Umweltpolitik und Verwaltungsreform in China

Die beiden Professoren von der Universität Duisburg-Essen sind gerade zurück von einer fünfwöchigen Forschungsreise in Dörfer und Provinzen in Nordwest-, Nordost- und Südostchina, wo sie Gespräche mit zuständigen Ämtern führten, Firmen aus verschiedenen Branchen und neue Umweltschutzprojekte in Augenschein nahmen.

Die Reise, der weitere folgen werden, ist Teil eines bis 2009 laufenden Projekts zur Verwaltungsreform in China am Beispiel der Umweltpolitik. Die Haniel-Stiftung fördert das Projekt finanziell, und auch die chinesische Führung, die großes Interesse an den Ergebnissen hat, ist über eines ihrer Beratungsinstitute eingebunden.

„In der chinesischen Geschichte kündigte sich der Untergang von Dynastien oftmals durch Naturkatastrophen an – der Kaiser, so die Interpretation, hatte das Mandat des Himmels verloren. Vor dem Hintergrund dieser Tradition könnten auch heutige Umwelt- und Naturkatastrophen zu einer Bedrohung für die Regierung werden“, erklärt Heberer. „Dieser Gefahr ist sich die chinesische Führung durchaus bewusst, und man kann ihr auch nicht absprechen, dass sie nicht versucht, die Umweltprobleme anzugehen. Es gibt eine Vielzahl von Gesetzesinitiativen und Aufrufen, die auch dazu geführt haben, dass unter großen Teilen der Bevölkerung und unter den Behörden das Umweltbewusstsein deutlich gewachsen ist.“

Doch diese Entwicklung bietet allenfalls Grund für vorsichtigen Optimismus. Denn im boomenden China genießt die Steigerung der Wirtschaftsdaten nach wie vor Priorität vor Umweltfragen. „Lokale Behörden setzen die Gesetze und Vorgaben der Zentralregierung nicht oder nur eingeschränkt um, weil sie glauben, diese beeinträchtigten die ökonomische Entwicklung und damit ihr eigenes Fortkommen“, so Grunow.

Der Umbau der Verwaltung tut sein Übriges: Die Zentralregierung hat zur Stimulierung wirtschaftlicher Entwicklung Kompetenzen an nachgeordnete politische Ebenen abgegeben, was deren Entscheidungsmacht gestärkt hat. „Wenn auf lokaler Ebene Wirtschaftsziele nicht erreicht werden oder es aus welchen Gründen auch immer nicht gelingt, die soziale und politische Stabilität zu bewahren, werden lokale Funktionäre abgestraft“, erklärt Heberer. „Ganz anders beim Umweltschutz. Weil er keine Priorität genießt, fließt er in die Bewertung der Arbeit der lokalen Funktionäre nicht ein. Die Funktionäre wissen, dass sie im Falle von Umweltschäden wenig zu befürchten haben, solange keine größere Unruhe unter der Bevölkerung entsteht.“

Was außerdem typisch ist: Allerorts gibt es mächtige Koalitionen lokaler Funktionäre mit Unternehmern, die direkt oder indirekt an einem die Umwelt verschmutzenden Betrieb partizipieren. Diese widersetzen sich bestehenden Umweltschutzgesetzen mit den auch im Westen bekannten Argumenten: Die Schließung solcher Betriebe könne zu Verlust von Arbeitsplätzen und sozialer Sicherung führen, Steuereinnahmen könnten ausbleiben und Unternehmer verlören Gewinne (und damit natürlich Funktionäre ihre Pfründe und Zusatzeinnahmen).

Um Umweltverstöße ausreichend sanktionieren zu können mangelt es in China an effizienten Mitteln wie z.B. dem Rechtsweg oder einer Kontrolle durch die Medien. „Die chinesische Umweltbehörde ist bislang schwach und wenig durchsetzungsfähig“, sagt Heberer. „Ein Unternehmer formulierte es uns gegenüber so: 'Die Umweltbehörde nützt der Betriebsentwicklung am meisten, wenn sie sich nicht um die Unternehmen kümmert' „. Zudem seien die Umweltämter personell und finanziell schlecht ausgestattet: „In einem Stadtbezirk einer südchinesischen Millionenstadt waren acht Mitarbeiter für die Kontrolle von über 3.000 Betrieben zuständig – ein unmögliches Unterfangen.“

Grunow und Heberer fanden überdies heraus, dass Betriebe in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden häufig versuchen, Umweltauflagen zu umgehen, indem sie etwa Daten über Emissionen oder Abwasser fälschen. „Kein Wunder, dass viele Menschen den Berichten der Stadtverwaltungen zur Wasser- oder Luftqualität nicht glauben“, so Grunow. „Laut chinesischer Umfragen fehlt knapp 84% der Bevölkerung das Vertrauen in diese Berichte.“

Weitere Informationen: Prof. Dr. Thomas Heberer, Tel. 0203/379-3727, thomas.heberer@uni-due.de

Prof. Dr. Dieter Grunow, Tel. 0203/379-2012, dieter.grunow@uni-due.de

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Ulrike Bohnsack idw

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