Sehen wir uns wieder? Die Berechenbarkeit sozialer Kontakte

Forscher des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der University of Nebraska in Lincoln untersuchten unser Kontaktverhalten auf Gesetzmäßigkeiten. Sie fragten sich: Welche Faktoren beeinflussen die Wahrscheinlichkeit eines Kontakts zwischen zwei sich bekannten Menschen? Und lässt sich vorhersagen, wen wir wann wiedertreffen?

Für die Studie führten Probanden 100 Tage lang Tagebuch über alle ihre sozialen Interaktionen. Die Ergebnisse offenbaren systematische Strukturen in unserer sozialen Welt.

Morgens die Besprechung mit dem potenziellen Kunden, am späten Nachmittag dann der Geburtstagkaffee bei der Großtante und abends die wöchentliche Kinoverabredung mit dem besten Freund. Wir alle leben in einer komplexen Welt mit einem komplexen sozialen Netzwerk. Dazu zählen unter anderem Freunde, Partner, Familie, Nachbarn und Kollegen.

Interessanterweise scheinen unsere Kontakte zu diesen Personen systematischen Dynamiken und Regelmäßigkeiten zu unterliegen. Dies fanden Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und der University of Nebraska in Lincoln heraus.

Anhand des Musters vergangener Kontakte ist demnach gut vorhersagbar, wie wahrscheinlich es ist, dass wir mit einer bestimmten Person aus unserem sozialen Netzwerk an einem bestimmten Tag Kontakt haben werden.

In der Studie zeigte sich, dass diese Wahrscheinlichkeit einer Interaktion von bestimmten Faktoren beeinflusst wird. Insbesondere sind die Häufigkeit vergangener Kontakte und der Abstand zum letzten Kontakt wichtig: Wenn man jemanden häufig oder aber erst vor kurzem gesehen hat, ist ein baldiger erneuter Kontakt wahrscheinlich. Zudem spielt die Regelmäßigkeit vergangener Kontakte mit der Person eine Rolle.

So sinkt die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Kontakts mit zunehmendem Abstand zum letzten schneller, wenn die vorherigen Kontakte nicht regelmäßig, sondern eher gehäuft innerhalb eines kurzen Zeitraums stattfanden — wie beispielsweise beim Zusammentreffen mit der Familie zu bestimmten Festtagen oder mit internationalen Kollegen auf Konferenzen. Diese Gesetzmäßigkeiten scheinen für persönliche Treffen ähnlich zu gelten wie für Kontakte über elektronische Medien.

Für ihre Untersuchungen ließen die Wissenschaftler 40 Probanden über einen Zeitraum von 100 aufeinander folgenden Tagen alle Kontakte mit einer Dauer von mindestens fünf Minuten in einem Tagebuch dokumentieren. Ebenso wurde aufgezeichnet, mit wem der Kontakt bestand und wie er stattfand – ob per Telefon, E-Mail oder durch ein Treffen. Außerdem notierten die Probanden, wer den Kontakt initiierte.

Die Auswertung der Forscher zeigt, dass die Probanden über den Zeitraum im Schnitt mit rund 77 verschiedenen Personen in intensiveren Kontakt standen – mit durchschnittlich acht davon pro Tag. „Die Kenntnis über frühere Begegnungen einer Person erlaubt es, zu berechnen, ob eine zukünftige Begegnung wahrscheinlich oder eher unwahrscheinlich ist“, sagt Thorsten Pachur, Erstautor der Studie und Wissenschaftler am Forschungsbereich „Adaptive Rationalität“ des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.

Die Ergebnisse der Forscher geben Einblicke in die Gesetzmäßigkeiten einer scheinbar komplexen sozialen Umwelt. Interessanterweise scheinen ähnliche Gesetzmäßigkeiten auch bei Gedächtnisprozessen zu gelten. Beispielsweise werden jene Informationen, die erst vor kurzem das letzte Mal abgerufen wurden, mit höherer Wahrscheinlichkeit erinnert.

Das Gedächtnis könnte somit auch zur Vorhersage zukünftiger sozialer Interaktionen verwendet werden. Dafür kann es nützlich sein, zuvor zu prüfen, wie rasch man Informationen über diese Person erinnern kann: Ist diese Person sehr präsent in unserem Gedächtnis, so ist ein baldiger erneuter Kontakt wahrscheinlich. Ganz nach dem Motto: Wir sehen uns wieder.

Hintergrundinformation

Originalstudie
Pachur, T., Schooler, L. J., & Stevens, J. R. (2014). We'll meet again: Revealing distributional and temporal patterns of social contact. PLoS ONE, 9(1): e86081. doi:10.1371/journal.pone.0086081

Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
Das MPI für Bildungsforschung wurde 1963 in Berlin gegründet und ist als interdisziplinäre Forschungseinrichtung dem Studium der menschlichen Entwicklung und Bildung gewidmet. Das Institut gehört zur Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., einer der führenden Organisationen für Grundlagenforschung in Europa.

https://www.mpib-berlin.mpg.de/de/presse/2014/03/sehen-wir-uns-wieder-die-berech…

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Kerstin Skork Max-Planck-Institut

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