Klima- und Ressourcenschutz für Afrika

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt mittlerweile in Städten. Täglich werden es mehr. Und auch die Infrastruktur-, Energie- und Umweltprobleme der Städte und der sie umgebenden Ballungsräume nehmen zu.

Um Lösungen für diese Probleme geht es bei zwei Forschungsprojekten der Universität Stuttgart. Für die städtische Region Gauteng bei Johannesburg (Südafrika) entwickeln Stuttgarter Forscher mit Kollegen der Universität Johannesburg Instrumente für eine nachhaltige Energieversorgung und für den Klimaschutz.

Bei einem zweiten Projekt in Zusammenarbeit mit Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba, der dortigen Universität sowie NGOs geht es um die Entwicklung einer Abfall- und Ressourcenwirtschaft, die die Treibhausgase reduziert und den Menschen bei akzeptablen Arbeitsplatzverhältnissen zusätzlich ein geregeltes Einkommen ermöglicht. In beide Projekte sind die Stadt Stuttgart, die Städte Johannesburg, Ekurhuleni und Tshwane in der Region Gauteng sowie Addis Abeba eng eingebunden. Offizieller Projektstart für die beiden vom Bundesforschungsministerium mit insgesamt 8,5 Millionen Euro für fünf Jahre geförderten Forschungsprojekte ist der 1. Juni.

Energie als Schlüssel

Energie ist ein wichtiger Schlüssel, um das Leben in Ballungsräumen wie der Region Gauteng mit rund zehn Millionen Einwohnern zukunftsfähig zu gestalten. „EnerKey“ (Energy as a Key-Element) lautet entsprechend der Titel eines Projekts des Instituts für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart, in dem Ansätze, Strategien und Wege für eine nachhaltige und klimaverträgliche Entwicklung der Energieversorgung des Ballungsraumes erarbeitet werden sollen. „Das reicht von energieeffizienten Siedlungsstrukturen und Gebäudetechnologien über den Verkehr bis zu Fragen der effizienten und umweltverträglichen Bereitstellung von Energieträgern für einen weiter wachsenden Bedarf an Energiedienstleistungen“, betont IER-Direktor Prof. Alfred Voß und ergänzt: „Bei der aktuellen Energiekrise in Südafrika, die durch einen vernachlässigten Kraftwerksbau und ein unkontrolliertes Wachstum in den Städten verursacht wurde, hat die Steigerung der Energieeffizienz zunächst Vorrang.“ Hinzu kommen effiziente und nachhaltige Energietechnologien, wie Kraftwerke, aber auch Solarenergie beispielsweise für die Warmwasserversorgung. Die Stuttgarter Wissenschaftler erarbeiten mit ihren Partnern Vorschläge und stellen Instrumente zur Planung und Bewertung solcher Technologien bereit. Für Südafrika und die dortigen urbanen Ballungszentren ist die Bekämpfung der Armut, auch der Energiearmut, eine der zentralen Herausforderungen. So werden im Projekt auch Möglichkeiten einer kostengünstigen Basis-Stromversorgung für „informelle Siedlungen“ untersucht, um die Gesundheitsbelastungen und die Brandgefahr durch die Verwendung von Petroleum zu vermeiden. Im Projekt wird dabei die Entwicklung der Konzepte und Planungen durch die wissenschaftliche Auswertung und Begleitung von Fallbeispielen aus den Kommunen praxistauglich gemacht.

Neben Wissenschaftlern der Universitäten Stuttgart, Johannesburg und Kapstadt sind Fachleute aus den Stadtverwaltungen Stuttgart sowie der drei großen Städte der Region Gauteng, der Wirtschaft und weiterer Forschungsinstitutionen beteiligt. „In der zweijährigen Projektvorphase konnten tragfähige Netzwerke zwischen Forschung, Stadtverwaltung und Unternehmen in beiden Ländern aufgebaut werden“, berichtet Projektleiter Dr. Ludger Eltrop vom IER. Zudem haben das neu gegründete South African National Research Institute und die Universität Johannesburg insgesamt fünf Millionen südafrikanische Rand für die Arbeiten der südafrikanischen Partner bereitgestellt. Dies verdeutliche, dass die südafrikanische Seite den Projektansatz aktiv unterstütze. Das Projekt wird innerhalb des Förderschwerpunkts „Klimaschutz und energieeffiziente Strukturen in urbanen Wachstumszentren“ mit insgesamt vier Millionen Euro unterstützt, davon 1,3 Millionen Euro für das IER „Die Fragen einer nachhaltigen Energieversorgung urbaner Zentren sind aber nicht nur für Entwicklungsländer sondern auch für Deutschland von Bedeutung, um dem Ziel einer „energieeffizienten Stadt“ näher zu kommen“, betont Prof. Alfred Voß. Dies kommt auch in weiteren aktuellen Projektausschreibungen des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesforschungsministeriums zum Thema „Energieeffiziente Stadt“ zum Ausdruck. „Nur die langfristige Zusammenarbeit von Fachleuten aus Wissenschaft und Kommunen kann hier zum Erfolg führen“, bestätigt Joachim von Zimmermann, Leiter des Amtes für Umweltschutz der Stadt Stuttgart diesen Ansatz.

Abfall als Ressource

In den meisten Entwicklungsländern, vor allem in den dicht bevölkerten Megacites, gibt es weder geordnete Infrastrukturen für die Sammlung und Verwertung von Abfällen noch Verwaltungsstrukturen und gesetzliche Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Abfallwirtschaft. Unhygienische Bedingungen für die Bevölkerung, Ressourcenverschwendung sowie klimaschädliche Gase sind die Folge. „Die nachhaltige Bewirtschaftung von Abfällen wird zur Schonung der Ressourcen, einem geregelten Arbeitseinkommen für die Menschen und zur Minderung von Treibhausgasen und anderen Emissionen führen“, sagt dazu Prof. Martin Kranert vom Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft (ISWA) der Universität Stuttgart. Diese These wird am Beispiel von Addis Abeba im Projekt „IGNIS – Income Generation und Klimaschutz durch die nachhaltige Inwertsetzung von Siedlungsabfällen in Megacities“ untersucht. Das Projekt, das im Rahmen des Schwerpunkts „Energy- and climate-efficient structures in urban growth centres“ vom Bundesforschungsministerium mit insgesamt 4,5 Millionen gefördert wird, davon über einer Million Euro für das ISWA, soll dazu beitragen, Probleme der Abfallwirtschaft und der damit verbundenen Treibhausemissionen in Megastädten von morgen zu lösen.

Ein interdisziplinäres Konsortium aus dem Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft des ISWA der Universität Stuttgart, der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA), dem Institut für Zukunftsenergiesysteme (IZES), der Environmental Development Action in the Third World (ENDA), der Addis Abeba Universität (Fachbereich Civil Engineering und Fachbereich Regional and Local Development Studies) und der Addis Ababa Environmental Protection Agency sorgt für die Umsetzung des ganzheitlichen Projektansatzes. Die Koordination übernimmt der Verband zur Förderung angepasster, sozial- und umweltverträglicher Technologien e.V. (AT-Verband). Die Projektpartner sorgen unter anderem für die Einbeziehung von Entscheidungsträgern, die Einführung von Pilotprojekten, die Beurteilung der umwelttechnischen, arbeitsschutzbezogenen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der abfallwirtschaftlichen Maßnahmen sowie die Aus- und Weiterqualifizierung von lokalen Akteuren.

Als Projektgrundlage werden zunächst alle erforderlichen geografischen, abfall- und emissionsbezogenen Daten erhoben. In einem nächsten Schritt werden dezentrale Pilotprojekte in kleinem Maßstab beispielsweise zur Kompostierung, Vergärung, zum Recycling und zur verbesserten Abfallsammlung eingerichtet. Der Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft übernimmt die wissenschaftliche Begleitung und Bewertung der Projekte. Eine der Hauptaufgaben des Lehrstuhls für Abfallwirtschaft und Abluft wird es sein, aus den Stoffstromanalysen der Pilotprojekte Modelle zu entwickeln und diese in ein Simulationsprogramm zu integrieren. Mit Hilfe dieses Programms werden verschiedene Szenarien berechnet, darunter die voraussichtliche Entwicklung der Abfallwirtschaft Addis Abebas und – nach Einführung erfolgreicher Pilotprojekte – deren Auswirkungen auf Ressourcen, Arbeitsplätze, Treibhausgase und Emissionen. „Neben der Verbesserung der Abfallsituation in Addis Abeba und des Wohlstandes der Einwohner der Megastadt können die Ergebnisse als Grundlagen für die Neuorientierung der Abfallwirtschaft im Rahmen des Klima- und Ressourcenschutzes in Entwicklungsländern darstellen“, sagt Prof. Kranert. Die Stuttgarter Wissenschaftler erwarten, dass das Simulationsprogramm künftig auch in weiteren Megastädten eingesetzt werden kann. Dr. Manfred Krieck vom Abfallwirtschaftsbetrieb der Stadt Stuttgart ergänzt: „Wir wollen unsere praktischen Erfahrungen als Abfallwirtschaftsbetrieb und bei der Qualifizierung von Mitarbeitern, die wir im Rahmen unserer internationalen Städtepartnerschaften gewonnen haben, in das Projekt mit einbringen“.

Weitere Informationen:
Dr. Ludger Eltrop, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung
+49-(0)711/685-87816, mobil: +49 (0)160/78 40 682
e-mail: le@ier.uni-stuttgart.de
Prof. Dr.-Ing. Martin Kranert
Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft
Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft
Tel. +49 (0)711/685-65500
e-mail: martin.kranert@iswa.uni-stuttgart.de

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Ursula Zitzler idw

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