Schienenfahrzeuge in Europa zukünftig leiser

Europäische Union führt Geräuschgrenzwerte für neue Güter- und Reisezugwagen sowie für Lokomotiven und Triebzüge ein

Für die vielen Millionen Menschen in Deutschland und Europa, die vor allem nachts unter Schienenlärm leiden, ist Besserung in Sicht: Die Europäische Kommission hat zum ersten Mal Geräuschgrenzwerte sowohl für neue Güter- und Reisezugwagen als auch für Lokomotiven und Triebzüge – so genannte konventionelle Schienenfahrzeuge – eingeführt. Sie wurden am 23. Dezember 2005 beschlossen und gelten ab 23. Juni 2006. Bereits Ende 2002 traten Grenzwerte für den Hoch¬geschwindigkeitsverkehr in Kraft. Damit verwirklicht die Kommission einen langjährigen Vorschlag des Umweltbundesamtes (UBA): Schienenverkehr leiser zu machen.

Die neuen Grenzwerte bedeuten vor allem, dass die besonders lauten, von Graugussklötzen gebremsten Fahrzeuge – wie in Güterzügen eingesetzt – nicht mehr zulässig sind. Langfristig bedeutet dies eine hohe Entlastung der Bevölkerung – vor allem an Strecken mit nächtlichem Güterverkehr. Zusammen mit verbesserter Gleispflege lassen sich Lärmminderungen um 10 Dezibel (dB(A)) erreichen, was sonst nur mit einer Verringerung der Verkehrsmengen auf ein Zehntel erreichbar wäre.

Die neuen Geräuschgrenzwerte gelten für den Stand, das Anfahren und das Fahrgeräusch mit konstanter Geschwindigkeit. In der Entscheidung der Kommission ist auch die Messvorschrift enthalten, mit der die Geräuschemissionen der Schienenfahrzeuge zu prüfen sind. Vor allem wichtig: Die Messungen müssen auf einem leisen Prüfgleis erfolgen. Die Geräuschvorschrift beschränkt sich – wie im europäi¬schen Lärmschutzrecht üblich – auf Neufahrzeuge. Das ist ein wesentliches Defizit. Wegen der langen Lebensdauer der Schienenfahrzeuge, von bis zu 40 Jahren, schlug das UBA auch aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes wiederholt vor, die Geräuschvorschrift um ein staatlich gefördertes Umrüstprogramm für die lauten Güterwagen zu ergänzen. Durch ein solches ergänzendes Umrüstprogramm ließe sich das – seit 1999 laufende – Lärmsanierungsprogramm an Schienenwegen nicht nur wesentlich schneller, sondern auch mit deutlich geringeren gesamtwirtschaftlichen Kosten abschließen. Denn: Lärmminderungsmaßnahmen an der „Quelle“, das heißt an Fahrzeugen und -wegen, sind sehr wirksam und vergleichsweise kostengünstig.

Den deutlichsten Fortschritt wird die neue Geräuschvorschrift bei den bisher graugussklotz-gebremsten Fahrzeugen bewirken. Deren Bremssystem muss nun durch Kunststoffklotz- oder Scheibenbremsen ersetzt werden. Da fast alle Güterwagen mit Graugussklötzen bremsen, ist der nächtliche Güterverkehr in Deutschland die Hauptquelle für die Schienenverkehrslärmbelastungen der Bevölkerung. Deshalb ist die langfristige Wirksamkeit der Vorschrift sehr hoch.

Lokomotiven und Triebwagen mit besonders lauten Antriebs- und Aggregatgeräuschen dürfen nach in Kraft treten der Vorschrift nicht mehr auf die Schienen. Bei scheibengebremsten Fahrzeugen beschreiben die neuen Grenzwerte allerdings nicht mehr als das heute vorhandene Schallemissionsniveau.

Die Entscheidung der Europäischen Kommission enthält auch Empfehlungen für eine zweite Stufe der Fahrgeräuschegrenzwerte in 10 Jahren: Danach sollen Güter- und Reisezugwagen sowie Lokomotiven um weitere 5 dB(A), Triebwagen um 2 dB(A) leiser werden. Während der vorgesehenen Überarbeitung der Entscheidung wird die Kommission in spätestens 7 Jahren auch Vorschläge unterbreiten, wie sich die Fahrwege und die Wartungsvorschriften für Fahrzeuge in die Geräuschvorschrift einbeziehen lassen.

Die neuen EU Grenzwerte wurden im Amtsblatt L 37 der Europäischen Union am 08.02.2006 verkündet; sie treten am 23. Juni dieses Jahres in Kraft, ohne dass es einer nationalen Umsetzung be¬darf. Die Mitgliedstaaten hatten den Vorschlägen der Kommission zugestimmt. Das UBA hat an der Entwicklung der Entscheidung seit dem Jahr 2000 intensiv mitgearbeitet.

Nähere Informationen zur Entscheidung und zum Schienenverkehrslärm allgemein sind beim UBA-Fachgebiet „Lärmminderung im Verkehr“ zu erhalten (Postfach 1406, 06813 Dessau, Tel: 0340-2103-2403, Michael Jaecker-Cueppers (michael.jaecker-cueppers@uba.de).

Die EU-Entscheidung ist unter http://europa.eu.int/eur-lex/lex/LexUriServ/site/de/oj/2006/l_037/l_03720060208de00010049.pdf zu finden.

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