Frühwarnsystem für das Management gebietsfremder Arten dringend notwendig

Forschungsergebnisse sind auf die Ausbreitung von Merkmalen genetisch veränderter Organismen übertragbar

Gebietsfremde Arten (Neobiota) sind im Gegensatz zu einheimischen Pflanzen- und Tierarten erst durch den Einfluss des Menschen auch nach Europa gekommen. Diese Neobiota bergen unterschiedliche potentielle Gefahren für die biologische Vielfalt. Die invasiven Arten unter den Neobiota pflanzen sich in der neuen Umgebung fort und treten direkt in Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen der einheimischen Arten. In manchen Fällen verändern oder vernichten sie sogar ganze Ökosysteme. Dazu Frank Klingenstein, Neobiota-Spezialist im Bundesamt für Naturschutz (BfN): „Wir müssen dringend ein Frühwarnsystem entwickeln, um einschätzen zu können, ob sich eingeschleppte Pflanzen- oder Tierarten aggressiv ausbreiten und so eine Gefahr für heimische Arten werden und mit welchen Maßnahmen wir ihnen begegnen können“.

In Deutschland bereiten von den über 2.000 bekannten Neobiota derzeit nur 30 invasive Pflanzenarten und eine vergleichbare Zahl an Tierarten Naturschutzprobleme. Weltweit gesehen gehören Neobiota jedoch zu den wichtigsten Ursachen für das globale Artensterben. Wenige, sehr erfolgreiche Arten werden immer zahlreicher und verdrängen empfindliche Arten, die nur an wenigen Orten der Welt vorkommen.

Ein prominentes Beispiel ist der Staudenknöterich, der bewusst als Gartenpflanze eingeführt wurde. Die lebenstüchtige Pflanze kann sich über winzige Wurzelstückchen weiter ausbreiten und gelangt häufig über Gartenabfälle in die freie Natur. Gerade in naturnahen Ökosystemen, wie Auenlandschaften, richtet sie großen Schaden an, indem sie alle anderen Pflanzen überwuchert. Allein in Baden-Württemberg wurden 1999 für ihre Bekämpfung 330.000 EURO ausgegeben.

Viel weniger offensichtlich sind die Gefahren, die durch genetische Veränderungen von den Neobiota ausgehen. Durch die Kreuzung zwischen invasiven und einheimischen Pflanzen oder zwischen Kultur- und Wildpflanzen können Gene der einen Art auf die andere übertragen und deren genetische Information verändert werden. Auf diese Weise können sogar ganz neue Arten entstehen und die Erfahrung zeigt, dass gerade solche neu entstandenen Arten häufig besonders aggressiv sind. Auch in Deutschland ist der genetische Bestand heimischer Arten durch fremdes Genmaterial, dessen Herkunft häufig weit außerhalb Deutschlands liegt, schon vielfach verändert worden. „Vor unseren Augen läuft ein riesiges unbeabsichtigtes Experiment ab und wir haben keine Ahnung, was dabei heraus kommen wird“, erklärte Prof. Dr. Herbert Hurka vom Institut für spezielle Botanik an der Universität Osnabrück.

Dieselben Prozesse können auch mit gentechnisch veränderten Organismen (=GVO) ablaufen. Gentechnisch veränderte Pflanzen übertragen dann durch unkontrollierte genetische Vermischung ihre veränderten Eigenschaften auf einheimische Pflanzen. Diese Übertragung genetischer Informationen kann zum Beispiel bei der Übertragung von Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel äußerst problematisch sein. Man befürchtet die Entstehung so genannter „Superunkräuter“, die gegen mehrere Pflanzenschutzmittel resistent sind und sich ungewollt ausbreiten. „Möglicherweise handelt es sich hierbei um eher seltene Ereignisse, die jedoch erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen können“, so Professor Hurka. Hier sind nicht nur ökologische, sondern auch erhebliche ökonomische Schäden zu befürchten.

Noch viel komplizierter wird die Situation, wenn transgene (übertragbare) Eigenschaften in Nutzpflanzen eingebaut werden, die außerhalb landwirtschaftlicher Flächen ökologische Zusammenhänge verändern. Wenn zum Beispiel Resistenzen gegen Pflanzenschädlinge auch auf andere Insekten wirken und somit weit reichende Effekte in der Nahrungskette haben. Dazu Hurka: „Diese Effekte sind nur schwer, oder gar nicht absehbar und bedürfen intensiver Forschung“.

Die Neobiota-Forschung ist ein Teilgebiet des BIOLOG-Programms des Bundesminis-teriums für Bildung und Forschung (BMBF). Übergeordnetes Ziel des BIOLOG-Forschungsprogramms ist es, den ökologischen und ökonomischen Wert biologischer Vielfalt einzuschätzen, Wechselwirkungen im Kontext von globalen Veränderungen und menschlichen Einflüssen aufzuzeigen und Möglichkeiten einer nachhaltigen Nutzung zu entwickeln.

Für Rückfragen:

Kontaktpersonen BIOLOG-Forschungsprogramm
Dr. Lothar Quintern
Tel: 0172 2171745
und
Dr. Arndt Wüstemeyer
Tel: 0173 5361224

Universität Osnabrück
Prof. Dr. Herbert Hurka
Tel: 0541 969 2839

Bundesamt für Naturschutz
Frank Klingenstein
Tel: 0172 2037298

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