Schlechte Wirtschaftslage bei Geburt erhöht Risiko tödlicher Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, die das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn heute veröffentlicht hat. Wenn zum Zeitpunkt der Geburt eines Kindes ungünstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen herrschen, führt dies der Untersuchung zufolge zu einem deutlich höheren Risiko, dass die betreffende Person später an Herz-Kreislauf-Erkrankungen stirbt.

Kinder, die in Rezessionszeiten geboren wurden, sterben im Durchschnitt 15 Monate früher als diejenigen, die unter besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zur Welt kamen. Hauptgrund dafür ist ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine Forschergruppe um IZA-Programmdirektor Gerard van den Berg (Freie Universität Amsterdam) ist angesichts dieses deutlichen statistischen Befunds der Frage nachgegangen, welche Ursachen hierfür maßgeblich sind.

Den Forschern standen Daten zu Individuen zur Verfügung, die um das Jahr 1900 geboren wurden. Ein solch weiter Blick in die Vergangenheit ist notwendig, um die langfristigen Auswirkungen auf die Sterblichkeit festzustellen. Als besonders geeignet erwiesen sich Daten zu dänischen Zwillingen, da deren Todesursachen über Jahrzehnte hinweg systematisch dokumentiert wurden. Zudem ließen sich anhand dieser Daten Zusammenhänge zwischen den Gesundheitszuständen der Zwillingspaare ermitteln.

In der Tat zeigten sich dabei auffällige Ähnlichkeiten im Gesundheitsbild der Zwillinge, die in „schlechten Zeiten“ geboren wurden. „Erstaunlich ist, dass die negativen gesundheitlichen Auswirkungen einer Geburt in Rezessionszeiten oft erst siebzig bis achtzig Jahre später bemerkbar werden“, so Gerard van den Berg. „Bis in dieses Alter lassen sich keine Auffälligkeiten feststellen, auch das Krebsrisiko ist annähernd gleich. Dann aber wächst das Risiko einer lebensbedrohlichen Herz-Kreislauf-Erkrankung für diese Gruppe deutlich an.“

Als Ursache für den Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Lage zum Geburtszeitpunkt und dem Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen die Forscher insbesondere die Kombination von unzureichender Ernährung und mangelnder medizinischer Infrastruktur in der frühen Lebensphase an. Ein rezessionsbedingt geringes Haushaltseinkommen ist offenbar weniger schädlich für die langfristige Gesundheit eines Neugeborenen, sofern in der Umgebung gute Gesundheits- und Hygieneeinrichtungen vorhanden sind.

Denkbar ist nach Ansicht der Forscher allerdings auch, dass sich Stress, dem die Eltern eines Neugeborenen in wirtschaftlich schlechten Zeiten ausgesetzt sind, auf die Kinder überträgt und die Anfälligkeit für Herzkrankheiten erhöht.

Zwar lassen sich die Ergebnisse der Analyse nicht ohne weiteres auf heute Geborene übertragen. Trotz medizinischen Fortschritts und verbesserter Hygienebedingungen spricht jedoch einiges dafür, dass heute andere Risikofaktoren wie Stress und falsche Ernährung eine ähnliche Wirkung entfalten. Dass ein Zusammenhang zwischen Wirtschaftslage und Krankheitsrisiko besteht, wird auch durch weitere Untersuchungen untermauert, denen zufolge ein niedriges Geburtsgewicht, das häufiger in Rezessionszeiten anzutreffen ist, negative Auswirkungen auf die Gesundheit im höheren Erwachsenenalter hat.

Nach den Ergebnissen der Studie könnte es sinnvoll sein, unter widrigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geborene Jugendliche bereits zu einem frühen Zeitpunkt auf Indikatoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin zu untersuchen und gegebenenfalls vorbeugende Maßnahmen anzubieten, darunter auch Programme zur Förderung gesunder Ernährung.

Der Volltext der englischsprachigen Studie ist kostenlos über die IZA-Homepage abrufbar.

Gerard J. van den Berg, Gabriele Doblhammer-Reiter, Kaare Christensen:
Being Born Under Adverse Economic Conditions Leads to a Higher Cardiovascular Mortality Rate Later in Life: Evidence Based on Individuals Born at Different Stages of the Business Cycle
IZA Discussion Paper No. 3635, Bonn: August 2008.
http://ftp.iza.org/dp3635.pdf

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Holger Hinte idw

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