Die Zukunft des Einzelhandels in der Automobilindustrie

Automobilunternehmen werden verstärkt eine so genannte Omni-Channel-Strategie anwenden, um ihre Fahrzeuge zu vermarkten und an ihre Kunden zu verkaufen. Etwa vier Prozent aller zukünftigen Neuwagenverkäufe, was ca. 4,5 Millionen Einheiten entspricht, könnten bis 2020 komplett über den Online-Kanal abgewickelt werden. Im Vergleich: im Jahr 2011 wurden etwa 5000 Neuwagen ausschließlich online verkauft.

Die Neuwagenverkäufe werden über vielfältige Kanäle abgewickelt werden. Hierfür kommen das bestehende Händlernetz und neue Flagshipstores zum Einsatz, aber auch Online- und mobile Kanäle, indem das Verkaufspersonal zu den Kunden fährt, um die Fahrzeuge digital zu präsentieren.

Im Jahr 2009 wurden weltweit nur vier Prozent aller Handelsumsätze online abgewickelt. Im Jahr 2011 erfolgten bereits etwa elf Prozent aller Verkäufe über das Internet. In bestimmten Branchen, wie dem Verlagswesen und der Unterhaltungsbranche erwirtschaften die führenden Einzelhändler bereits mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes online – und zwingen dadurch große Ladengeschäfte (z. B. Borders in den USA) ihre Türen zu schließen, weil sie den Online-Trend fehleingeschätzt hatten. Im Vereinigten Königreich eröffnete der Elektronikhändler Best Buy elf neue Mega-Stores, in denen Artikel vom Wasserkocher für GBP 10,- bis zum Tesla für USD 100.000 verkauft wurden. Aber bereits 18 Monate nach der Eröffnung mussten die Geschäfte wieder schließen, dennn ein Viertel der Kunden nutzte die Mega-Stores lediglich, um nach elektronischen Produkten zu suchen, kauften diese jedoch letztendlich online.

Dasselbe könnte in Zukunft auch mit Autohäusern geschehen, Händler müssen deshalb ihre Angebote erneuern. Die meisten OEMs experimentieren bereits damit bzw. planen, auf den Online-Zug aufzuspringen.

Ford UK verkauft Neuwagen über seine Website (http://www.fordretailonline.co.uk/). Auch Dacia (http://www.dacia.co.uk/) ist hauptsächlich über seine Online-Verkaufskanäle in den britischen Markt eingedrungen und nutzt die Autohäuser als Back-up-Lösung.

Die demnächst gestartete Website Shop-Click-Drive (http://shopclickdrive.com/) ist die neue Geschäftsinitiative von General Motors, um Autos in Zusammenarbeit mit seinen teilnehmenden Chevrolet-Händlern online zu verkaufen. Neue Autohersteller wie Tesla (für die Modelle S, X) und Fisker (für das Modell Atlantic) ermöglichen bereits durchgängig online abgewickelte Kaufprozesse und unterstützen ihre Kunden in verschiedenen Regionen. Der rasche Erfolg von Subaru, Fiat, Smart und Volkswagen mit automatisierten Online-Kanälen (z. B. eBay, Taobao, Jindong, Alibaba, Gilt.com) dürfte den Weg in die Zukunft ebnen, d.h. die Hersteller arbeiten möglicherweise auch mit anderen unabhängigen Plattformen zusammen, um ihre Produkte abzusetzen.

Die Automobilunternehmen planen zudem, künftig auch Fashion Merchandising online einzusetzen, wie z. B. Fiat500byGucci und Fiat500byDiesel. Dieser Trend ist auch bei OEMs der Premiumklasse (z. B. Jaguar) erkennbar. So will Jaguar die ersten 30 Modelle des XJL Ultimate über den Online-Handel verkaufen.

Die OEMs entscheiden sich entweder für den evolutionären Ansatz oder den revolutionären Omni-Channel-Ansatz. Beim evolutionären „Bricks and Clicks“-Ansatz werden die Autohändler wahrscheinlich sowohl stationäre Autohäuser wie auch Ausstellungsräume auf Online-/Mobilbasis betreiben, wobei die beiden Bereiche voneinander getrennt bleiben. Hauptziel ist, den Verkäufer im Autohaus durch ein Online-System zu ersetzen. Die Auslieferung des Fahrzeugs soll bei den Händlern stattfinden.

Der Omni-Channel-Ansatz setzt auf einen vereinheitlichten, integrierten „Brick and Clicks“-Kanal, wo alle Kaufprozesse des Neuwagens online (mobil und stationär) durchgeführt und die Finanzierungs- wie Versicherungsverträge abgeschlossen werden. Bei diesem Modell besteht künftig nur noch minimaler – oder möglicherweise gar kein – Bedarf, niedergelassene Autohäuser einzubeziehen.

Allerdings gibt es zwei wichtige Aspekte beim Kaufprozess eines Neuwagens zu beachten – nämlich die emotionale und die physische Komponente. Diese zwei Herausforderungen müssen zuerst gemeistert werden, um die Käufer zu einem Geschäft per Click zu bewegen. Bei der emotionalen Komponente müssen Kunden in der Regel einen empathischen Bezug zur Marke und dem Fahrzeug herstellen können – und es muss möglich sein, Emotionen einfließen zu lassen. Der physische Teil vermittelt dann die haptische Erlebbarkeit des Metalls, des Leders sowie die Fahrbarkeit, die Handhabung und das Lenkgefühl des Autos.

Diese beiden Komponenten können durch den Online-Kanal verstärkt werden. Die OEMs erschließen derzeit neue kreative Wege, um die emotionale Erlebbarkeit des Fahrzeugs digital zu verstärken, indem sie Simulationen anbieten, die Realitätswahrnehmung erweitern und Filmsequenzen im Produktionsprozess zeigen, wie das Auto „geboren“ und ausgeliefert wird. Für die Probefahrt bieten OEMs (z. B. BMW) neue bedarfsgerechte Lösungen für Standorte, an denen die Interessenten sich Modelle der absoluten Oberklasse stundenweise zu realistischen Preisen mieten können – selbst dann, wenn sie sich den Wagen nicht leisten können. Die Automobilunternehmen arbeiten auch mit Carsharing-Anbietern und Mietwagengesellschaften zusammen, um eine Probefahrt möglich zu machen.

Die Automobilhersteller treiben künftig die Immobilienpreise an, wenn sie digitale Flagshipstores in teuren Straßen in den Großstädten der Welt eröffnen, wie etwa BMW und sein Ladengeschäft in Londons teuerer Park Lane mit engagierten Mitarbeitern, um Informationen und Marketingmaßnahmen für seine neue iBrand bereitzustellen. Audi hat zudem einen digitalen Flagshipstore und eine digitale Audi City (http://audi-microsites.com/audi-city/en/) entwickelt.

Eine zentrale Folge dieses von der Makro- auf die Mikroebene wirkenden Megatrends ist, dass die Räumlichkeiten der Autohäuser um etwa 20 Prozent schrumpfen werden. So wird der Weg zur Digitalisierung von Händlergeschäften geebnet, in denen die Interaktivität mit dem Kunden im Vordergrund steht. Die Rolle des Verkäufers muss sich ändern, indem er künftig eher als Vermittler fungiert, und die Schulung des Verkaufspersonals muss sich ebenfalls weiterentwickeln. Die OEMs müssen zudem in eine integrierte Kanalstrategie und IT-Plattform investieren, die ihre Angebote ab dem ersten Tag über landesweit verfügbare Lösungen bereitstellt, da die Online-Käufer ggf. überall im Land sitzen und bestellen möchten.

Die Autohändler können sich auf futuristische Technologien freuen, wie z. B. die so genannte Augmented Reality und spielerische Gamification-Elemente in den Schulungen für ihr Personal in den Niederlassungen, um ihre Verkäufer zu motivieren und inspirieren. Die Automobilhersteller der Premiumklasse lassen sich von Führungskräften der Konsumgüterindustrie, vor allem in den Segmenten Luxusgüter (Burberry) und elektronischer Handel (Apple), beraten, um die Auswirkungen auf ihre Einzelhandelsstrategie zu verstehen.

Bis 2020 sind China und Europa, gefolgt von den USA, die Schlüsselmärkte, um Wachstum im Bereich eRetailing von Neuwagen zu erzeugen. Der US-amerikanische Markt sieht sich derzeit jedoch mit großen Problemen bei der Umsetzung von Online-Handelswegen für Neuwagen konfrontiert, die auf das geltende Franchiserecht und den allgemeinen Widerstand durch evolutionär aufgestellte Neuwagenhändler zurückzuführen sind. Dennoch sollte es nicht überraschen, wenn zukünftig die Autohäuser aus dem Strassenbild verschwinden.

Über den Author:
Sarwant Singh ist Partner und Global Practice Director von Frost & Sullivans Automotive & Transportation Abteilung. Diese Ergebnisse stammen aus zwei aktuellen Studien über „Brick and Click“ im Einzelhandel und die Zukunft des eRetailing von Neuwagen in der Automobilindustrie.

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