Der ostdeutschen Wirtschaft auf die Sprünge helfen

Fast 20 Jahre sind seit der Wiedervereinigung vergangen und noch immer klafft eine große Lücke zwischen Ost und West. Verglichen mit den Alt-Bundesländern steht in den neuen Bundesländern wesentlich höheren Investitionen ein erheblich niedrigeres Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner gegenüber. Die Folgen für Ostdeutschland: geringerer Wohlstand und eine im Durchschnitt höhere Arbeitslosenquote.

„Viel zu lange flossen Fördermittel in den neuen Bundesländern konzentriert in traditionelle Branchen wie Metallerzeugung, Holzwirtschaft, Keramik-, Stahl- und Textilindustrie“, sagt Privatdozentin Dr. Marion Eich-Born von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Wirtschaftsgeographin hat zusammen mit Prof. Dr. Gerald Braun von der Universität Rostock die Studie „Wirtschaftliche Zukunftsfelder in Ostdeutschland“ erstellt. Für die gerade erschienene Schrift untersuchten die Autoren die Wirtschaft in den neuen Ländern und bewerteten Chancen und Risiken für die zukünftige Entwicklung der einzelnen Branchen. Ziel war es, wirtschaftliche Zukunftsfelder mit nachhaltigen Entwicklungsperspektiven herauszufiltern.

„In den traditionellen Branchen liegt Westdeutschland klar im Vorteil. Vor allem das globale Agieren über Jahrzehnte hinweg brachte den Vorsprung“, erläutert Eich-Born. Nur durch verstärkte Investitionen in innovative Sparten könne der Osten den Ausgleich schaffen. Mehr denn je sei ein Aufholen nötig, um in Zeiten von Globalisierung, Klima- und demographischem Wandel den Anschluss nicht zu verpassen. Für die meisten Branchen fehlt in den neuen Ländern jedoch eine solide Forschungsbasis.

„Das ist auch ein Produkt der Privatisierung ostdeutscher Unternehmen an westdeutsche oder westeuropäische Konzerne“, folgert die Jenaer Geographin. „Die aus DDR-Zeiten vorhandenen unternehmerischen Forschungsabteilungen wurden weitgehend zugunsten westlicher Standorte aufgelöst. Das hatte fatale Folgen für die Zukunftsfähigkeit der neuen Länder.“ In Westdeutschland werden heute etwa drei Viertel aller Forschungs- und Entwicklungsleistungen von der Wirtschaft finanziert, in Ostdeutschland nicht einmal die Hälfte. „Der Bund darf die neuen Länder beim Ausgleich dieses Defizits nicht im Stich lassen“, sagt Marion Eich-Born und fordert eine finanzielle Unterstützung der Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen, um den Ausgleich zu ermöglichen.

Gesundheitswirtschaft, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie optische Technologien sind drei von sechs Branchen, für welche die Autoren besonders günstige Bedingungen in den neuen Bundesländern prognostizieren. Alle drei sind zwar als Branchen etabliert, können jedoch aufgrund gesellschaftlicher Trends mit einer Wiederbelebung und gesteigerten Nachfrage rechnen. Drei relativ junge und forschungsintensive Zukunftsfelder sind Nano-, Bio- sowie Energie- und Umwelttechnologie. „Gerade in diesen Branchen ist es wichtig, ein funktionierendes Forschungs- und Bildungsnetz aufzubauen, um sie nachhaltig zu stärken“, betont die Jenaer Geographin.

In Thüringen funktioniere diese Zusammenarbeit von öffentlichen Forschungseinrichtungen und regionaler Wirtschaft bereits sehr gut. Die Branchenschwerpunkte verteilen sich im Freistaat auf die Ballungszentren Erfurt und Jena. In Erfurt führen die Autoren das Zukunftsfeld Photovoltaik an, das sich als Sparte der Energie- und Umwelttechnologie auch in Jena konzentriert. Zusätzlich finden sich in Jena die Felder Biotechnologie, Medizintechnik als Teil der Gesundheitswirtschaft und optische Technologien.

Anders als in anderen untersuchten Bundesländern hat Thüringen das Potenzial, welches in diesen Branchen steckt, bereits erkannt. So sind in den letzten Jahren zahlreiche Kompetenznetzwerke entstanden, eines fördert zum Beispiel die traditionsreiche Branche der optischen Technologien in Jena. „Solche Netzwerke sind unentbehrlich für regionales Wachstum“, sagt Dr. Eich-Born. „Und das brauchen wir, um neue Arbeitsplätze zu schaffen.“

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat die Studie beim Hanseatic Institute for Entrepreneurship and Regional Development der Universität Rostock (HIE-RO) in Auftrag gegeben. „Sie soll Grundlage für einen Dialog zwischen Akteuren aus Wirtschaft, Politik und Forschung bilden“, erläutert die Jenaer Gastprofessorin Marion Eich-Born, die gleichzeitig stellvertretende Leiterin des HIE-RO ist. Ziel sei es, Handlungsstrategien zu erarbeiten, um die Zukunftsbranchen in Ostdeutschland gezielt zu stärken und damit die Kluft zwischen Ost und West nachhaltig zu verringern.

Kontakt:
PD Dr. Marion Eich-Born
Institut für Geographie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Löbdergraben 32, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 948829
E-Mail: marion.eich-born[at]uni-jena.de

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Manuela Heberer idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-jena.de

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