In die Zukunft geschaut: Szenarien des Forschungs- und Innovationsraums Europa in 2025

Gerade das Verhalten der Unternehmen mit ihrer Nachfrage nach Forschungsdienstleistungen beeinflusst die Agenda der Forschungseinrichtungen.

So genannte Szenarien beschreiben auf Basis diverser Einflussfaktoren mögliche Situationen in der Zukunft. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI hat zusammen mit Experten verschiedener Akteursgruppen Szenarien für die europäische Forschungslandschaft 2025 erarbeitet.

In einem der vier Szenarien wird davon ausgegangen, dass Europa 2025 aus vorangegangenen Finanz- und Wirtschaftskrisen gestärkt hervorgegangen ist, nicht zuletzt aufgrund von Reformen der Finanzmärkte und einer weitgehend abgestimmten Wirtschaftspolitik innerhalb der EU. Die globalen Märkte wandeln sich durch die nachhaltige Entwicklung, die besonders von Europa ausgeht und von der Europa wirtschaftlich profitiert.

Der inzwischen attraktive Forschungs- und Lebensraum Europa ist für Global Player wieder eine Option, ihre Forschung und Entwicklung (FuE) nach Deutschland beziehungsweise Europa (zurück) zu verlagern. In FuE-Einrichtungen werden strategische Partnerschaften mit Unternehmen als sehr wichtig eingestuft. Die öffentlichen finanziellen Mittel sind zwar weiterhin knapp, werden aber in transnationale europäische Multi-Akteur-Strukturen investiert. Neue strategische Partnerschaften entstehen und Netzwerke werden flexibel organisiert.

„In unseren Szenarien haben wir langfristige demographische, politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Trends einbezogen, die die Zukunft prägen und sich bereits heute abzeichnen. Prognose im klassischen Sinne machen wir allerdings nicht und bewegen uns mit unseren Aussagen immer zwischen möglichen, wahrscheinlichen und wünschenswerten Entwicklungen“, beschreibt Dr. Ewa Dönitz vom Fraunhofer ISI die Ergebnisse zusammenfassend.

Europa wird in diesem Szenario zudem zunehmend attraktiver und in anderen Teilen der Welt als beliebter Lebensmittelpunkt wahrgenommen, vor allem aufgrund seiner Vorreiterrolle bei der nachhaltigen Entwicklung, seinen stabilen politischen Verhältnissen, der Vielfalt von kulturell unterschiedlichen Regionen und einem harmonisierten Arbeitsmarkt. Der Anspruch eines attraktiven Europas setzt voraus, dass Forschung innerhalb eines gesellschaftspolitischen Kontexts vorangetrieben wird. So ist 2025 die Forschung mit der Gesellschaft stark vernetzt und erhält einen neuen, unverzichtbaren Stellenwert, der sich unmittelbar am gesellschaftlichen Bedarf orientiert. Die Forschungseinrichtungen schärfen aufgrund dieser Anforderung ihre Profile. Sie ordnen sich wieder stärker strategisch eindeutig ausgewiesenen Bereichen zu, verändern die starren, historisch bedingten Strukturen und machen so den Weg frei für eine agil vernetzte Forschungslandschaft. Gemeinsam mit FuE-Abteilungen in Unternehmen konzentrieren sich die Forschungseinrichtungen auf diejenigen Bereiche, in denen man technologisch die europäische Führung weiter ausbauen kann. Dazu zählen Chemie, Energie, Umwelt, Automobil, Materialwissenschaften sowie optische Technologien.

In einem alternativen Szenario gibt es 2025 zwar keine akute Wirtschaftskrise, aber die Wirtschaftskraft ist insgesamt auf einem anhaltend niedrigen Niveau. Die Finanzmärkte dominieren weiterhin die Realwirtschaft und die Unternehmen richten sich an kurzfristigen Renditen aus. Dabei setzt bei den Unternehmen eine starke Ökonomisierung der Forschung ein, was bedeutet, es wird nur im Mainstream geforscht, so dass es für kreative „Seitenforschung“ keinen Raum mehr gibt. Die Unternehmen sind risikoscheu und versuchen, das Risiko von vornherein zu vermeiden, anstatt mit ihm umzugehen und dabei möglicherweise neue Chancen zu entdecken. Notwendige FuE-Erkenntnisse werden eher fertig eingekauft als selbst entwickelt. Forschungsaufträge und entsprechende Kooperationen im Auftrag von Mittelgebern entfallen. Die Anforderung, mit vielen Akteuren weltweit vernetzt zu sein und schnell dynamische Entwicklungen zu berücksichtigen, überfordert die Unternehmen. Sie handeln eher reaktiv beziehungsweise gehen nur kurzfristige Partnerschaften ein.

Trotz knapper Finanzmittel werden Forschung und Bildung weiterhin von den öffentlichen Haushalten stark gefördert, sowohl im nationalen, als auch im europäischen Rahmen. Im Sinne des „weiter so wie bisher“ wird allerdings über die effektive und effiziente Verwendung der Mittel kaum diskutiert. Die alten Strukturen behindern die europäische Vernetzung und neue Forschungsaktivitäten hinsichtlich des Austauschs zwischen gesellschaftlicher Anwenderperspektive und der Forschung, der zur Lösung von globalen Problemen notwendig wäre. Europäische Forschungsnetzwerke entstehen nur themenfokussiert und sind vom Innovationsraum weitgehend isoliert. Lediglich stellenweise bilden sich Kooperationen aus Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus, die durch die Innovationsnetzwerke von global operierenden Unternehmen geführt werden und längerfristig zusammenarbeiten.

Zwei weitere Szenarien mit positiver beziehungsweise negativer Tendenz komplettieren die Untersuchung des Fraunhofer ISI. „Der Blick auf verschiedene Zukünfte ist Teil unserer Strategieplanung. Er ermöglicht uns zu diskutieren, welche Zukunft wir uns wünschen, und zu gestalten, was möglich ist. Wir können die Zukunft zwar nicht genau vorhersagen, aber mit den entwickelten Szenarien schaffen wir ein Bewusstsein für die möglichen Veränderungen und bereichern die Diskussion über den künftigen europäischen Forschungs- und Innovationsraum durch neue Perspektiven“, so Dr. Lothar Behlau, Leiter Strategie und Programme in der Zentrale der Fraunhofer-Gesellschaft.

Die komplette Studie kann unter http://www.isi.fraunhofer.de heruntergeladen werden.

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI analysiert die Rahmenbedingungen von Innovationen. Wir erforschen die kurz- und langfristigen Entwicklungen von Innovationsprozessen und die gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Dienstleistungen. Auf dieser Grundlage stellen wir unseren Auftraggebern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Handlungsempfehlungen und Perspektiven für wichtige Entscheidungen zur Verfügung. Unsere Expertise liegt in der breiten wissenschaftlichen Kompetenz sowie einem interdisziplinären und systemischen Forschungsansatz.

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