Schutz für die bizarrsten Tiere der Erde

Ein globales Artenschutzprogramm für die bizarrsten und ungewöhnlichsten Tiere der Erde hat die Zoological Society of London ZSL ins Leben gerufen. Die Wissenschaftler wollen nämlich jene Lebewesen vor dem Aussterben retten, die einzigartige evolutionäre Geschichten aufzuweisen haben und sozusagen die letzten Überlebenden ihrer Art sind. Unter das Schutzprogramm fallen etwa das Zwerg-Flußpferd, die afrikanische Hirola Antilope und der Yangtse-Delfin.

Das wichtigste Argument der Wissenschaftler um Jonathan Baillie, dem Leiter des Projekts „Evolutionary Distinct and Globally Endagered“ (Edge), ist dahin gehend, dass diese Tierarten in herkömmlichen Schutzprogrammen kaum Beachtung finden. Die Gesellschaft definiert diese One-of-a-kind-Spezies als jene, die verhältnismäßig wenige Artverwandte haben und sich durch dieses Alleinstellungsmerkmal auszeichnen und nur durch sofortige Maßnahmen vor dem Aussterben gerettet werden können. Die Wissenschaftler haben insgesamt 564 solcher Tierarten anhand eines taxonomischen Baumes identifiziert. Etwa 100 werden in diesem besonderen Schutzprogramm starke Beachtung finden. Noch in diesem Jahr werden die ersten zehn dieser besonderen Tierspezies im Fokus der Initiative stehen.

Zahlreiche dieser besonderen Tiere sind lebende Fossilien – wie etwa die Hummel-Fledermaus (Craseonycteris tholongyai), deren nächste Artverwandten vor 43 Mio. Jahren gelebt haben. Die kleine Fledermaus, die zu den kleinsten Säugetieren der Erde gehört und erst 1974 erstmals beschrieben wurde, lebt im Dschungel von West-Thailand an der Grenze zu Burma. Sie ist wie auch andere Arten durch die Urwaldrodung bedroht. Ebenfalls vom Aussterben durch Habitatverlust bedroht, ist der Schlank-Lori (Loris tardigradus) in Sri Lanka. Seine Abstammungsgeschichte reicht 20 Mio. Jahre zurück.

„Es gibt tatsächlich zahlreiche solche letzten Vertreter einer stammesgeschichtlich längst ausgestorbenen Arten“, meint Konrad Fiedler, Leiter des Departments für Populationsökologie an der Universität Wien, im pressetext-Gespräch. Zwei sehr bekannte lebende Fossilien sind etwa der Quastenflosser im Indischen Ozean oder das Australische Schnabeltier. „Diese Tierarten haben aufgrund ihrer einzigartigen Stammesgeschichte eine besondere Funktion, denn mit ihrem Aussterben würde der Bauplan eines gesamten Stammes für immer von der Erde verschwinden“, führt der Experte aus. „Seit mehr als zehn Jahren machen sich Wissenschaftler darüber Gedanken, wie man solche Tiere unter Schutz stellen kann.“ Es sei klar, dass sich aus diesen Überlegungen eine besondere Gewichtung der Unterschutzstellung ableiten lasse. „Das Beispiel des Yangtse-Flussdelfins passt auf dieses Alleinstellungsmerkmal besonders gut. Es gibt zahlreiche Delfinarten im Meer, Flussdelfine sind hingegen besondere Raritäten, die sich bereits vor langer Zeit stammesgeschichtlich isoliert entwickelt haben. Mit dem Verschwinden dieser Spezies ist eine ganze Art ausgestorben.“ Das bedeute einen irreversiblen Verlust für die Wissenschaft.

Fiedler betont zudem, dass ein besonderer Schutz solcher Tierspezies immer auch einen so genannten Umbrella-Faktor mit sich bringe. „Wer den Lebensraum einer solchen Tierart schützt, schützt damit auch andere Arten, die in dieser Umgebung oder diesem Habitat leben – angefangen von Pflanzen bis hin zu Insekten“, erklärt Fiedler. Dass allerdings nicht nur Lebewesen in besonders kleinen Lebensräumen von Edge umfasst sind, zeige sich anhand des Bactrian Kamels – nämlich der letzten lebenden Wildform des Kamels. Diese Tiere hatten die großen Weiten der mongolischen Steppe bevölkert, ehe ihr Lebensraum immer weiter eingeschränkt wurde. Heute umfasst der Bestand nur noch zwischen 300 und 500 Tiere.

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Wolfgang Weitlaner pressetext.austria

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