Wie LSD das Ich auflöst

Unter Einfluss von LSD (rechts) nimmt die Vernetzung von Regionen höherer Hirnfunktion (Konnektivität) zu. Foto/Copyright: Enzo Tagliazucchi

Wenn Menschen die bewusstseinsverändernde Droge LSD nehmen, empfinden manche eine Auflösung jeglicher Grenzen, die sie von der Welt um sie herum trennen. Dieses Phänomen, auch als „Ich-Auflösung“ bekannt, haben Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) in Zusammenarbeit mit einem internationalen Forschungsteam jetzt genauer untersucht und die ersten funktionellen Magnetresonanzbilder (fMRI) von menschlichen Gehirnen unter LSD-Einfluss aufgenommen. Die Ergebnisse dieser Studie sind jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Current Biology erschienen.

Bekannt ist schon lange, dass psychedelische Drogen die Fähigkeit nehmen können, sich selbst als getrennt von der Umwelt wahrzunehmen und stattdessen einen Zustand „allumfassenden Bewusstseins“ entstehen lassen. Dieser Zustand ähnelt solchen Zuständen, die bei bestimmten psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen vorkommen.

Die genaue organische Wirkung von LSD auf die Gehirnfunktion wurde bisher allerdings nicht untersucht. Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der CAU haben zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Großbritannien, Neuseeland und den Niederlanden mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) die Gehirnaktivität von 15 gesunden Menschen untersucht, denen zuvor eine niedrige Dosis LSD verabreicht worden waren. Die Aufnahmen haben sie mit Bildern einer Kontrollgruppe verglichen, die Kochsalzlösung erhalten hat.

„Wir konnten feststellen, dass unter Einfluss der Droge die Vernetzung von Regionen sogenannter höherer Hirnfunktion signifikant zunimmt“, erklärt PD Dr. Helmut Laufs von der Klinik für Neurologie der CAU. „Diese Hirnregionen entsprechen genau den Bereichen, in denen sich die Rezeptoren befinden, die auf LSD reagieren.“ Die Zunahme der Gesamtvernetzung im Gehirn unter LSD-Gabe entsprach dem Grad der Ich-Auflösung, den die Probandinnen und Probanden berichteten.

Die Forscherinnen und Forscher lokalisierten eine besonders starke Zunahme der Vernetzung innerhalb von fronto-parietalen Hirnregionen, die führend verantwortlich sind für die Ausbildung einer Selbstwahrnehmung. Insbesondere beobachteten sie eine Zunahme der Kommunikation zwischen diesen Teilen des Gehirns und sensorischen Arealen, die Informationen über die äußere Umgebung des Körpers empfangen und sie für die weitere Verarbeitung anderen Gehirnbereichen weitervermitteln.

„Die Hirnscans der Probandinnen und Probanden deuten darauf hin, dass LSD die Sinneseindrücke aus der Umwelt unmittelbarer in die Selbstwahrnehmung miteinbeziehen lässt“, sagt der Erstautor der Studie, Dr. Enzo Tagliazucchi, ehemals Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der CAU, jetzt an der Königlich Niederländischen Akademie der Künste und Wissenschaften. „Dieses Verschmelzen der Außenwelt mit der eigenen Innenwelt entspricht der Bewusstseinsänderung unter LSD mit Ich-Auflösung.“

In weiterführenden Studien wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Imperial College in London künftig auch andere psychedelische Drogen und deren mögliche Verwendung bei der Behandlung von Erkrankungen einschließlich Depressionen und Angstzuständen untersuchen. „Die Ergebnisse dieser Studie zeigen auch den grundsätzlichen Nutzen der bildgebenden Verfahren für die Untersuchung verschiedener Bewusstseinszustände wie Schlaf und Narkose, aber zum Beispiel auch bei bestimmten Epilepsiesyndromen“, sagt Laufs, der an der Klinik für Neurologie weiter in diese Richtung forschen wird.

Originalpublikation:
Enzo Tagliazucchi, Leor Roseman, Mendel Kaelen, Csaba Orban, Suresh
Muthukumraswamy, Kevin Murphy, Helmut Laufs, Robert Leech, John McGonigle, Nicolas Crossle, Edward Bullmore, Tim Williams, Mark Bolstridge, Amanda Feilding, David Nutt und Robin Carhart-Harris (2016) Increased global functional connectivity correlates with LSD-induced ego-dissolution, Current Biology
http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2016.02.010

Kontakt:
PD Dr. Helmut Laufs
Klinik für Neurologie
Tel.: 0431/597-8550
E-Mail: h.laufs@neurologie.uni-kiel.de

http://www.uni-kiel.de/pressemeldungen/index.php?pmid=2016-107-lsd-forschungspub…

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Dr. Boris Pawlowski Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

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