Hürden für die Grüne Gentechnik

Mit einem geänderten Gentechnikgesetz sollen mehrere neue, bereits rechtskräftigen EU-Bestimmungen in deutsches Recht umgesetzt werden. Das Bundesverbraucherministerium hat jetzt einen Entwurf vorgelegt. Neben dem Schutz vor möglichen Gefahren ist die Sicherung der Koexistenz künftig ein wesentliches Ziel des Gesetzes. Ein Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen wird weitreichenden Vorschriften unterworfen.

Bereits im Frühjahr war ein erster Vorentwurf aus dem in der Gentechnik federführenden Verbraucherministerium bekannt geworden. Der „Versuchsballon“ war von den beteiligten Ministerien, insbesondere dem Wirtschafts-, dem Forschungs- und dem Justizministerium, intern deutlich kritisiert worden. Jetzt hat Bundesverbraucherministerin Renate Künast eine überarbeitete Fassung vorgelegt. Ob die Stellungnahmen der Ressorts diesmal freundlicher ausfallen, muss abgewartet werden, denn nach wie vor fasst Künast damit einige „heiße Eisen“ an.

Beispiel Haftung. Die bestehenden Haftungsvorschriften für die GVO-Nutzung sollen ergänzt werden. Vorgesehen ist, dass ein Landwirt, der transgene Pflanzen anbaut, seinen Nachbarn Schäden ersetzen muss, die durch Übertragung, Beimischung oder sonstigen Eintrag entstehen. Dabei gilt es als Schaden, wenn die Ernte des Nachbarbetriebs nicht mehr ohne Kennzeichnung verkauft oder nicht mehr zum vorgesehenen Zweck verwendet werden darf.
Der GVO-Nutzer gilt grundsätzlich als schuldig, das heißt er haftet im Zweifelsfall auch ohne konkreten Schuldnachweis, es sei denn, er kann belegen, dass er seiner Vorsorgepflicht nachgekommen ist. Kommen mehrere Verursacher für den Schaden in Betracht, haften sie gemeinsam.

Beispiel Koexistenz. Wer gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut, soll Vorsorge treffen müssen, dass Menschen, Tiere und Pflanzen sowie die Umwelt durch die Übertragung von GVO-Eigenschaften, Beimischung oder sonstige Einträge „nicht wesentlich beeinträchtigt werden“. Dies wäre nach Auffassung des Verbraucherministeriums beispielsweise der Fall, wenn der EU-Schwellenwert für die Kennzeichnung von 0,9 Prozent überschritten würde oder ein Ökolandwirt seine Ernte wegen einer GVO-Beimischung nicht mehr als Bioware vermarkten könnte.

Für Landwirte wird dies bedeuten, neue Regeln für eine gute fachliche Praxis einhalten zu müssen. Dazu gehört, Auskreuzungen in benachbarte Grundstücke und auf Wildpflanzen zu vermeiden, zum Beispiel durch Mindestabstände, Sortenwahl, Durchwuchsbekämpfung oder natürliche Pollenbarrieren. Gentechnisch veränderte Produkte müssen von herkömmlichen Erzeugnissen getrennt gelagert, eingesetzte Transportmittel und Behältnisse müssen gereinigt werden. Weitere Einzelheiten der guten fachlichen Praxis will das Verbraucherministerium ebenso in einer Verordnung regeln wie neue Vorschriften zur Zuverlässigkeit und Sachkenntnis eines Gentechnik-Anwenders.

Beispiel Wahlfreiheit. Die Wahlfreiheit und Transparenz für die Verbraucher steht für Verbraucherministerin Künast auf der Tagesordnung ganz oben. Darum soll das neue Gentechnikgesetz ausdrücklich dazu dienen, die Herstellung von Lebens- und Futtermitteln ohne Gentechnik zu gewährleisten.

Beispiel öffentliches Register. Über Freilandversuche mit und den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen soll öffentlich Buch geführt werden. Jeder Bürger soll im Internet nachlesen können, ob in seiner Gemeinde GVO angebaut werden, in welchem Umfang und welche Eigenschaften diese Pflanzen besitzen.

Nur wer ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen kann, soll auf Antrag die genaue Lage der jeweiligen Grundstücke und den Namen des Gentechnik-Nutzers erfahren können. Dies soll dazu dienen, dass beispielsweise Ökolandwirte sich darüber informieren können, wo in ihrer Nachbarschaft gentechnisch veränderte Pflanzen wachsen. Ursprünglich hatte das Verbraucherministerium geplant, den genauen Lageplan grundsätzlich jedermann zugänglich zu machen.

Beispiel Schutz- und Förderziel. Das geltende Gentechnikgesetz aus dem Jahr 1990 verfolgt neben der Gefahrenabwehr auch das Ziel, klare und gesicherte Rechtsgrundlagen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der Gentechnik zu schaffen. Mit der Novelle soll dieser Förderzweck gestrichen werden. Zweck des Gesetzes soll ausschließlich sein, „Vorsorge zu treffen für den Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen, der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, von Tieren und Pflanzen und von Sachgütern vor Gefahren und Risiken gentechnischer Verfahren und Produkte“.

Mit Verspätung. Anlass der sich jetzt abzeichnenden Gentechnik-Novelle ist die EU-Freisetzungsrichtlinie , die in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bis zum 17. Oktober 2002 umgesetzt werden musste. Die Richtlinie regelt die Freisetzung und Vermarktung von GVO und schreibt ein höheres Sicherheitsniveau vor als die Vorgängerrichtlinie aus dem Jahr 1990. Deutschland hinkt mit der Umsetzung inzwischen fast ein Jahr hinterher. Ein Vertragsverletzungsverfahren ist anhängig. Das neue Gentechnikgesetz soll darum jetzt die Vorgaben der Freisetzungsrichtlinie in deutsches Recht übertragen.

So wird die Genehmigung zur Vermarktung von GVO grundsätzlich auf zehn Jahre befristet- mit der Möglichkeit zur Verlängerung.

Der Vertreiber eines GVO wird verpflichtet, die Auswirkungen des transgenen Organismus im Rahmen eines Monitoringplans zu beobachten.

Das Gentechnikgesetz übernimmt den neuen EU-Schwellenwert für die Kennzeichnung von Lebens- und Futtermitteln . Unbeabsichtigte GVO-Beimischungen bis zu 0,9 Prozent sind nicht kennzeichnungspflichtig, wenn der jeweilige GVO zugelassen ist.

Neue Sachverständigenkommissionen. Da in Zukunft immer häufiger Anträge auf die Freisetzung oder das Inverkehrbringen von GVO gestellt werden dürften und in der EU zugleich relativ kurze Bearbeitungs- und Entscheidungsfristen festgelegt wurden, soll die „Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit“ (ZKBS) künftig zweigeteilt werden. Eine Sachverständigenkommission soll für gentechnischen Anlagen und eine weitere für Freisetzungen und das Inverkehrbringen zuständig sein.

Beide Gremien werden beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) angesiedelt. Ihre nicht weisungsgebundenen Mitglieder werden vom Verbraucherministerium für drei Jahre berufen. Die Kommissionen prüfen und bewerten sicherheitsrelevante Fragen, geben Stellungnahmen hierzu ab und beraten die Bundesregierung.

Neue Zuständigkeiten. Des Weiteren sieht der Gesetzentwurf vor, dass eine Freisetzung von GVO nur genehmigt wird, wenn unter Beachtung des Vorsorgegrundsatzes alle erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden, um Auskreuzungen auf das unvermeidbare Maß zu reduzieren.

Genehmigungsbehörde ist künftig das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Bei Freisetzung oder einer Vermarktung muss das Bundesamt für Naturschutz (BfN) seine Zustimmung (Einvernehmen) erteilen, während das bislang zuständige Robert-Koch-Institut und das Bundesinstitut für Risikobewertung nur angehört werden müssen (Benehmen). Die Biologische Bundesanstalt (BBA) beziehungsweise die Bundesforschungsanstalt für Viruserkrankungen der Tiere muss eine Stellungnahme abgeben. In ökologisch sensiblen Gebieten sollen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen nur dann in der Landwirtschaft genutzt werden dürfen, wenn dies die zuständige Naturschutzbehörde genehmigt.

Ende offen. Der Gesetzentwurf von Verbraucherministerium Künast markiert den Auftakt eines voraussichtlich langwierigen und konfliktreichen Gesetzgebungsverfahrens. Erst wenn sich die beteiligten Ministerien geeinigt haben, wird es einen vom Kabinett beschlossenen Regierungsentwurf geben, der dann in die parlamentarischen Beratungen eingebracht wird. Wann und in welcher Fassung die Novelle letztlich beschlossen wird, kann zurzeit niemand vorhersehen.

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