Die Kraft der Böden zur Selbstreinigung

Bayerisches Verbundvorhaben zur Altlastenbewältigung mit Hilfe natürlicher Prozesse

Der Einsatz moderner Technologien ist nicht die einzige Chance, stark verschmutzte Böden von Schadstoffen zu befreien. Mit einer Vielzahl von chemisch-physikalischen und biologischen Prozessen kommt die Natur den Menschen beim Abbau von Altlasten zur Hilfe. Um mehr über diese natürlichen Reinigungsvorgänge zu erfahren, hat das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen 4,4 Millionen Mark für ein zweijähriges Forschungsvorhaben bereitgestellt. Vier Lehrstühle der Universität Erlangen-Nürnberg sind an den Forschungsarbeiten beteiligt; sie bearbeiten in interdisziplinären Gruppen zwei der insgesamt sechs Teilprojekte.

Unter der Federführung der Gesellschaft zur Altlastensanierung in Bayern mbH (GAB) ist im interdisziplinären Verbundvorhaben „Altlastenbewältigung unter Einbeziehung des natürlichen Reinigungsvermögens“ Fachwissen aus Wissenschaft, Praxis und Verwaltung in Bayern gebündelt. Vertreter von Universitäten, Fachhochschulen, Ingenieurbüros und Behörden wollen gemeinsam die Frage klären, inwieweit verschiedene stark belastete Böden in der Lage sind, die Mobilität und Menge von Schadstoffen durch natürliche Prozesse auf ein Maß zu reduzieren, das für die menschliche Gesundheit und das Ökosystem unbedenklich ist.

An konkreten Standorten sollen praktische Erkenntnisse gewonnen und daraus praxisorientierte Handlungsempfehlungen für Planer und Behörden abgeleitet werden. Die fünf Modellflächen sind sowohl durch verschiedene Schadstoffklassen als auch unterschiedliche geologische Verhältnisse gekennzeichnet. Da biologischer Abbau, Dispersion, Verdünnung, Sorption, Verflüchtigung und/oder chemische Stabilisierung von Schadstoffen zu untersuchen sind und sehr komplexe Wirkungsgeflechte zwischen diesen Vorgängen bestehen, ist es unumgänglich, Kompetenzen auf verschiedensten Gebieten zu verzahnen.


Fachübergreifende Thematik

Die wissenschaftliche Ausrichtung der vier Lehrstühle der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die an diesem Projekt beteiligt sind, deutet an, wie breit gefächert der Themenkomplex ist: es sind die Lehrstühle für Umweltverfahrenstechnik und Recycling (Prof. Dr.-Ing. Thomas Neeße), für Angewandte Geologie (Prof. Dr. Heinz Jürgen Tobschall), für Angewandte Mathematik I (Prof. Dr. Peter Knabner) sowie für Systemsimulation (Prof. Dr. Ulrich Rüde).

Die Gruppe um Prof. Neeße und Prof. Tobschall (Teilprojekt 3) wird sich mit einer Grundwasserbelastung durch chlorierte Kohlenwasserstoffe (LHKW) im Abstrom einer ehemaligen Deponie bei Lauf an der Pegnitz beschäftigen. Labor- und Felduntersuchungen sollen den Nachweis von Abbauprozessen im Grundwasser erbringen, Veränderungen der geochemischen Verhältnisse bewerten, LHKW abbauende Mikroorganismen identifizieren und die Kinetik dieses Abbaus ergründen.

Ziel ist dabei unter anderem, eine Datenbasis für die Modellierung des Schadstoffabbaus und der Schadstoffausbreitung zu schaffen, die in ein sechstes Teilprojekt einfließt. Dieses wird von Mitarbeitern der Professoren Knabner und Rüde bearbeitet und befasst sich standortübergreifend mit der mathematischen Modellierung von Transport-, Rückhalte- und Abbauprozessen mittels moderner und effizienter Verfahren. Für die numerische Simulation wird ein Prognoseinstrument entwickelt, das belastbare Risikoeinschätzungen liefern soll. Aufgrund der anspruchsvollen Struktur der Probleme – Systeme von gekoppelten, nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen – werden auch Techniken der Höchstleistungssimulation eingebracht.

An jedem untersuchten Standort soll das Verständnis der im Untergrund ablaufenden Prozesse so vertieft werden, dass nicht nur der momentane Zustand beschrieben werden kann, sondern auch langfristige Prognosen möglich sind. Angesichts von rund 13.300 altlastverdächtigen Flächen in Bayern ist es von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung, neben der Entwicklung von kostengünstigen und praxisorientierten Technologien zur Altlastensanierung die natürlichen Selbstreinigungskräfte der Umwelt zu nutzen. Um angemessen handeln zu können, brauchen Behörden und andere Entscheidungsträger eine zuverlässige Antwort auf die Frage: Wie groß ist das natürliche Potenzial eines Altlastenstandortes, sich selbst zu reinigen?

Kontakt:
Dipl.-Math. Alexander Prechtel, Institut für Angewandte Mathematik
Martensstraße 3, 91058 Erlangen
Tel.: 09131/85 -27013, Fax: 09131/85 -27670
E-Mail: prechtel@am.uni-erlangen.de

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Heidi Kurth idw

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