Umwelt und Gesundheit – die große Herausforderung

Jahresbericht 1999 des Umweltbundesamtes in Berlin vorgestellt

Das Thema „Umwelt und Gesundheit“ wird in der Umweltpolitik mehr Gewicht bekommen. Die Zahl der Allergiker in Deutschland steigt, Themen wie Lärm, hormonelle Wirkungen von Chemikalien und Feinstaub werden intensiv diskutiert, die Umweltmedizin hat sich etabliert. Immerhin rund ein Viertel der Deutschen sieht eine starke Gesundheitsbelastung durch Umweltprobleme. Die in Deutschland anlaufende Nachhaltigkeitsstrategie sollte daher die dauerhaft umweltgerechte Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen mit einem nachhaltigen Schutz der menschlichen Gesundheit verbinden. Dies betonte der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), Prof. Dr. Andreas Troge, in Berlin heute bei der Vorstellung des Jahresberichtes 1999 des UBA. Der neue Jahresbericht ist kürzer, übersichtlicher, lesefreundlicher und eng verknüpft mit dem Internet-Angebot des Amtes. Überblickskapiteln mit den großen Themen des Jahres folgen Kurzmeldungen, in denen die wesentlichen Arbeiten der Abteilungen auf den Punkt gebracht sind.

Wie ein roter Faden zieht sich das Thema „Umwelt und Gesundheit“ durch die Aktivitäten des Amtes im Jahr 1999. Dabei gibt es zahlreiche Schnittstellen zu den klassischen Feldern der Umweltpolitik, wie der Luft- und Wasserreinhaltung, oder der Verkehrspolitik. „Die Zunahme von Krankheiten, wie Asthma und Allergien, aufgrund von Umwelteinflüssen, ist alarmierend“, so Troge. Schätzungsweise 24 bis 32 Millionen Deutsche sind allergisch vorbelastet – Tendenz steigend. Auch in der Bevölkerung ist das Bewusstsein dafür groß: Fast ein Viertel der Deutschen geht von einer starken Gesundheitsbelastung durch Umweltprobleme aus, fast zwei Drittel der Befragten befürchten, dass die kommende Generation durch Umwelteinflüsse stark oder sehr stark belastet wird. Für annähernd die Hälfte der Bevölkerung gehört die Konfrontation mit Allergieerkrankungen zum Alltag.
Eine zentrale Rolle spielt die Belastung der Luft mit Schadstoffen – sowohl in der Außenluft als auch in den Innenräumen. Zu wenig beachtet wurden bisher die schädlichen Wirkungen von luftgetragenen Feinpartikeln (Seite 50). Sie sind tückischer als der wesentlich auffälligere Grobstaub, weil sie tief in die Lunge dringen und Auslöser für schwere Krankheiten sein können. Eine Hauptquelle für diese Partikel ist – neben Industrieprozessen – der Straßenverkehr, und dabei besonders Fahrzeuge mit Dieselmotoren.
Studien haben gezeigt, dass an dieselabgasbelasteten Arbeitsplätzen ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko besteht. Partikelfilter für Dieselmotoren oder eine gleichwertige Technologie sollten nicht nur für schwere Nutzfahrzeuge, sondern auch für Diesel-Pkw und leichte Nutzfahrzeuge bald verbindlich werden (Seite 55).
Das kanzerogene (krebserzeugende) Potenzial von Partikeln ließe sich dadurch um mehr als 90 Prozent senken. Zusammen mit dem Bundesumweltministerium appelliert das UBA an die deutschen Fahrzeughersteller, ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf diesem Gebiet zu verstärken. „Die Dieselmotoren sind in den vergangenen Jahren schon deutlich besser geworden. Es wäre ein weiterer wichtiger Schritt zu mehr Gesundheitsschutz, den Ausstoß von Feinpartikeln aus Dieselmotoren durch Filter oder andere Techniken weiter zu verringern“, so Troge.
Im Blickfeld müssen auch die Infektionskrankheiten bleiben (Seiten 38, 57): Akute Atemwegserkrankungen, Durchfallserkrankungen und Tuberkulose stehen bei den Todesursachen weltweit an der Spitze. Von den 52 Millionen Menschen, die weltweit jährlich sterben, sind 32 Millionen Opfer von Infektionskrankheiten oder ihren Folgen. Im Ausmaß weniger gravierend und dennoch nicht zu unterschätzen sind Infektionen durch den zunehmenden Ferntourismus und durch die Verbreitung und Vermehrung tierischer Überträger von Krankheitserregern auch in Deutschland, darunter Gliedertiere und Nagetiere.
„Vor diesem Hintergrund ist es bedenklich, dass die Bundesländer bis auf wenige Ausnahmen kein fachkompetentes Personal auf dem Gebiet der Parasitologie mehr beschäftigen“, kritisierte Troge. Anlass zur Sorge gibt auch die mangelnde Grundlagenforschung in Deutschland und der Rückzug von Herstellern aus ökonomisch wenig attraktiven, zur Verhinderung oder Eindämmung von Infektionen aber wichtigen Anwendungen. Das betrifft Kopfläuse und Krätzemilben ebenso wie Stechmückenlarven und -puppen, Taubenzecken und Braune Hundezecken sowie Hausmäuse, die Infektionserreger übertragen können.
1999 stand für das Umweltbundesamt im Zeichen des neuen Infektionsschutzgesetzes (IfSG), das in Teilen in diesem Jahr in Kraft tritt und das Bundes-Seuchengesetz (BSeuchG) ablösen wird (Seite 57). Das aus den 70er Jahren stammende BSeuchG kann nach Einschätzung des UBA nicht angemessen auf die heutigen Herausforderungen der Infektionskrankheiten reagieren. Das neue IfSG sei dagegen darauf gerichtet, neue Entwicklungen der Infektionskrankheiten und ihrer Überträger so frühzeitig aufzuspüren, dass Gesellschaft, Ärzte und Gesundheitseinrichtungen rechtzeitig reagieren können.
Auch in der Trinkwasserhygiene (Seiten 38, 60) besteht Handlungsbedarf. Obwohl die Wasserqualität in Deutschland im internationalen Vergleich gut ist, sind flächenhafte Schadstoffeinträge noch immer ein Problem für die Trinkwassergewinnung. Hierzu gehört die Belastung von Gewässern und ihren Einzugsgebieten durch Lösemittel und die offene Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft. Andere Risiken lauern in Warmwassersystemen, zum Beispiel in zentralen Warmwasserversorgungen von Wohnsiedlungen, wo sich Bakterien wie Legionellen und Pseudomonaden vermehren können. Berichte aus den USA über Parasiten in öffentlichen Trinkwassernetzen, insbesondere Cryptosporidien, sind für das UBA Anlass, das deutsche Multibarriensystem aus Ressourcenschutz, Aufbereitung und Pflege des Verteilungsnetzes auf seine Wirksamkeit zu überprüfen.
Lange war es ruhig um das Thema Lärm (Seite 44). Mittlerweile ist es zu einem Dauerbrenner geworden, denn immer mehr Menschen in Deutschland klagen über Lärm. Geräuscheinwirkungen können nicht nur belästigen, sondern auch die Gesundheit schädigen. Die Befunde lassen befürchten, dass dadurch das Risiko von Herz-Kreislauf- und Magen-Darm-Erkrankungen steigt und das Immunsystem geschwächt wird. Hauptquellen des Lärms sind auch hier der Straßenverkehr sowie startende und landende Flugzeuge sowie die Bahn. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes ist durch den Straßenverkehr knapp die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland mit Pegeln belastet, bei denen Beeinträchtigungen des physischen und sozialen Wohlbefindens zu erwarten sind. Beim Schienenverkehr beträgt dieser Anteil rund 20 Prozent. Von Pegeln, bei denen ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht, sind vom Straßenverkehr rund 16 % und vom Schienenverkehr rund 3 % der Bevölkerung in Deutschland betroffen. Verbesserungen der Motortechnik sowie der Fahrwege können mit vertretbarem finanziellen Aufwand für Besserung sorgen. Mit Einzelmaßnahmen zur Lärmminderung ist es aber nicht getan. Notwendig ist ein Maßnahmenbündel, zu dem die Verkehrs- und Siedlungsplanung, das Kraftfahrzeug-Steuerrecht, preispolitische Elemente und die Technik gehören.
Nicht zu unterschätzen sind auch die Gesundheitsgefahren durch zu laute Musik. Vor allem Jugendliche setzen sich – manchmal über mehrere Stunden täglich – hohen Schallpegeln durch tragbare Musikwiedergabegeräte und in Diskotheken aus. „Lärm ist eine schleichende Gefahr. Die dadurch hervorgerufenen Schädigungen des Gehörs sind meist nicht unmittelbar zu spüren. Sie kommen erst im Laufe der Jahre“, sagte Troge. Durch eine konsequente Vorsorge, also mehr Aufklärung der Jugendlichen, die freiwillige oder gesetzlich vorgeschriebene Begrenzung der Schallpegel bei Wiedergabegeräten und in Diskotheken kann man dem Problem wirksam begegnen. Dazu Troge: „Je später wir handeln, desto größer wird die Anzahl der Menschen sein, die bleibende Gehörschäden haben. Denn die Hörverluste sind unumkehrbar.“
Neben dem Thema „Umwelt und Gesundheit“ spielten für das Umweltbundesamt auch die eher klassischen Umweltthemen eine unverändert große Rolle. Ein Meilenstein der Umweltgesetzgebung ist das neue Bundes-Bodenschutzgesetz (Seite 64), das 1999 in Kraft trat. „Das UBA hat für dieses Gesetz bedeutende Vorarbeiten geleistet. Jetzt kommt es vor allem darauf an, den erheblichen Flächenverbrauch in Deutschland auf ein vertretbares Maß zurückzufahren“, sagte der UBA-Präsident. Immerhin habe sich die Siedlungsfläche in Deutschland in den vergangenen 50 Jahren verdoppelt, während die Zahl der Bewohner in dieser Zeit nur um 30 Prozent gestiegen ist (Seite 26). Die tägliche Neuinanspruchnahme von Land beträgt 121 Hektar – eine Fläche, die rund 160 Fußballplätzen entspricht. Steigende Flächenansprüche für Wohnen, Gewerbe, Verkehr und Freizeit mit sinkender Einwohnerdichte sowie der Anstieg und die Ausweitung des motorisierten Individualverkehrs sind die wesentlichen Ursachen dafür. Direkte Folgen sind der Verlust oder die Beeinträchtigung ökologischer Funktionen von Grün- und Brachflächen durch Bebauung, Versiegelung und Zerschneidung.
Um diesen Trend zu bremsen, liegt eine besondere Chance im Flächenrecycling – der Sanierung und neuen Nutzung von Altlastenflächen. In den städtischen Gebieten Deutschlands gibt es schätzungsweise rund 40.000 Hektar brach liegender Fläche, auf denen Altlasten vermutet werden. „Es ist ökologisch und meist auch ökonomisch sinnvoller, Brachflächen in bereits genutzten Gebieten zu sanieren oder diese erneut zu nutzen, statt auf der Grünen Wiese neu zu bauen“, sagte Troge. Auch sollten Verkehrswege stärker gebündelt und das Wohnumfeld in den Innenstädten ökologisch aufgewertet werden – zum Beispiel durch Entsiegelung und Bepflanzung. Stärker gefördert werden sollte eine flächensparende Siedlungsentwicklung. Dies kann geschehen, indem die Grundsteuer umweltbezogen neu gestaltet wird. Das Umweltbundesamt arbeitet an entsprechenden Konzepten.
Berlin, den 21.06.2000

! Der Jahresbericht 1999 ist als Druckversion (156 Seiten) und als CD-ROM erschienen. Beide Fassungen sind kostenlos erhältlich beim Umweltbundesamt, Zentraler Antwortdienst, Postfach 33 00 22, 14191 Berlin, Fax: 030/89 03-2910, e-Mail: jana.schmidt@uba.de. Den UBA-Jahresbericht gibt es ab 22.06.2000 auch im Internet (http://www.umweltbundesamt.de).

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Karsten Klenner

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