Bürgergutachten zeigt neue Wege zur Nutzung feuchter Flächen auf Usedom

Die 24 Bürgergutachter sehen Paludikultur, also beispielsweise den Anbau von Schilf und anderen Sumpfgräsern, als eine umweltfreundliche und wirtschaftliche Alternative für die Bewirtschaftung von Mooren. Am Beispiel des Thurbruchs auf Usedom erörtern sie in dem 19-seitigen Gutachten, ob Paludikultur (palus lat. Sumpf), die Bewirtschaftung nasser Flächen, eine Option für die Zukunft sein kann.

Die Wissenschaftler sind von der hohen fachlichen Qualität des Bürgergutachtens beeindruckt. Es zeigt, dass gerade bei so kritischen Themen wie die Anhebung der Wasserstände der gesunde Bürgerverstand einen Konsens ermöglicht.

Die Bürger des Thurbruchs auf Usedom leben seit Jahren mit den Folgen der großflächigen Trockenlegung von Moorflächen. Hinzu kommen Zukunfts- und damit verbundene Existenzsorgen. Die Wiedervernässung solcher Moorflächen führte in der Vergangenheit oft zu scharfen Konflikten in der Bevölkerung. Die Bürger sehen sich als Betroffene, deren Sorgen politisch kaum ernst genommen werden. Sie fühlen sich schlecht vertreten. Nicht selten entstanden tiefe Gräben zwischen Landnutzern, Naturschützern, Anwohnern, Politikern und Behördenvertretern. Hier sollte das Bürgergutachten ansetzen, dass von Wissenschaftlern der Universität Greifswald im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes VIP − Vorpommern Initiative Paludikultur initiiert und begleitet wurde.

Zum Hintergrund: Das Niedermoorgebiet Thurbruch im Osten der Insel Usedom ist ca. 16 Quadratkilometern groß. Das Gebiet wird bereits seit dem 18. Jahrhundert systematisch entwässert. Ende der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde das Moor wie viele andere Moore in der Region für die intensive Nutzung tief entwässert. Die Entwässerung von Mooren ist teuer und führt zu einer Zerstörung des Moorkörpers, wobei das Treibhausgas CO2 freigesetzt wird. Im konkreten Fall führte das dazu, dass bereits 60 bis 90 cm Boden verloren gegangen sind, und jährlich sackt das Moor um ca. weitere 2 cm. Die Böden können so teilweise unter das Niveau des Meeresspiegels sinken.

Den Betroffenen auf Usedom war klar, dass Untätigkeit den Zustand verschlechtert. Auch wenn keine Wiedervernässung der Niedermoorflächen im Thurbruch geplant ist, haben sich 24 Bürgergutachter, vom Landwirt bis zum Schüler zusammengefunden, um zukunftsfähige Lösungen zu diskutieren. Als eine Möglichkeit umweltfreundlich und wirtschaftlich mit Moorflächen zu wirtschaften, werteten sie Paludikultur (zum Beispiel den Anbau von Schilf und anderen Sumpfgräsern).

Ein kontrolliertes Anheben der Wasserstände im Thurbruch könne den Moorboden und die Bewirtschaftung erhalten sowie unter bestimmten Bedingungen Schäden an Häusern vermeiden.
„Erstmals machten Bürger selbst klar, ein solches ausgewogenes Wassermanagement könnte den Interessenskonflikt zwischen Landwirtschaft, Moorschutz, Tourismus und Wasserschadenschutz für Anwohner nahezu auflösen. Bürgerforum und -gutachten sind daher ein neuer Weg, Bürger direkt an der Zukunftsplanung ihrer Heimat zu beteiligen bevor es Beschlüsse oder Umsetzungen gibt. So können die Bewohner politische und umweltplanerische Entscheidungen mitprägen und -tragen“, sagt Steffi Deickert vom Institut für Botanik und Landschaftsökologie, die das Bürgerforum fachlich begleitete.

Die Universität Greifswald wird nun im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes VIP – Vorpommern Initiative Paludikultur ein hydrologisches Gutachten in Auftrag geben. Es wird die Möglichkeiten für ein optimiertes Wassermanagement mit höheren Wasserständen von ca. 25 cm unter der Geländeoberfläche prüfen. Damit würde eine weitere Sackung des Moores verhindert und die dauerhafte Bewirtschaftung der Fläche möglich.

Das Projekt VIP Vorpommern Initiative Paludikultur startet 2010 und wird vom BMBF mit vier Millionen Euro über drei Jahre gefördert. Ziel ist, neue nachhaltige Nutzungskonzepte für nasse Moorstandorte zu entwickeln.

Weitere Informationen
Download des Bürgergutachtens
http://www.botanik.uni-greifswald.de/3505.html?&L=0

Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Christian Schröder
Institut für Botanik und Landschaftsökologie
Grimmer Straße 88, 17487 Greifswald
Telefon 03834 86-4183
christian.schroeder@uni-greifswald.de

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Jan Meßerschmidt idw

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