Bald deutlich weniger Medikamente in Flüssen, Seen und Trinkwasser?

Dr. Ingo Dobner kontrolliert die Bepflanzung der neuartigen Filterversuchsanlage, mit der Arzneimittelreste in Kleinkläranlagen vernichtet werden sollen. © Zentrum für Umweltforschung und nachhaltige Technologien (UFT) der Universität Bremen<br>

In Deutschland werden jährlich rund 31.000 Tonnen Arzneimittel eingenommen. Sie sollen eigentlich heilen. Doch sie können auch schädlich sein und wirken, wo sie eigentlich nicht wirken sollten.

Wenn Menschen Antibiotika, Hormone oder Schmerzmittel eingenommen haben, kann der Körper die Wirkstoffe nicht vollständig verwerten. Sie landen stattdessen im häuslichen Abwasser und kommen durch die Kanalisation in Flüsse und Seen und über das Grundwasser teilweise sogar ins Trinkwasser.

Dieses Problem will ein Forschungsprojekt am Zentrum für Umweltforschung und nachhaltige Technologien (UFT) der Universität Bremen nun lösen. Mit 189.000 Euro fördert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) das Entwickeln eines neuartigen Biokohle- und Pflanzenfilters, der Arzneimittelreste in Kleinkläranlagen vernichtet. „Es ist ein sehr wirksames, aber auch kostengünstiges und technisch leicht anzuwendendes Verfahren“, erklärt Projekt-Mitarbeiter Dr. Ingo Dobner von der Uni Bremen.

Über 3.000 verschiedene Medikamenten-Wirkstoffe sind in Deutschland zugelassen. Viele dieser Substanzen und Hormone sind so resistent, dass sie bislang kaum oder gar nicht aus dem Wasser gefiltert und über die Kläranlagen in den Wasserkreislauf geraten konnten – ein großes Problem für Umwelt, Mensch und Tier, betont Dobner. Bei Fischen komme es durch Hormon- und Medikamentenaufnahme zur Verweiblichung und Geschlechtsumwandlung.
Und Bakterien bzw. Krankheitserreger würden zunehmend resistent gegen Antibiotika, so dass die Medikamente ihre Wirksamkeit verlieren. Das UFT in Bremen entwickelt jetzt ein Verfahren, bei dem erstmals mit Bio- bzw. Pflanzenkohle das Wasser von Arzneimittelrückständen gereinigt werden kann. „Die Pflanzenkohle – also verkohltes Holz – hält das Wasser beim Durchsickern durch das Substrat länger fest. Sie funktioniert im Grunde wie ein Schwamm und kann dadurch die Schadstoffe besser aus dem Wasser herausfiltern“, erklärt Dobner das Verfahren des Biokohle-Filters. Die Versuchsergebnisse aus einer ersten Projektphase mit unterschiedlichen Bodenfiltern hätten einen deutlichen Reinigungseffekt mit der Pflanzenkohle gezeigt.

Außerdem soll die Filteranlage mit besonders robusten und anpassungsfähigen Pflanzen wie Rohrglanzgras, Blutweiderich und Iris sowie speziellen Pilzen kombiniert werden, um einen zusätzlichen Reinigungseffekt zu erreichen, erläutert Dobner die vielfältigen Mechanismen der Pflanzenkläranlage: „So greift im übertragenen Sinne eine Hand in die andere, wodurch auch die kompliziertesten Moleküle geknackt und das Wasser von Schadstoffen gereinigt werden kann.“ Weil Dobner und seine Kollegen weitere Erkenntnisse aus dem Langzeitverhalten zur Reinigungsleistung erwarten, fördert die DBU nun die zweite Projektphase mit etwa 189.000 Euro. Schon für die erste Phase hatte sie 120.000 Euro in die Hand genommen.

Bislang habe die Forschung wegen des hohen Wirkstoffgehalts vor allem die Reinigung von Krankenhausabwässern untersucht. Weil die Patienten die Krankenhäuser aber immer früher verließen und die häuslichen Abwässer zunehmend belastet würden, entwickelt Dobner nun eine neuartige Methode für kleine und kommunale Kläranlagen. Der ländliche Bereich biete zumeist genügend Platz für die Pflanzenkläranlagen, „deren Technik sich aber ohne weiteres auf größere Kläranlagen übertragen ließe“, wie DBU-Experte Franz-Peter Heidenreich erklärt. Von Vorteil sei außerdem, dass die Anlage „mit wenig Pflege fast wartungsfrei und sehr günstig zu betreiben“ sei. DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde sieht in dem Forschungsprojekt einen besonderen Mehrwert und Vorteil für die Umwelt und die mittelständische Wirtschaft: „Gerade kleine und mittelständische Unternehmen wie Hersteller von Abwassertechnik bzw. Bodenfilter-/Pflanzenkläranlagen, Planungs- und Ingenieurbüros oder dem Garten- und Landschaftsbau können von dem Projekt profitieren und auch unter ökonomischen Aspekten einen ökologischen Beitrag für mehr Verbraucherschutz leisten.“

Media Contact

Franz-Georg Elpers DBU-Presseabteilung

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