Hessische Naturwaldreservate – Der "Urwald von Morgen"

Hessisches Naturwaldreservat <br>Foto: Senckenberg

Forschungsinstitut Senckenberg und Hessen-Forst kommen zu erstaunlichen Forschungsergebnissen beim Naturwaldreservate-Programm. In den ausgewiesenen Gebieten leben etwa viermal so viele einheimische landlebende Tierarten, wie bisher angenommen.


Die Idee, Naturwaldreservate einzurichten, besteht schon länger. Dazu auch verschiedene Vorstellungen davon, wie ein solches Projekt umgesetzt werden könnte. – Das Langzeitprojekt „Hessische Naturwaldreservate“ strebt den „Urwald von Morgen“ an.

Warum, seit wann, wie geht das und vor allem: wo geschieht das?

Die Situation des Waldes in Hessen und den anderen Bundesländern ist vergleichbar: sämtliche Flächen werden seit Jahrhunderten in irgendeiner Form bewirtschaftet und sind durch menschliche Eingriffe verändert worden.

Seit dem frühen Mittelalter nachweisbare Gründe dafür sind: eine zunehmende Besiedlung bzw. die landwirtschaftliche Nutzung von Waldflächen sowie die Abholzung für Bau- und Brennholz. Letzteres nicht nur für den heimischen Herd, sondern auch für industrielle Zwecke (u.a. zur Herstellung von Holzkohle, bei der Verhüttung von Erzen zur Roheisengewinnung, etc…). Rodungen im großen Stil waren die Folge, die Wiederaufforstung – regional auch mit schnell wachsenden Nadelhölzern, die sich gut vermarkten ließen – eine weitere. Der Wald veränderte sich zunehmend. Heute hat man noch keine gesicherte Vorstellung davon, wie ein Naturwald in Deutschland / Hessen aussehen könnte, welche Waldstrukturen sich unbeeinflusst wie entwickeln und wie das natürliche Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten in ihnen ist.

Um eine ungestörte Entwicklung von Waldlebensgemeinschaften zuzulassen und deren Langzeit-Erforschung zu ermöglichen, hat das Land Hessen 1987 die ersten Naturwaldreservate eingerichtet. Erstmalig in Deutschland wurden im Staatswald neben sogenannten Totalreservaten (Kernflächen) auch benachbarte Vergleichsflächen ausgewiesen, die naturnah weiter bewirtschaftet werden, um so Entwicklungs-Prozesse besser erfassen zu können. Unter Federführung von Forstwissenschaftlern sind Botaniker, Pilz- und Fledermausexperten, Insekten- und Säugetierforscher etc. an dem Projekt beteiligt. Seit mittlerweile 15 Jahren besteht eine Kooperation zwischen dem Forschungsinstitut Senckenberg und der Hessischen Landesforstverwaltung.

Ziele des Programms sind:

Erhaltung, Schutz und Wiederherstellung natürlicher Waldlebensgemeinschaften in ihrer für den jeweiligen Lebensraum typischen Arten- und Formenvielfalt;

Grundlagenforschung zu den Waldlebensgemeinschaften (Böden, Vegetation, Waldstruktur, Fauna);

Erhalt von Weiserflächen für den Waldbau (Vergleich zu Wirtschaftswald-Standorten in Bezug auf Waldverjüngung und -pflege);

Erhalt von Weiserflächen für Naturnähe, an denen das Funktionieren des Naturhaushaltes und der Grad seiner Beeinträchtigung gegenüber der genutzten Landschaft gemessen werden kann. Sie können als Maßstäbe für Umweltverträglichkeitsprüfungen oder Biotopbewertungen dienen.

Mittlerweile existieren in Hessen 31 Naturwaldreservate mit mehr als 1200 Hektar klar definierter Flächen, die vollständig aus jeder Form von Nutzung ausgenommen wurden. Im Gegensatz zum Buchen-Nationalpark in Nordhessen, der ein einziges großes Gebiet umfasst, werden hier alle Höhen- und verschiedene Klimazonen im Nord- Südgefälle sowie die unterschiedlichen Böden (geologische Unterschiede) und Waldgesellschaften berücksichtigt.

Mit bis zu 6.000 verschiedenen Tierarten beherbergen die hessischen Naturwaldreservate rund 15 % aller einheimischen landlebenden Tierarten – etwa viermal so viele, wie Wissenschaftler bisher annahmen. – Bisher wurden in drei der ausgewiesenen Reservate drei Tierarten gänzlich neu entdeckt, fünf waren neu für Deutschland und weitere 73 Arten neu für Hessen. Zusätzlich konnten dort jeweils weit über 100 Rote-Liste-Arten nachgewiesen werden.

Außer, dass der „Urwald von Morgen“ ein ausgewogeneres ökologisches Gleichgewicht in den heute dicht besiedelten Gebieten erwarten lässt, können zielgerichtete forstliche Maßnahmen in bewirtschafteten Flächen auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse auch von erheblichem Nutzen für Aufbau, Pflege und Sicherung naturnaher Wirtschaftswälder sein.

Im Rahmen der Fachtagung „Zoologische Vielfalt in Buchenwäldern“ am 28. und 29. September 2005 im Parkhotel Fulda werden einige der „Geheimnisse des Waldes“ gelüftet. Infos hierzu auch unter http://www.senckenberg.de oder http://www.hessen-forst.de.

Doris von Eiff / Pressestelle Senckenberg
Telefon: 069 – 7542 257
E-mail: doris.voneiff@senckenberg.de

Dr. Horst Gossenauer-Marohn / Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Hessen-Forst
Telefon: 0561-31 67 176
E-mail: gossenauermarohnH@forst.hessen.de

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