Wettstreit von Auffälligkeit und Belohnung

Bei der Steuerung von Augenbewegungen findet ein Wettstreit von Auffälligkeit und Belohnung statt. Auffälligkeit gewinnt bei schnellen Reaktionen, Belohnung bei langsamen Reaktionen.

Dies konnten Forscherinnen und Forscher aus Gießen und New York zeigen. Ihre Erkenntnisse wurden jetzt in den Proceedings of the National Academy of Sciences, USA, publiziert. Verschiedene Experimente dazu wurden in der Abteilung Allgemeine Psychologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) durchgeführt.

Wir bewegen unsere Augen mehrmals pro Sekunde, um verschiedene Bereiche unserer visuellen Umgebung zu betrachten. Einerseits können diese Augenbewegungen unwillkürlich von auffälligen Objekten in der Umgebung ausgelöst werden, wie zum Beispiel einem blinkenden Licht. Andererseits können diese Augenbewegungen auch willkürlich gesteuert werden, wenn man beispielsweise einen Stift betrachtet, bevor man nach ihm greift. Der primäre Nutzen dieser Augenbewegungen ist der Informationsgewinn durch die neue Blickrichtung. Unbekannt war bisher, ob Augenbewegungen auch durch Belohnung gesteuert werden können. Ungeklärt war ferner, wie unser Gehirn unwillkürliche Steuerung (zum Beispiel hinsichtlich der Auffälligkeit) und willkürliche Steuerung (zum Beispiel hinsichtlich der Belohnung) miteinander verrechnet. Wie Alexander Schütz, Julia Trommershäuser und Karl Gegenfurtner in den Proceedings of the National Academy of Sciences berichten, werden bei der Steuerung von Augenbewegungen Informationen tatsächlich über die Auffälligkeit und die Belohnung miteinander verrechnet.

In verschiedenen Experimenten mussten die Versuchspersonen zunächst ohne Belohnung auf ein Muster blicken, das aus einem hellen und einem dunklen Bereich bestand. War der helle Bereich auffälliger als der dunkle Bereich, schauten die Versuchspersonen unwillkürlich näher zu dem hellen Bereich. In einer zweiten Versuchssituation bekamen die Versuchspersonen Geld, wenn sie auf den dunklen Bereich blickten. Anstatt jedoch jedes Mal auf den dunklen Bereich zu schauen und damit ihren Gewinn zu maximieren, blickten die Versuchspersonen immer noch in fast der Hälfte der Durchgänge näher zu dem auffälligeren Bereich. Die Versuchspersonen schauten insbesondere dann zum auffälligeren Bereich, wenn sie besonders schnell reagierten. Wenn sie langsamer reagierten, blickten sie ausschließlich zu dem dunklen Bereich und sicherten sich somit die Belohnung. Bei mittleren Reaktionszeiten wanderte der Blick auf eine Position zwischen dem auffälligeren und dem belohnten Bereich.

Diese Ergebnisse zeigen, dass die Augenbewegungen sowohl durch die Auffälligkeit von visuellen Reizen als auch durch die erwartete Belohnung gesteuert werden. Die Auffälligkeit bestimmt dabei eher schnelle Reaktionen und die Belohnung eher langsame Reaktionen. Im Vergleich zu anderen Handlungen – wie zum Beispiel Zeigebewegungen – sind Augenbewegungen so schnell, dass diese zum Teil ausgeführt werden, bevor die Belohnungsinformation vollständig verarbeitet wurde. Erstaunlicherweise „warten“ die Augenbewegungen nicht auf den Abschluss der Belohnungsverarbeitung. Dies bedeutet, dass unser Gehirn schnelle Augenbewegungen gegenüber langsamen Augenbewegungen bevorzugt, auch wenn dies unter Umständen zu einer niedrigeren Belohnung oder zu einer Bestrafung führt. Dies legt den Schluss nahe, dass unser Gehirn die schnelle Aufnahme von Informationen über auffällige Reize als besonders wichtig erachtet.
Weitere Informationen

Originalveröffentlichung
Schütz, A. C., Trommershäuser, & Gegenfurtner, K. R. (2012). Dynamic integration of information about salience and value for saccadic eye movements. Proceedings of the National Academy of Sciences USA, doi:10.1073/pnas.1115638109.

Kontakt
Dr. Alexander C. Schütz
Fachbereich 06 – Psychologie und Sportwissenschaft
Abteilung Allgemeine Psychologie
Otto-Behaghel-Straße 10F
35394 Gießen
Telefon: 0641 99 26108
Fax: 0641 99 26119
Web: www.allpsych.uni-giessen.de/alex

Die 1607 gegründete Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) ist eine traditionsreiche Forschungsuniversität, die rund 25.000 Studierende anzieht. Neben einem breiten Lehrangebot – von den klassischen Naturwissenschaften über Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Gesellschafts- und Erziehungswissenschaften bis hin zu Sprach- und Kulturwissen¬schaften – bietet sie ein lebenswissenschaftliches Fächerspektrum, das nicht nur in Hessen einmalig ist: Human- und Veterinärmedizin, Agrar-, Umwelt- und Ernährungswissenschaften sowie Lebensmittelchemie. Unter den Nobelpreis-trägern, die an der JLU geforscht und gelehrt haben, befinden sich Wilhelm Conrad Röntgen und Walther Bothe. Seit 2006 wird die JLU sowohl in der ersten als auch in der zweiten Förderlinie der Exzellenzinitiative gefördert (Excellence Cluster Cardio-Pulmonary System – ECCPS; International Graduate Centre for the Study of Culture – GCSC).

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