine Population von etwa zehn Brutpaaren beherbergt. Während der letzten 20 Jahre blieb diese Population mehr oder weniger konstant.

Die vorliegende Studie unter der Leitung von Raphaël Arlettaz, Adrian Aebischer und Michael Schaub vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern, die in der renommierten Zeitschrift «Biological Conservation» publiziert worden ist, zeichnet jetzt aber ein erschreckendes Bild: Nur etwa 10 Prozent der Uhus im Wallis überleben das erste Jahr. Ein Viertel der Tiere stirbt durch Stromschlag an veralteten Freileitungsmasten, welche den heutigen Sicherheitsstandards nicht mehr entsprechen.

Zuwanderung kompensiert hohe Sterblichkeit

Die Forschenden der Universität Bern und der Schweizerischen Vogelwarte Sempach markierten junge Uhus mit Sendern und verfolgten sie nach dem Ausfliegen mittels Satellitentelemetrie. In einem zweiten Schritt entwickelten sie ein demographisches Modell, in dem die Telemetriedaten, Informationen zur Populationsentwicklung und zum Bruterfolg sowie zum Alter von tot gefundenen Individuen einflossen. Mit diesem innovativen Modell konnten alle demographischen Parameter geschätzt werden. Es zeigte sich, dass der Bruterfolg kaum vom Bruterfolg in anderen Uhupopulationen abweicht.

Hingegen ist die Sterblichkeitsrate der Jung-, wie auch der Altvögel extrem hoch – rund 40 Prozent pro Jahr. Die Population bleibt nur konstant, weil sie massive Zuwanderung aus Frankreich und Italien erhält. Ginge die Zahl der Immigranten auch nur leicht zurück, so würde die Walliser Uhupopulation in kurzer Zeit aussterben. Das Modell offenbarte weiter, dass die Uhupopulation jährlich um rund 17 Prozent zunähme, wenn alle gefährlichen Freileitungsmasten saniert würden. Theoretisch könnte sich die Uhupopulation unter diesen Bedingungen innerhalb von rund acht Jahren verdreifachen.

Aufruf an Elektrizitätsunternehmen

Das Wissen, wie elektrische Leitungen vogelsicher saniert werden können, ist schon lange vorhanden. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat einen aktuellen Katalog der gefährlichen Freileitungsmasten sowie der wichtigsten Sanierungsmassnahmen publiziert. Im Wallis und im Berner Seeland sind schon einzelne Sanierungsmassnahmen eingeleitet worden. Momentan befinden sich aber noch mehrere Tausend gefährlicher Masten in der ganzen Schweiz.

Die vorliegende Studie zeigt eindrücklich, welche Effekte auf gefährdete einheimische Vogelpopulationen zu erwarten wären, wenn grossflächige Sanierungen der Freileitungsmasten durchgeführt würden. «Die Elektrofirmen haben eine grosse Verantwortung gegenüber dem Schutz und dem langfristigen Überleben des Uhus und anderer gefährdeter Vogelarten. Sie sind gebeten, diese elektrischen Fallen umgehend zu sanieren – sowohl um die rechtlichen Richtlinien zu erfüllen als auch um ein Ökolabel zu verdienen», sagt Raphaël Arlettaz. Es steht das Überleben des Uhus auf dem Spiel.

Quellenangabe:

Michael Schaub, Adrian Aebischer, Olivier Gimenez, Silvia Berger, Raphaël Arlettaz: Massive immigration balances high anthropogenic mortality in a stable eagle owl population: Lessons for conservation. Biological Conservation, 2010, doi:10.1016/j.biocon.2010.04.047

Media Contact

Nathalie Matter idw

Weitere Informationen:

http://www.unibe.ch

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