Ökosysteme und Biodiversität: Ein neuer Ansatz zur Erhaltung der Meeresressourcen

In der Vergangenheit wurde der Begriff „Meeresressourcen“ im Wesentlichen auf eine einzige Ressource angewandt: die Fischerei. Tatsächlich bleibt Fisch als Quelle für wirtschaftliche Aktivitäten und Lebensmittel zweifelsohne eine unserer bedeutendsten Meereswaren. Jüngste wissenschaftliche Fortschritte haben jedoch den Reichtum an anderen, in unseren Meeren und Ozeanen enthaltenen Ressourcen zum Vorschein gebracht und deren Bedrohung durch menschliche Aktivitäten wie die Großfischerei hervorgehoben.

Neben den Lebensmitteln stellt die Meeresumwelt nun auch eine echte Attraktion für die Menschen dar, die Milliarden von Euro in den Bereichen Tourismus und Reisen erzeugt. Zusätzlich sind die Wissenschaftler dabei, neue industrielle und biotechnologische Anwendungen für Meeresressourcen in Bereichen wie Pharmazeutika und Kosmetik zu entdecken, und viele sind der Ansicht, dass eine effektive Bewirtschaftung der Meeresökologie sogar eine Schlüsselrolle bei der Steuerung der Auswirkungen der klimatischen Veränderungen spielen könnte.

Folglich nehmen die Forderungen nach neuen Ansätzen zur Erhaltung dieser Ressourcen zu, insbesondere durch den Schutz der marinen Ökosysteme und Biodiversität. Die Rolle, die insbesondere die Wissenschaftsforschung in diesem Prozess spielen kann, wurde am 11. Mai im Rahmen einer thematischen Sitzung während der EUROCEAN 2004 Konferenz in Galway, Irland, von den Experten und Entscheidungsträgern erörtert.

Bis vor kurzem hatte laut Professor Chris Frid von der School of Maritime Science and Technology der Universität Newcastle der zentrale Ansatz zur Erhaltung der Meere die Frage zum Inhalt „Wie viele Fische können wir aus den Meeren und Ozeanen entfernen und dabei genug Bestand übrig lassen, damit wir zu einem späteren Zeitpunkt noch mehr entnehmen können?“ „Aber Fische leben im Meer nicht wie in einem Fischglas – sie sind Teil eines Ökosystems, das von der Umwelt, ihren Beuten und ihren Raubtieren einschließlich der Menschen beeinflusst wird“, argumentierte Professor Frid.

Die wichtigste Herausforderung bei der Annahme eines neuen, ökosystembasierten Ansatzes hinsichtlich der menschlichen Aktivitäten in der Meeresumwelt, sagte er, sei unsere begrenzte Kenntnis der Biologie der Meere. Seit Jahren geben Experten den politischen Entscheidern wissenschaftlichen Rat und wenn Analysen auch vermuten lassen, dass sich das Gros dieser Ratschläge als vernünftig erwiesen hat, so wurden sie in vielen Fällen nie befolgt, was zu dem beinahe völligen Scheitern der Politiken über Fischereiwirtschaft in Europa geführt habe. „Die meisten Leute sind der Ansicht, dass durch Würfeln bessere Ergebnisse hätten erzielt werden können“, vermutet Professor Frid.

Allerdings hat es in der EU einige kleine erfolgreiche Versuche in Richtung der Annahme eines ökologischen Ansatzes zur Fischerei gegeben, gab er zu. Professor Frid führte als Beispiel die Fangquoten für Sandaal an. Dieser Fisch ist die Hauptnahrung der Dreizehenmöwe zur Brutzeit, wenn sie wegen der Nestpflege gezwungen ist, die Nahrungssuche auf einen sehr kleinen Bereich zu beschränken. Aufgrund der Schwierigkeiten, die Anzahl von Sandaalen in einem bestimmten Gebiet direkt zu messen, untersuchten die Forscher den Bruterfolg der Dreizehenmöwe und als die Zahlen beträchtlich zu fallen begannen, verhängten sie einen Fangstopp über den Sandaal. Als die Population der Dreizehenmöwe wieder auf ein normales Niveau angestiegen war, wurde das Fangverbot aufgehoben.

Es gibt viele weitere Probleme, die laut Professor Frid noch in Angriff genommen werden müssen. Dazu zählen die komplexen Aspekte des Lebensraums, die eine wesentliche Rolle in marinen Ökosystemen spielen, und die Genetik der Meeresumwelt: „Wir haben bereits das genetische Programm von Fisch verändert und wir müssen uns klarmachen, dass es keinen Weg zurück gibt, wenn diese Veränderungen einmal vorgenommen wurden.“

Professor Frid schloss, dass ein ökologischer Ansatz die Anwendung einer umfassenderen Meereswissenschaft erfordere als es derzeit der Fall sei. Insbesondere forderte er die Unterstützung besserer Vorhersagemethoden, Ökosystemmodelle und Simulationen, die Einfluss auf die Auswirkungen der menschlichen Tätigkeiten haben könnten, sowie ein besseres Verständnis der Lebensraumqualität.

Dr. Gabriella Bianchi, eine Sachverständige der Abteilung Fischerei von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen, betonte die Bedeutung wissenschaftlicher Informationen bei der Gestaltung von Ansätzen für eine Meeresressourcenwirtschaft. Sie zitierte die ehemalige Ministerpräsidentin von Norwegen, Gro Harlem Brundtland, die während ihrer Amtszeit gesagt hatte, dass „die Wissenschaft unsere Politiken untermauern muss“.

Allerdings wies Dr. Bianchi darauf hin, dass die Annahme ein Irrtum sei, dass ein vollständiges wissenschaftliches Wissen eine Voraussetzung für eine effektive Meereswirtschaft ist. „Es müssen nach wie vor Entscheidungen getroffen werden, selbst mit begrenztem wissenschaftlichem Wissen und auf dem Vorsichtsprinzip basierend.“ Viele Faktoren außer dem unvollständigen wissenschaftlichen Wissen könnten für die schlechte Leistung bei der Meeresressourcenwirtschaft verantwortlich gemacht werden, sagte sie und führte den Mangel an Transparenz, eine schwache Entscheidungsfindung und die Verfolgung kurzfristiger politischer oder finanzieller Vorteile an.

„Und dennoch brauchen wir eine viel engere Beziehung zwischen Forschungszielen und Management- oder politischen Zielen, die es bisher nicht gibt“, sagte Dr. Bianchi. „Wir müssen eine langfristige Sichtweise in die Meereswissenschaft und wirtschaft eingliedern und die Finanzierung für langfristige strategische Ziele sichern.“ Dies werde den richtigen Mittelweg zwischen privaten und öffentlichen Quellen für die Forschungsfinanzierung erfordern und es sei nicht immer möglich, von den kommerziell ausgerichteten Unternehmen eine langfristige Sichtweise zu erwarten. „Wir müssen daher bestimmte institutionelle Abmachungen überprüfen – innerhalb der Ministerien im Hinblick auf die Politiken und innerhalb der Forschungseinrichtungen im Hinblick auf die Wissenschaften“, fügte Dr. Bianchi hinzu.

Ein wichtiger letzter Punkt sei, so Dr. Bianchi, der Bedarf an der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Wissenschaft, die einem ökologischen Ansatz zur Erhaltung der Meere zugrunde liege. Sie sprach sich für Aktivitäten auf Ebene der Grundschulen aus und für eine bessere Interaktion zwischen den Wissenschaftlern, den Medien und den Nichtregierungsorganisationen.

Die Botschaft, die von der thematischen Sitzung ausging, wurde von Dr. John Joyce vom irischen Marine Institute geschickt zusammengefasst: „Wir sitzen auf einem Schatz an biologischen Informationen und Ressourcen, den wir einfach nicht verstehen. Wir müssen uns mit einem möglichst großen Publikum unterhalten um es auf diese Ressource und die Bedrohungen, denen sie gegenübersteht, aufmerksam zu machen, oder wir riskieren, die Gans zu töten, die die goldenen Ei legt.“

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