Keine Hoffnung für Harzer Waldgreiskraut: Pflanzenart verschwindet wegen genetischer Infiltration

Die Hochlagen des Nationalparks Bayerischer Wald stellten den angestammten Lebensraum für das Harzer Greiskraut Senecio hercynicus dar (hier an den Südwesthängen des Plattenhauser Riegels). Bildnachweis: Gabriel Heine, Universität Regensburg

Die vor allem im Bayerischen Wald heimische Pflanze wird durch die weiter verbreitete Art des Fuchs´schen Greiskrauts Senecio ovatus „aufgesaugt“ (genetische Infiltration).

Zu diesem Schluss kommen Forscher um Gabriel Heine und Prof. Dr. Christoph Oberprieler vom Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Regensburg in Kooperation mit Dr. Claus Bässler von der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald. Ihre Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Flora“ veröffentlicht (DOI: 10.1016/j.flora.2014.10.002).

Pflanzenarten verschwinden oft nicht durch Reduktion ihres Lebensraumes, sondern auf sehr unspektakuläre Weise durch „genetisches Aufsaugen“ in den Genpool einer sich ausbreitenden „Vampirart“. Solche Vorgänge werden künftig aufgrund der prognostizierten Klimaveränderungen auch unsere heimische Pflanzenwelt stärker verändern.

Damit einhergehende Verschiebungen der pflanzlichen Entwicklungszeiten bedingen, dass sich zwei verwandte und in denselben Habitaten wachsende Arten – die bislang wegen unterschiedlicher Blütezeiten reproduktiv voneinander getrennt waren – miteinander mischen bzw. hybridisieren.

Die Hybridbildung zwischen zwei Pflanzenarten ist zwar ein häufig beobachtetes Phänomen, führt aber nur selten dazu, dass eine der beiden Arten vollständig verschwindet. Zumeist stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Hybridisierung und Genfluss auf der einen Seite und natürlicher Selektion entlang ökologischer Grenzen auf der anderen Seite ein. Dies führt zum Ausbilden von mehr oder weniger schmalen Hybridzonen, in denen die beteiligten Rein-Arten jeweils Vorteile besitzen und sich so dem Eindringen der Hybride erwehren.

Für das Harzer Waldgreiskraut Senecio hercynicus im Bayerischen Wald wäre dies ein hoffnungsvolles Szenario, da die Art besser an die ökologischen Bedingungen der Fichten-Hochlagenwälder mit ihren langen Wintern angepasst scheint als die wärmeliebendere Art Senecio ovatus.

Mit Hilfe molekulargenetischer Untersuchungen entlang eines von 750 m bis 1300 m reichenden Höhengradienten im Nationalpark Bayerischer Wald konnten Heine, Oberprieler und Bässler allerdings zeigen, dass klimabedingte Selektion nicht ausreicht, um die beiden Arten genetisch zu trennen und getrennt zu halten.

Die Forscher prognostizieren deshalb das vollständige Aufgehen von Senecio hercynicus in Senecio ovatus im Bayerischen Wald. Ähnliche Entwicklungen dürften sich auch in anderen Verbreitungsgebieten des Harzer Greiskrauts ergeben, beispielsweise im Harz oder im Schwarzwald. Somit ist mit einem vollständigen Verlust der Art in den nächsten Jahrzehnten zu rechnen.

Titel der Originalpublikation: Ch. Oberprieler, G. Heine, C. Bässler (2015): Can divergent selection save the rare Senecio hercynicus from genetic swamping by its spreading congener S. ovatus (Compositae, Senecioneae)? Flora 210: 47-59.

Die Original-Publikation im Internet unter:
www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0367253014001327

Ansprechpartner für Medienvertreter:
Prof. Dr. Christoph Oberprieler
Institut für Pflanzenwissenschaften
Universität Regensburg
Tel.: 0941 943-3129
christoph.oberprieler@ur.de

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Alexander Schlaak idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

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