Nilgänse am Main, Sommerflieder am Bahngleis

Was passiert, wenn menschliche Besiedlung natürliche Biotope verändert, verdrängt oder zerstört? Im Rhein-Main-Gebiet wird die Frage von Biologen der Goethe Universität seit Jahren intensiv erforscht.

Ihre Ergebnisse, die sie in der neuen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ präsentieren, geben Anlass zu Hoffnung und Sorge zugleich. So haben im Taunus und in den Frankfurter Naturschutzgebieten viele seltene, teilweise vom Aussterben bedrohte Arten überlebt. Gleichzeitig ist die natürliche Artenvielfalt in städtischen Biotopen oft verringert, während zugewanderte Tier- und Pflanzenarten sich stark vermehren.

In der Stadt verändern sich Artenzahlen und Lebensräume beständig. Um die Dynamik von Arten verstehen zu können, untersuchen Prof. Rüdiger Wittig und Prof. Georg Zizka vom Institut für Ökologie, Evolution und Diversität seit Jahren neben den Ansprüchen an den Standort auch das Ausbreitungsverhalten von Tieren und Pflanzen. So stellten sie beispielsweise fest, dass sich auf den Bahnhöfen des Rhein-Main-Gebietes der aus China stammende Sommerflieder überdurchschnittlich stark ausbreitet.

Stillgelegte Bahnanlagen werden von der Natur zurück erobert, allerdings entsteht ein gänzlich anderer Bewuchs als zuvor: Pionierpflanzen breiten sich aus und seltene Tierarten, wie die Mauereidechse, vermehren sich ungestört. Bleibt die Fläche über Jahrzehnte brach, verdrängt jdeoch ein relativ artenarmer Wald aus Birken und Robinien die Pioniervegetation mitsamt der Eidechsen.

Doch nicht nur in der Stadt ändert sich die Artenvielfalt durch menschliche Besiedlung. Die Lebensräume der alten, extensiv bewirtschafteten bäuerlichen Kulturlandschaft sind der Intensivlandwirtschaft, Siedlungsausweitung und Aufforstung gewichen. Interessanterweise handelt es sich hier um Lebensräume, die auf regelmäßige menschliche Pflege durch Mähen oder Beweiden angewiesen sind. Heute sind sie fast noch in Naturschutzgebieten zu finden, die es im Rhein-Main-Gebiet in größerer Zahl gibt.

Das europaweit bedeutende Naturschutzgebiet Mainzer Sand beheimatet 147 gefährdete, vom Aussterben bedrohte oder seltene Gefäßpflanzenarten. Aber auch die Frankfurter Naturschutzgebiete Schwanheimer Düne und der Berger Hang sind für den Artenschutz äußerst wertvoll. Im Enkheimer Ried lebt eine der letzten hessischen Populationen der Europäischen Sumpfschildkröte. Und auch in den für das Rhein-Main-Gebiet charakteristischen Streuobstwiesen wachsen viele schutzwürdige Pflanzenarten.

Der Klimawandel hat bereits jetzt zu Veränderungen im Artengefüge geführt und wird weitere nach sich ziehen. Insbesondere ist damit zu rechnen, dass Arten, die nur an eher kühlen Standorten konkurrenzfähig sind, erlöschen werden. Momentan gibt es unter den hessischen Farn- und Blütenpflanzen 13 Arten, die ausschließlich in schattigen Tälern, an Nordhängen und in den höchsten Bergregionen vorkommen. Sechs von ihnen sind noch im Taunus an wenigen Stellen anzutreffen, darunter der Alpendost.

Um die komplexen Zusammenhänge zwischen Artenvielfalt und menschlichem Einfluss zu verstehen und den Erfolg von Naturschutzmaßnahmen zu überwachen und zu optimieren, führt die Forschungsgruppe von Prof. Georg Zizka am Forschungsinstitut Senckenberg seit 1985 langfristige Beobachtungen der Biodiversität („Monitoring“) im Frankfurter Stadtgebiet aus. Bei besonders tiefgreifenden städtebaulichen Maßnahmen, wie bei der Überbauung von Gleisflächen oder der Planungen für den Flughafenausbau, kommen detaillierte Begleituntersuchungen hinzu.

Insbesondere in Naturschutzgebieten sind Monitoring, Pflegemaßnahmen und Effizienzkontrollen essenziell. Nur mit einer umfassenden und aktuellen Kenntnis der Biodiversität lassen sich die große Vielfalt an Arten und Biotopen auch in Zukunft erhalten. Einen wesentlichen Beitrag dazu soll die von Prof. Wittig geleitete Kampagne „Biodiversitätsregion Frankfurt/Rhein-Main“ leisten. Veranstalter dieser Kampagne ist das 2004 gegründete Frankfurter Netzwerk für Biodiversität, BioFrankfurt leisten, dessen Sprecher Prof. Bruno Streit ist.

Weitere Informationen:
Dr. Rüdiger Wittig, Tel. 069/798-24739; r.wittig@bio.uni-frankfurt.de, Institut für Ökologie, Evolution und Diversität, Universität Frankfurt.

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Dr. Anne Hardy idw

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