Düngung des Ozeans ist keine Lösung für das CO2-Problem

Max-Planck-Experte warnt: Algen-Düngung mit Eisen hätte gravierende Nebenwirkungen auf die Atmosphäre und das Klima

Würde man das Phytoplankton im Ozean mit Eisen düngen, um das Übermaß an Kohlendioxid in der Atmosphäre abzubauen, hätte das beträchtliche und unvorhersehbare Folgen für das Klima und die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre, belegt der Atmosphärenforscher Mark Lawrence, Leiter einer Nachwuchsgruppe am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, in der internationalen Fachzeitschrift „Science“.

Heute ist allgemein bekannt, dass der Anteil des Kohlendioxids (CO2) in der Atmosphäre durch das menschliche Handeln ansteigt; es ist wahrscheinlich, dass dies erhebliche Auswirkungen auf die Erderwärmung haben wird. Deshalb wurden in den letzten Jahren verschiedene Verfahren vorgeschlagen, mit denen man den CO2-Überfluss in der Atmosphäre reduzieren könnte, wie zum Beispiel durch das Speichern des CO2 in den Tiefen des Ozeans. Ein weiterer Vorschlag sieht vor, in den Ozeanen das Phytoplankton (Algen), dessen Wachstum durch Eisenmangel gebremst wird, mit löslichem Eisen zu düngen. Diese winzigen sauerstoffproduzierenden Algen binden große Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre und spielen deshalb eine wichtige Rolle bei der Regulation dieses Treibhausgases.

Das vermehrte Wachstum des Phytoplanktons würde der Atmosphäre CO2 in beträchtlichem Umfang entziehen und in Kohlenhydrate binden. Ein Großteil dieses Kohlenstoffes würde zwar später wieder in CO2 umgewandelt, wenn das Phytoplankton von Zooplankton und anderen Organismen konsumiert wird; doch ein nicht unbeträchtlicher Teil der organischen Stoffe würde sich auf dem Grund des Ozeans ablagern. Diese Idee hat inzwischen bereits zu Patentanmeldungen und Unternehmensgründungen geführt – alle mit der Hoffnung, über die Eisendüngung des Ozeans zu so genannten „handelbaren CO2-Zertifikaten“ zu kommen. Wegen der in Zukunft wachsenden Kosten für die Vermeidung von CO2-Emissionen bzw. steigenden CO2-Steuersätze könnten künftig für solche Projekte zur Kohlenstoff-Bindung international handelbare Steuergutschriften (Zertifikate) ausgestellt werden, die dann von interessierten CO2-emittierenden Unternehmen zum Zweck der Steuerbefreiung erworben werden könnten.

Doch gegen die Realisierung solcher Projekte sprechen viele Gründe: Neben der rein logistischen Frage, wie man das Eisen in ausreichenden Mengen in den Ozean bringen könnte, sind eine Reihe von unerwünschten Nebeneffekten zu erwarten. Dazu gehören die Auswirkungen auf die Meeresökologie, worauf Wissenschaftler bereits im vergangenen Jahr hingewiesen hatten (Science, 12. Oktober 2001, s. S. 309-310). Diese Bedenken werden auch von Mark Lawrence, Experte für Atmosphärenchemie am Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie, geteilt, der in seiner Stellungnahme in „Science“ auf bisher noch nicht in Betracht gezogene Auswirkungen eingeht, die eine Eisendüngung des Ozeans auf die Atmosphärenchemie und das Klima hätte. Danach ist das Phytoplankton verantwortlich für die Produktion verschiedener Gase, die für die Atmosphäre von Bedeutung sind: Dazu gehören Dimethylsulfid, das zur Bildung von so genannten Wolkenkondensationskernen führt, sowie Karbonylsulfid und flüchtige organische Halogene, von denen man annimmt, dass sie zum Abbau des stratosphärischen Ozons beitragen.

All diese Gase wurden in den zurückliegenden drei Jahrzehnten intensiv von Wissenschaftlern der Abteilungen Luftchemie und Biogeochemie des Max-Planck-Instituts für Chemie untersucht. Lawrence weist darauf hin, dass eine vermehrte Bildung dieser Gase auf Grund der Eisendüngung zu gravierenden Veränderungen in der Zusammensetzung der Atmosphäre und des Klimas führen würde, was die positiven Effekte eines möglichen CO2-Abbaus bei weitem aufwiegen könnte. Zudem wäre durch die vermehrte Photosynthese eine beträchtliche Erwärmung des ozeanischen Oberflächenwassers zu erwarten, was entscheidende Konsequenzen für die Ozeanzirkulation und das Klima haben könnte, vor allem in den südlichen Ozeangebieten, wo ein Großteil der Eisendüngung stattfinden würde.

Lawrence sagt dazu: „Bereits die jetzt bekannten Nebeneffekte sollten ausreichen, um die Eisendüngung nicht mehr als Mechanismus für einen Handel mit Kohlenstoff-Zertifikaten in Betracht zu ziehen. Vielmehr sollte die Erforschung des Phytoplanktons und seiner Bedeutung für das Klima und die Zusammensetzung der Atmosphäre vertieft werden; doch dies sollte eher durch Grundlagenforschung als durch Marktinteressen angetrieben werden.“

Die von Dr. Mark Lawrence geleitete Nachwuchsgruppe am Max-Planck-Institut für Chemie wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Dr. Mark G. Lawrence
Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
Tel.: 0 61 31 – 30 53 31
Fax: 0 61 31 – 30 55 77
E-Mail: lawrence@mpch-mainz.mpg.de

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Dr. Mark G. Lawrence MPG

Weitere Informationen:

http://www.mpch-mainz.mpg.de

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