Von Verlierern und Gewinnern: Studie zu Folgen des Klimawandels in NRW gestartet

Insgesamt ist jedoch noch weitgehend unklar, welche Arten und Lebensräume vom Klimawandel betroffen sind und welche Folgen künftig zu erwarten sind. Eine Pilotstudie, die im Auftrag des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen von einem Forscherteam der Universität Münster geleitet wird, soll Licht in das Dunkel bringen und Empfehlungen geben, wie der Naturschutz auf den Klimawandel reagieren sollte.

„Klimaprognosen, die bis ins Jahr 2055 reichen, sagen: Wir bekommen mildere Winter und heißere Sommer mit verstärkten Trockenphasen“, erklärt Privatdozent Dr. Thomas Fartmann vom Institut für Landschaftsökologie der WWU, der gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Dr. Norbert Hölzel die Pilotstudie „Klimawandel und biologische Vielfalt in NRW“ leitet. „Das wird auf Lebensräume und ihre Bewohner zum Teil gravierende Auswirkungen haben.“ Um einen Überblick darüber zu bekommen, welche Tier- und Pflanzenarten durch den Klimawandel bereits jetzt beeinflusst werden und um weitere Auswirkungen vorhersagen zu können, wollen die Forscher das Wissen von zwanzig an der Studie beteiligten Experten aus ganz NRW zusammentragen und auswerten. Das Projekt wird vom Land für ein Jahr mit rund 131.000 Euro gefördert.

Die Auswirkungen der Klimaänderung auf Tier- und Pflanzenarten sind sehr unterschiedlich. Manche Arten profitieren und breiten sich weiter nach Norden aus. Ein Beispiel aus der Vogelwelt ist der wärmeliebende Bienenfresser. Ein anderes Beispiel ist das Weinhähnchen. Diese Grillenart, die vor allem in Süddeutschland vorkommt, breitet sich über die Rheinauen in Richtung Norden aus. 1990 wurde erstmals ihr Vorkommen in NRW nachgewiesen. „Inzwischen kommen die Weinhähnchen nördlich von Duisburg vor und haben sogar die Grenze zu den Niederlanden überschritten“, so Fartmann. Auf Winterkälte angewiesene Tiere verlieren dagegen Lebensraum. Der Dukatenfalter zum Beispiel zieht sich zunehmend in höhere, kältere Lagen zurück.

Generell gilt: Arten, die mit unterschiedlichen Lebensräumen zurechtkommen, werden weniger unter der Klimaerwärmung leiden. So genannte Spezialisten, die auf bestimmte Lebensräume angewiesen sind, könnten dagegen in Gefahr geraten. „Bewohnern von Moorgebieten könnte der Lebensraum entzogen werden, wenn Moore durch längere Trockenperioden degenerieren“, so Hölzel.

Nicht nur in der Ausbreitung, sondern auch im Verhalten mancher Arten schlägt sich der Klimawandel bereits nieder. „Vogelforscher beobachten zum Beispiel, dass der Bruchwasserläufer, der in den münsterschen Rieselfeldern rastet, im Frühjahr eher kommt und im Herbst später geht“, so Fartmann. Welche Auswirkungen solche Veränderungen haben, ist unklar. Die Wissenschaftler rechnen jedoch mit Störungen der Ökosysteme. Hölzel befürchtet: „Wenn die Synchronisation nicht mehr klappt, gibt es neue Konkurrenzsituationen, und ganze Nahrungsketten werden zerschlagen.“

Auch eng miteinander verwandte Tierarten können unterschiedlich gut mit Veränderungen ihrer Umwelt umgehen. „Flugfähige Heuschrecken sind mobil und können leichter neue Lebensräume besiedeln. Ihre flugunfähigen Verwandten, die ohnehin schon unter der – dem Menschen geschuldeten – Fragmentierung ihrer Lebensräume leiden, könnten daher durch weitere Veränderungen massiv gefährdet werden“, erklärt Fartmann. Für solch wenig mobile und spezialisierte Arten könnte eine im Rahmen von Naturschutzmaßnahmen herbeigeführte „Vernetzung von Lebensräumen“ geeignet sein, um ihnen die Anpassung an den Klimawandel zu ermöglichen.

Die „Bestandsaufnahme“, die im Rahmen der Studie durchgeführt wird, soll Prognosen ermöglichen und damit dem Naturschutz in NRW dienen. „Die Frage ist“, so Fartmann, „wie muss der Naturschutz seine Strategien ändern?“

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