Experimenteller Beweis für Chaos in einem Ökosystem

Schon in den 1970iger Jahren hatten Theoretiker der Ökologie auf Grund von Modellrechnungen vorausgesagt, dass die Populationen von Pflanzen und Tieren auf unvorhersehbare Weise schwanken können. Diese aus der Chaostheorie abgeleitete Vermutung löste heftige Diskussionen aus und wurde größtenteils abgelehnt. Nur wenige Wissenschaftler glaubten weiterhin daran, dass Chaosmechanismen in realen Lebensgemeinschaften wirklich vorkommen.

Allgemein wurde angenommen, dass unregelmäßige Populationsschwankungen durch Veränderungen der Umwelteinflüsse bedingt sind, z. B. durch Schwankungen in den Witterungsbedingungen oder andere Störungen des natürlichen Gleichgewichtes. Diese klassische Perspektive ist nun radikal in Frage gestellt durch eine Entdeckung, die von Elisa Benicà und Jef Huisman an der Universität Amsterdam zusammen mit Kollegen anderer Universitäten aus den Niederlanden, Deutschland und den Vereinigten Staaten gemacht wurde.

Kernstück ihrer Untersuchung war ein an der Universität Rostock durchgeführtes Langzeitexperiment. Dr. Reinhard Heerkloss hatte eine Lebensgemeinschaft von Planktonorganismen aus der Ostsee isoliert und über einen Zeitraum von 7 Jahren unter konstanten äußeren Bedingungen beobachtet (Bild 1). Zweimal pro Woche wurden die Arten ausgezählt, so dass eine sehr detaillierte Datenreihe entstand. Zu seiner großen Überraschung stellte sich bald heraus, dass sich niemals ein Gleichgewicht einstellte (Bild 2). Die Planktondichten änderten sich stattdessen unregelmäßig auf Grund von Fraßbeziehungen und Konkurrenz. Er schickte den Datensatz zur statistischen Analyse nach Amsterdam. Dort wurde er mit modernsten Methoden untersucht und es konnte mit großer Sicherheit die Anwesenheit von Chaos für diese Lebensgemeinschaft nachgewiesen werden.

Prof. Stephen Ellner von der Cornell Universität, USA – Co-Autor des Nature-Artikels – sieht weit reichende Konsequenzen für die Ökologie und das Management von Ökosystemen: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass langfristige Prognosen über die Abundanz von Arten grundsätzlich nicht möglich sind. Über viele Jahre haben wir gedacht, dass uns die Kenntnis aller relevanten Einflussfaktoren genaue Prognosen über die Reaktion der Populationsdichten auf äußere Faktoren, z. B. klimatische Schwankungen, erlauben würde.

Nun wissen wir, dass die Dinge nicht so einfach sind.“ Zwar hatten die Professoren Jef Huisman und Marten Scheffer, beide aus den Niederlanden, das Vorhandensein von Chaos für Lebensgemeinschaften des Planktons mit Hilfe mathematischer Modelle schon vorausgesagt, jedoch der erstmalige Nachweis des Chaos für ein reales Ökosystem ist ein echter Durchbruch und wegweisend für die Ökologie. Die Prognosegenauigkeit des untersuchten Systems hatte einen ähnlichen Zeithorizont wie die lokale Wettervorhersage.

Benicà: „Kurzzeitprognosen sind möglich, Langzeitprognosen dagegen nicht. Bestenfalls können wir die Grenzen ausmachen, zwischen denen die Arten schwanken.“

Ansprechpartner:
Für weitere Informationen oder ein PDF der Publikation kontaktieren Sie bitte:
PD Dr. Reinhard Heerkloss Institut für Biowissenschaften/ Aquatische Ökologie, Universität Rostock, 18051 Rostock, Deutschland, Tel. +49 381 4986073,

email: reinhard.heerkloss@uni-rostock.de

Prof. Dr. Jef Huisman, Institute for Biodiversity and Ecosystem Dynamics, University of Amsterdam, The Netherlands, phone: +31 20 5257085, mobile phone: +31 6 26792263, email: jef.huisman@science.uva.nl

Prof. Dr. Stephen P. Ellner, Ecology and Evolutionary Biology, Cornell University, Ithaca, NY 14853, USA, phone: (607) 254-4221, email: spe2@cornell.edu

Media Contact

Ingrid Rieck idw

Weitere Informationen:

http://www.nature.com/nature

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