Selbst Diabetiker wissen wenig über ihr Infarktrisiko

Ernüchternd sind die Daten einer repräsentativen Befragung zum Risikobewusstsein in der Bevölkerung und bei Diabetikern, die das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit Nordrhein-Westfalen (LIGA.NRW) mit der Stiftung DHD (Der herzkranke Diabetiker) am HDZ NRW vor kurzem vorgestellt hat. Zwar wusste demnach etwa jeder Zweite in Nordrhein-Westfalen, dass Rauchen (51,2%), Übergewicht (49,9%) und Stress (40,3%) das Infarktrisiko erhöht, aber gerade einmal 26,1% nannten Bluthochdruck und 11,5% Fettstoffwechselstörung als Risikofaktoren. Der Diabetes rangierte mit 5,2% sogar an letzter Stelle – und das, obwohl vor allem vaskuläre Folgen wie Myokardinfarkt oder Schlaganfall die Gesundheit des Diabetikers bedrohen. Im NRW-Survey wurden 2000 Personen erfasst und ergänzend dazu 505 Patienten mit Diabetes mellitus befragt. Fast Dreiviertel der Diabetiker erklärten, sie hätten schon eine oder mehrere Diabetesschulungen besucht.

Von den Ergebnissen gleichermaßen überrascht sind Wolfgang Werse (Projektkoordinator LIGA.NRW) und Prof. Dr. med. Dr. h. c. Diethelm Tschöpe (Vorsitzender Stiftung DHD). „Erwartungsgemäß variierte das Wissen in der Subanalyse (Sozialstatus, Herkunft). Der Kenntnisstand war in den höheren Schichten besser als bei sozial benachteiligten Gruppen und Menschen mit Migrationshintergrund wussten deutlich weniger“, erklärt Werse. Unabhängig von Sozialstatus, Herkunft oder Krankheitsspezifik (Diabetes) sei das Wissensniveau im Gesamtkollektiv sehr niedrig gewesen. „So dramatisch haben wir die Defizite nicht erwartet“, sagt Professor Diethelm Tschöpe, der auch Ärztlicher Direktor am Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen ist.

Weniger als ein Fünftel der Befragten wusste, dass bei Diabetes das Infarktrisiko genauso hoch ist wie beim Nichtdiabetiker nach einem durchlebten Herzinfarkt. Nur die Hälfte aller Studienteilnehmer konnte überhaupt typische Infarktsymptome (Angina pectoris, Luftnot, Enge in Brust, Schmerzen im Oberarm usw.) benennen. Der Gruppe von Diabetikern waren diese Anzeichen noch weniger bekannt. Das fehlende Bewusstsein selbst bei den wichtigsten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und hohe Fettwerte sei erschreckend. „Wenngleich das Krankheitsbewusstsein bei Menschen mit Diabetes höher als in der Allgemeinbevölkerung ist, von den Betroffenen wurden entscheidende Parameter bei Faktoren, die man beeinflussen kann, zuletzt genannt“, so Tschöpe. Zumindest wusste wenigstens die Mehrheit aller Probanden (60 bis 70%), dass gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung nützliche Effekte auf die Herzgesundheit haben kann. Die Blutzuckereinstellung schätzten aber nur ca. 16% der Befragten als bedeutend ein. Und dass mit Blutdruck- wie Blutfettwerten im Zielbereich einem Herzinfarkt vorgebeugt werden kann, war erst jedem Zwanzigsten bewusst.

Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient muss deutlich verbessert werden, betonen die Verantwortlichen von LIGA.NRW und Stiftung DHD. Dabei muss es neben der Sprache, die der medizinische Laie versteht, auch um die richtige Akzentsetzung in der Patientenaufklärung gehen. Risiken, die letztlich für den Anstieg der Multimorbidität bei Diabetikern verantwortlich sind, sollten ihrer Priorität entsprechend gewichtet werden. Die Wahrscheinlichkeit für kardiovaskuläre Ereignisse ist bei Diabetes zwei- bis vierfach (bei Frauen bis zu sechsfach) erhöht. Immerhin sterben 75% aller Patienten an den Folgen der Erkrankung für das Herz-, Kreislauf- und Gefäßsystem. Vor dem Hintergrund der Häufigkeit kardialer Erkrankungen (koronare Herzkrankheit, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt) und medizinisch längst gesicherter Erkenntnisse (auch Leitlinien von Fachgesellschaften) sei kaum nachvollziehbar, dass Patienten mit Diabetes, die regelmäßig pro Quartal einen Arzt konsultieren und über Jahre ausführlich (oft sogar mehrfach) zur Erkrankung geschult werden, beim Infarktrisiko nicht besser informiert sind.

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Katrin Hertrampf idw

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