Schwefelwasserstoffwolken im Ozeanwasser vor Namibia

Vom 6. bis 23. Januar war ein 12 köpfiges Team von Warnemünder und Bremer Meeresforschern unter Leitung von Dr. Hans Ulrich Lass (IOW) an Bord des FS A. v. Humboldt auf dem Schelf vor Namibia unterwegs, um im Rahmen des BMBF-Projektes NAMIBGAS die Herkunft und Bildung riesiger Wolken hoch giftigen Schwefelwasserstoffs zu entschlüsseln, die hier von Zeit zu Zeit im Ozeanwasser auftreten und meist katastrophale Folgen für das marine Ökosystem haben.

Nach einer weitverbreiteten Hypothese liegt die Quelle des toxischen Gases im Sediment. Von dort aus soll es in die Wassersäule übergehen – entweder allmählich oder abrupt, wenn zum Beispiel abdichtende Bakterienmatten absterben und den Übergang vom Sediment ins Ozeanwasser nicht länger behindern.

Die Warnemünder Ozeanographen verfolgen eine weitere Hypothese: Aus der Ostsee kennen sie die bakterielle Bildung von Schwefelwasserstoff im freien Wasser. Sie wollten wissen, ob diese Prozesse auch in den sehr produktiven Auftriebsgebieten vor Namibia ablaufen. Um vor Ort direkte Messungen während eines „Gasausbruches“ durchführen zu können, kreuzten sie mit ihrem Forschungsschiff A. v. Humboldt in dem fraglichen Seegebiet zu einer Jahreszeit, in der bislang die meisten Gasausbrüche beobachtet wurden. Dabei hatten die Forscher neben einer guten logistischen Betreuung auch das Glück auf ihrer Seite. Auf aktuellen Satellitenbildern aus Südafrika, die ihnen per Internet über Warnemünde auf das Schiff geschickt wurden, fanden sie Hinweise auf einen Küstenstreifen, der „gasverdächtig“ aussah. Tatsächlich trafen sie nur wenige Seemeilen vor dem fraglichen Küstenstreifen im Tiefenwasser auf eine mehrere Dekameter dicke, rund 20 Seemeilen breite und ungefähr 200 km lange Wolke gelösten Schwefelwasserstoffs. Die Forscher waren Zeuge eines Schwefelwasserstoffausbruchs!

Die Analyse der chemischen Bestandteile dieses Wasserpaketes zeigte, dass das sonst reichlich im Tiefenwasser vorhandene Nitrat restlos verbraucht war. Für die Warnemünder ist dies ein sicheres Indiz dafür, dass die Wolke nicht allein aus dem Sediment aufgestiegen sein kann, sondern sich auch in der Wassersäule Schwefelwasserstoff gebildet hatte.

In den nährstoffreichen Seegebieten kommt es in den tiefen Wasserschichten schnell zu Sauerstoffmangel, denn die absterbende organische Substanz wird von Bakterien unter Verbrauch von Sauerstoff zersetzt. Ist der im Wasser gelöste Sauerstoff verbraucht, so bedienen sich die Bakterien einer anderen Sauerstoffquelle: Sie benutzen den im Nitrat gebundenen Sauerstoff und wandeln dabei diese Stickstoffverbindung zu Nitrit um. Ist auch diese Quelle erschöpft, benutzen sie im Wasser vorhandenes Sulfat als Sauerstoffquelle und reduzieren es zu Schwefelwasserstoff. Da sie für diesen chemischen Prozess die meiste Energie aufwenden müssen, greifen sie zu dem im Sulfat gebundenen Sauerstoff nur, wenn das im Wasser vorhandene Nitrat restlos verbraucht ist. Im Sediment geht die Bildung von Schwefelwasserstoff im Prinzip nach den gleichen Gesetzen vor sich. Wäre das Gas aus dem Sediment gekommen, so hätte sich jedoch in der darüber liegenden Wassersäule mit großer Wahrscheinlichkeit noch Nitrat befunden. Da dies nicht der Fall war und in Anbetracht der enormen Ausmaße der Schwefel-wasserstoffwolke, gehen die Meeresforscher davon aus, dass ihre Hypothese stimmt, dass hier -wie in der Ostsee- auch außerhalb der Sedimente Schwefelwasserstoff gebildet wird.

Inzwischen hat auf FS A. v. Humboldt ein Wechsel der wissenschaftlichen Besatzung stattgefunden. Der Staffelstab wurde an Fischereibiologen des Zentrums für Marine Tropenökologie in Bremen übergeben, die bis zum 10. Februar die Wachstumsbedingungen von Fischlarven im Seegebiet vor Namibia untersuchen werden. Am 13. Februar, mit Beginn des dritten Fahrtabschnittes, werden die Arbeiten zum NAMIBGAS-Projekt fortgesetzt. Dann werden Geologen vom Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) die Sedimente auf dem namibianischen Schelf unter die Lupe nehmen.

NAMIBGAS wird vom BMBF im Rahmen des Schwerpunktes „Kontinentalränder: Brennpunkte im Nutzungs- und Gefährdungspotenzial der Erde“ im Programm GEOTECHNOLOGIEN gefördert.

Kontakt:

Dr. Barbara Hentzsch
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW)
Seestr. 15, D-18119 Rostock
Tel.: 0381-5197-102, Fax: -105
email: barbara.hentzsch@io-warnemuende.de

Das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.

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