Wie ein schwerkranker See erfolgreich restauriert wurde

Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) hat eine neuartige Technologie entwickelt und angewandt. Die Prognosen der IGB-Wissenschaftler haben sich mehr als bestätigt. Der Tiefwarensee gilt wieder als gesund.


Der Tiefwarensee in der Müritz ist wieder gesund. Innerhalb von nur vier Jahren ist es gelungen, das ehemals von Algenmassenentwicklungen, Fischsterben und völligem Sauerstoffschwund in der Tiefe geprägte Gewässer in einen sauberen, klaren Maränen-Hecht-See zu verwandeln. Der Erfolg beruht auf einer neuartigen Technologie, die das Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) konzipiert und zur Verfügung gestellt hatte. Die Pilotanlage wird am 30. Juni offiziell abgeschaltet. Damit gilt die Restaurierung des Sees an der Stadt Waren (Mecklenburg-Vorpommern) als abgeschlossen. „Für uns zeigt die Maßnahme beispielhaft den Nutzen eines ganzheitlichen Gewässerschutzes“, sagt Prof. Rainer Koschel. Er leitet die Abteilung „Limnologie Geschichteter Seen“ des IGB in der Neuglobsower Außenstelle am Stechlinsee und hat zusammen mit seinem Berliner Kollegen Thomas Mehner das Projekt verantwortet.

Zu Beginn der Sanierung war der Tiefwarensee hocheutroph, also mit Nährstoffen überlastet. Vor allem Phosphor bereitete Probleme. Abgestorbene Algen, die von Bakterien zersetzt wurden, führten dazu, dass jeglicher Sauerstoff aus dem Tiefenwasser schwand. Zahlreiche Fische starben. Heute dagegen sind 90 Prozent des Phosphors aus dem See entfernt und das Wasser ist viel klarer: Die Durchsichtigkeit hat sich verdoppelt und zum Teil verdreifacht – auf derzeit fünf bis sieben Meter. Auch die Bestände von Unterwasserpflanzen haben zugenommen.

Wie kam es zu diesem durchschlagenden Erfolg? „Während des Sommers haben wir mit Hilfe einer umgebauten Tiefenwasserbelüftungsanlage den gesamten Tiefwasserkörper mehrere Male durchmischt und mit hocheffizienten Phosphorfällmitteln versehen“, berichtet Koschel. Diese Fällmittel, es handelt sich um eine Kombination von basischem Aluminat und Calciumhydroxid, haben den im Wasser und Schlamm gelösten Phosphor gebunden und dauerhaft im Sediment festgelegt, so dass er für ein übermäßiges Algenwachstum mit allen negativen Folgen nicht mehr zur Verfügung steht.

Parallel dazu haben die Experten den Fischbestand beeinflusst. Damit wollten sie die Seengütesteuerung unterstützen und das Ökosystem (die „Fischbiozönose“) möglichst schnell an die veränderten Nährstoffverhältnisse anpassen. Der See wurde deshalb jedes Jahr mit Larven der Kleinen Maräne und Jungfischen des Hechtes besetzt, zugleich entnahm man Silberkarpfen und Weißfische; die Angelfischerei wurde zeitweise eingeschränkt. Die Maßnahmen führten zu einer Zunahme des Raubfischanteils, vor allem von Barsch und Hecht, und zur deutlichen Abnahme des Weißfischanteils, vorwiegend Plötze und Blei. Lediglich der Bestand der Kleinen Maräne ist weiterhin relativ gering, der natürliche Aufbau hin zu wirtschaftlich nutzbaren Beständen wird sich noch einige Jahre verzögern.

„Wir führen die Veränderungen in der Fischbiozönose auf die oben genannten Managementmaßnahmen und die veränderten Fraßbeziehungen zwischen den Fischarten zurück“, erläutert Mehner. Es sei zu einem Artenwechsel gekommen als Reaktion auf die Verminderung der Nährstoffe (Fachleute sprechen von Oligotrophierung) und auf die verstärkte Ausbreitung von Unterwasserpflanzen. Koschel ist sehr zufrieden: „Damit sind jene Effekte im Fischbestand weitgehend eingetreten, die wir im Zusammenhang mit der chemisch-physikalischen Restaurierung des Sees erwarteten und durch das Management unterstützten.“

Den IGB-Experten zufolge unterstreicht die hohe Effizienz der Maßnahme die Bedeutung eines optimierten Gewässerschutzes. Dieser begann am Tiefwarensee auf der Grundlage sehr guter Voruntersuchungen im Einzugsgebiet und im Gewässer, vereinigte eine Verminderung der Belastung durch Emissions- und Immissionsmaßnahmen und wurde konsequent mit allen Beteiligten verwirklicht, vom Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommern über die Stadt Waren, den Berufsfischern der Müritz-Plau GmbH, dem Staatlichen Amt für Umwelt und Natur bis hin zu organisierten Anglern und Anrainern.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Rainer Koschel, IGB, Abt. Limnologie Geschichteter Seen,
16775 Stechlin, Neuglobsow
Alte Fischerhütte 2,
Tel. 033082 / 699-0, Fax 699-17
e-mail: stechlin@igb-berlin.de

PD Dr. Thomas Mehner, IGB, Abt. Biologie und Ökologie der Fische,
12587 Berlin
Müggelseedamm 310
Tel. 030 / 641 81 613
e-mail: mehner@igb-berlin.de,

Das IGB gehört zum Forschungsverbund Berlin e.V. Es betreibt multidisziplinäre strategische Grundlagenforschung zur Struktur und Dynamik aquatischer Ökosysteme. Das IGB erarbeitet wissenschaftliche Grundlagen für neue Ökotechnologien, für nachhaltige Binnenfischerei und für ökotoxikologische bzw. -physiologische Bestimmungskriterien der Gewässerbeschaffenheit. Die Forschungen werden an Grundwasser, Seen, Flüssen und deren Einzugsgebieten überwiegend im nordostdeutschen Tiefland betrieben. Das Institut hat rund 180 Mitarbeiter und einen Etat von zirka zehn Millionen Euro.
Das IGB im Internet: http://www.igb-berlin.de

Der Forschungsverbund Berlin e.V. (FVB) ist Träger von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Forschungsinstituten in Berlin, die alle wissenschaftlich eigenständig sind, aber im Rahmen einer einheitlichen Rechtspersönlichkeit gemeinsame Interessen wahrnehmen. Alle Institute des FVB gehören zur Leibniz-Gemeinschaft.

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Josef Zens idw

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