Kohlendioxid-Ausstoß in Folge von veränderter Landnutzung wurde unterschätzt

Etwa vierzig Prozent mehr Kohlendioxid als bisher gedacht sei in den neunziger Jahren in die Atmosphäre entwichen. Zu diesem Resultat kommen Wissenschaftler, die in ihre Modelle erstmals die Verfügbarkeit von Stickstoff einfließen ließen. Die internationale Klimapolitik sieht sich auf einmal mit ganz neuen Bedingungen konfrontiert.

Während Menschen und Tiere bei allem was sie tun Kohlendioxid ausstoßen, können Pflanzen das klimaschädliche Gas aufnehmen. Sie brauchen den darin enthaltenen Kohlenstoff zum Wachsen und speichern ihn bis zu ihrem Tod. Erst dann wird wieder Kohlendioxid frei und kann von anderen Pflanzen, dem Boden oder den Ozeanen aufgenommen werden. Der Kohlenstoffkreislauf dreht sich.

Der Mensch greift in letzter Zeit immer häufiger in diesen Kreislauf ein, denn unsere Energie gewinnen wir zu einem großen Teil aus der Verbrennung von fossilen Rohstoffen. Die Mengen an Kohlendioxid, die dabei entweichen, sind enorm, aber sie sind bekannt. Wie viel Einfluss eine veränderte Landnutzung auf den Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre hat, ist hingegen ungewiss. Die Modelle der Wissenschaftler liefern sehr unterschiedliche Ergebnisse.

Das liegt zum einen daran, dass sich gar nicht mehr genau rekonstruieren lässt, wann in der Vergangenheit ein Stück Wald abgeholzt oder eine Weide zu Ackerland gemacht wurde. Zum anderen liegt es aber einfach an den Modellen selbst. Genauer gesagt an den Faktoren, die beachtet werden und denen, die außen vor bleiben.

Stickstoff blieb bisher immer außen vor

„Wenn Pflanzen auf gerodeten oder abgeholzten Flächen nachwachsen, nehmen sie natürlich wieder Kohlendioxid auf“, sagt Atul Jain, Co-Autor der neuesten Studie. „Aber wie viele Pflanzen wirklich nachwachsen und wie schnell das passiert, das hängt auch vom Klima und vom Nährstoffgehalt des Bodens ab.“

Einer der wichtigsten Pflanzennährstoffe ist Stickstoff. Unsere Luft besteht zu fast achtzig Prozent aus diesem Gas, aber das nützt den Pflanzen nichts. Sie können das Element nur in Form von mineralischen Verbindungen wie Nitrat oder Ammonium aufnehmen. Ist im Boden kein Stickstoff vorhanden, verzögert sich das Pflanzenwachstum ganz erheblich und die Aufnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre gerät ins Stocken.

Die Auswirkungen auf den Kohlenstoffkreislauf sind ein Mysterium

Genau dieser Umstand ist bisher nicht berücksichtigt worden. „Die meisten Modelle über Landnutzungsänderungen sind nicht dafür ausgelegt, den Einfluss von Stickstoffmangel einzubeziehen“, erklärt Prasanth Miyappan, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Das Nachwachsen von Pflanzen wird von ihnen überschätzt und die Emissionen erscheinen klein.

Jetzt haben Wissenschaftler erstmals ein Modell entwickelt, in dem der Stickstoff gebührende Beachtung findet. Ihre Ergebnisse sind eindeutig: Nichts beeinflusst den Ausstoß von Kohlendioxid so sehr wie die Verfügbarkeit von Stickstoff im Boden.

In den tropischen Gebieten sind die Auswirkungen nicht ganz so stark wie in den gemäßigten Breitengraden. Das liegt daran, dass tropische Böden für gewöhnlich eine sehr gute Stickstoffversorgung aufweisen. Hier beträgt der Unterschied zwischen Jains Emissionsmodell und seinen drei Vergleichsmodellen nur zehn Prozent.

Ein ganz anderes Bild zeigt sich in der restlichen Welt. Jain und seine Kollegen berechneten für die neunziger Jahre durchschnittlich siebzig Prozent mehr Kohlendioxid-Emissionen als alle Modelle, die ohne Stickstoffvorkommen arbeiteten.

Die Referenzwerte für das Kyoto-Protokoll stammen aus den neunziger Jahren

Diese extreme Unterschätzung hat große Auswirkungen auf die internationale Politik. Das Kyoto-Protokoll zum Beispiel, in dem die Industrieländer sich verpflichtet haben ihre Treibhausgas-Emissionen zu senken, beruht auf Referenzwerten aus dem Jahr 1990. Falls diese Werte aber durchschnittlich um vierzig Prozent zu niedrig angesetzt sind, so wären zukünftig viel stärkere Einschnitte nötig um die Reduktionsziele zu erreichen.

Die Ergebnisse der Studie werden in den fünften Sachstandsbericht des Weltklimarats einfließen. „Ein einziger Nährstoff kann einen riesigen Einfluss auf den Kohlenstoffkreislauf und die Treibhausgasemissionen haben“, so Jain. Als nächstes wollen die Forscher die Rolle des Phosphors untersuchen.
Quelle:
Jain, A. K. et al. (2013): CO2 emissions from land-use change affected more by nitrogen cycle, than by the choice of land-cover data. Global Change Biology, (Online-Veröffentlichung am 25. März 2013), doi: 10.1111/gcb.12207.

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Jain, A. K. et al. Pflanzenforschung.de

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