Runde Formen finden wir schöner als Ecken und Kanten

Die Psychologen Helmut Leder und Marcos Nadal von der Universität Wien haben nun zusammen mit einem internationalen Team aus Kanada und Dänemark untersucht, wie uns die Architektur von Räumen – rund versus eckig – beeinflusst: Runde Räume beurteilen wir als deutlich schöner und ihre Betrachtung verursacht verstärkt positive Hirnaktivitäten. Die Ergebnisse erscheinen in der aktuellen Ausgabe der renommierten Zeitschrift „Proceedings of National Academy of Sciences“ (PNAS).

AmerikanerInnen verbringen fast 90 Prozent ihrer Zeit in geschlossen Räumen, Europa nähert sich diesem Wert an. „Wir stellten uns die Frage, ob die ästhetischen Prinzipien, die bestimmen, wen, welche Dinge oder Kunstwerke wir ästhetisch ansprechend finden, auch bei der Beurteilung von Architektur eine Rolle spielen oder ob hier andere, eher nützliche Kriterien im Vordergrund stehen. Und natürlich interessiert uns, ob und wie das in der direkten Hirnaktivität ablesbar ist „, erklärt Helmut Leder, Vorstand des Instituts für psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden der Universität Wien. Leder und sein Mitarbeiter Marcos Nadal, beide vom Forschungsschwerpunkt Psychologische Ästhetik, haben zusammen mit Kollegen aus Kanada und Dänemark an einer internationalen Studie mitgewirkt, um die Wirkung von Architektur empirisch zu untersuchen.

Aus vorangegangenen Studien der Arbeitsgruppe um Helmut Leder ist bereits bekannt, dass runde Formen häufig gut gefallen. In der neuen Studie wurden nun Versuchspersonen gebeten, Bilder von Innenräumen nach ihrer Schönheit zu beurteilen. Es wurde auch abgefragt, ob die ProbandInnen die Räume gern betreten wollten. Die Räume (siehe beiliegende Abbildung) variierten in der Form – eher rund oder eckig – sowie in Höhe und Offenheit (z.B. Fenster). Die Auswertung („schön – nicht schön“) zeigte einen eindeutigen Effekt: Räume mit runden Formen wurden als deutlich schöner beurteilt.

Und tatsächlich: Die Analysen der Hirnaktivität ergaben, dass die Betrachtung der runden Räume mit verstärkter Aktivität von Hirnregionen, denen man eine Belohnungsfunktion und generell angenehme Gefühle zuschreibt, einherging. Diese umfassen den Orbitofrontal-Kortex (OFC), die Basalganglien sowie die vordere Insel und den ventralen anterioren cingulären Kortex. Allerdings hatte die Formgebung keinen Einfluss darauf, ob die Räume lieber betreten werden wollten. Auch fanden die Forscher keinen Hinweis darauf, dass runde Räume weniger Warnreaktionen (in der Amygdala) auslösten, als dies bei der Betrachtung von spitzen Gegenständen der Fall ist. Diese Reaktion deutet also nicht auf eine von der Evolution eingepflanzte Furcht vor eckigen Formen hin.

Zusammenfassend zeigt sich also, dass auch in der Architektur die Form unser Schönheitsbewusstsein beeinflusst und dass schöne Formen positive Gefühle im Gehirn auslösen. Die Studie belegt Le Corbusiers Forderung, dass „The business of Architecture is to establish emotional relationships by means of raw materials“ und zeigt auf, welche psychologischen Effekte daran beteiligt sind.

Publikation in „Proceedings of National Academy of Sciences“ (PNAS):

Looking Sharp: Dissociable Impact of Contour on Aesthetic Judgments and Approach Decisions in Architecture. Oshin Vartanian, Gorka Navarrete, Anjan Chatterjee, Lars Brorson Fich, Helmut Leder, Christián Mondrono, Marcos Nadal, Nicolai Rostrup, Martin Skov. 10. Juni 2013.
DOI: www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1301227110

Wissenschaftlicher Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Helmut Leder
Institut für Psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden
Universität Wien
1010 Wien, Liebiggasse 5
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Rückfragehinweis:
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M +43-664-60277-175 30
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