Neue Studie zur Therapieverbesserung von Patienten mit akutem Koronarsyndrom

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Investigator Initiated Trials (IIT) oder auch nicht-kommerzielle klinische Studien gelten als wichtige Maßnahmen der klinischen Forschung, wenn es darum geht, Erkenntnisse zu neuen oder verbesserten Behandlungsoptionen zu gewinnen.

Auf dem Europäischen Kardiologenkongress (ESC, 31.8.-4.9.2013) in Amsterdam stellte Privat-Dozent Dr. Dirk Sibbing vom Klinikum der Universität München die neue Studie TROPICAL-ACS1 vor, in der es um Fragen zur personalisierten Behandlung von Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) und akutem Koronarsyndrom (ACS) geht. Studiendesign, Studienleitung und Projektmanagement liegen in der Hand der Medizinischen Klinik I und dem Clinical Study Center am Klinikum der Universität München (LMU).

„Die TROPICAL-ACS Studie wird wichtige und offene Fragen zur optimalen Behandlung von ACS Patienten beantworten“, erklärt Dr. Sibbing, der auch Principal Investigator (PI) ist. Gemeinsam mit Julinda Mehilli (Co-PI) und Klinikdirektor Prof. Steffen Massberg (Study Chair) – beide von der Medizinischen Klinik I am LMU-Klinikum – sowie weiteren Experten aus Deutschland, Ungarn und Österreich sind sie federführend verantwortlich. Ziel der Studie ist es, die bisher standardisierte Behandlung von ACS-Patienten an die individuellen Gegebenheiten der Betroffenen anzupassen, um eine bestmögliche Risikoreduktion für Blutungen und thrombotische Komplikationen gleichermaßen zu erreichen. Es geht also um verbesserte Therapieoptionen und eine individualisierte Therapie mit bereits zugelassenen Medikamenten.

Individualisierte Behandlung kann Kosten senken
Goldstandard bei der Behandlung von ACS-Patienten ist das Einbringen eines Stents und neben einer lebenslangen Behandlung mit Aspirin die anschließende 12 monatige Gabe von Plättchenhemmern wie Clopidogrel oder Prasugrel. Letzteres Medikament hat sich in der TRITON-TIMI 38 Studie bei ca. 14.000 ACS Patienten als potentes Mittel erwiesen, um Reinfarkte und thrombotische Verschlüsse im Stentbereich (Stentthrombosen) zu vermeiden. Allerdings steigt aufgrund der hohen Potenz des Wirkstoffs und der dadurch starken Hemmung der Blutplättchen mit zunehmender Dauer der Einnahme das Risiko von Blutungskomplikationen, die zum Teil auch lebensbedrohlich (z.B. Hirnblutungen) sein können. Ziel von TROPICAL-ACS ist es daher, den Zeitraum für die Gabe von Prasugrel auf eine kurze Akutphase zu reduzieren, um anschließend die Patienten mit Clopidogrel weiterzubehandeln. Untersuchungen haben gezeigt, dass rund 80-85 % der Patienten auf Clopidogrel gut ansprechen. Dieses Medikament ist als Generikum um den Faktor 10 günstiger als ein Prasugrel-Präparat, insofern würde eine Eingrenzung der Behandlung mit Prasugrel zugleich auch einen ökonomischen Vorteil bringen und dazu beitragen, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken.
2.600 Patienten sollen die Ergebnisse statistisch absichern
Um herauszufinden, welche Patienten wie auf die Medikamente ansprechen, wird das individuelle Risiko für thrombotische Ereignisse mit Hilfe des Multiplate analyzer2 von Roche Diagnostics ermittelt. Roche unterstützt die Studie zudem finanziell, nimmt jedoch keinen Einfluss auf das Studiendesign und die spätere Auswertung der Daten. Auch stehen keine von Roche hergestellten oder vertriebenen Medikamente auf dem Prüfstand. „Eine multizentrische und prospektive Studie, in die europaweit 2.600 Patienten eingeschlossen werden sollen, kann nur mit Hilfe eines finanzstarken Sponsors realisiert werden“, sagt Dr. Sibbing. 1.300 Patienten in der Monitoring-Gruppe (= Gruppe mit der individualisierten Therapie) erhalten nach einem ACS 7 Tage Prasugrel (5/10 mg), anschließend 7 Tage Clopidogrel (75 mg). Die 1.300 Patienten der Kontrollgruppe werden 14 Tage nach ACS ausschließlich mit Prasugrel (5/10 mg) behandelt. Anschließend erfolgt die erste Multiplate-Analyse. Im weiteren Verlauf erhält die Kontrollgruppe weitere 11,5 Monate Prasugrel. Hier hat die Multiplate-Analyse nur einen observierenden Charakter. Der Monitoring-Arm der Studie erhält aber auf Basis der Multiplate-Analyse eine individualisierte Therapie für die verbleibenden 11,5 Monate. Nur die kleine Gruppe der Patienten, die kein ausreichendes Ansprechen auf Clopidogrel zeigt, wird auf Prasugrel weiterbehandelt. Der überwiegende Anteil der Patienten im Monitoring Arm der Studie wird nach Bestätigung eines guten Ansprechens auf Clopidogrel auch mit diesem Medikament für weitere 11,5 Monate weiterbehandelt.

Der Start der Studie ist für Herbst 2013 vorgesehen. Die Patientenrekrutierung wird mit eineinhalb Jahren veranschlagt, an die sich ein 1-jähriges Follow-up anschließt. Nach ca. 3 Jahren wird die doppelt-verblindete, randomisierte Studie abgeschlossen sein und die Ergebnisse können ausgewertet werden. Maßgeblich beteiligt an der Studie ist das Clinical Study Center (CSC) am Klinikum der Universität München. Das Team um Dr. Heike Heise wird beim europaweiten Monitoring unterstützt vom Münchner Studienzentrum, das zur TU München gehört. „Die Studie hat das Potenzial, die Leitlinien zu verändern, wenn wir nachweisen können, dass der potente Wirkstoff Prasugrel nur in der akuten Phase nach dem kardialen Ereignis erforderlich ist, also etwa in der ersten Woche, und eine dauerhafte Behandlung mit moderat wirkenden Plättchenhemmern, wie Clopidogrel, für den Patienten sicherer ist, weil das Risiko für gefährliche Blutungen sinkt“, sagt Dr. Sibbing.

1 Testing RespOnsiveness to Platelet Inhibition on Chronic AntiplatetLet Treatment for Acute Coronary Syndrome.

2 Damit kann die Verklumpungstendenz der Blutplättchen gemessen werden, die eine Messgröße für mögliche thrombotische Ereignisse darstellt.

Ansprechpartner:
PD Dr.med. Dirk Sibbing, FESC
Oberarzt, Kardiologie
Medizinische Klinik und Poliklinik I
Klinikum der Universität München (LMU)
Telefon: +49 (0)89 / 5160-2266 (Campus Innenstadt)
Telefon: +49 (0)89 / 7095-3034 (Campus Großhadern)
E-Mail: dirk.sibbing@med.uni-muenchen.de
Klinikum der Universität München
Im Klinikum der Universität München (LMU) sind im Jahr 2012 an den Standorten Großhadern und Innenstadt 473.000 Patienten ambulant, teilstationär und stationär behandelt worden. Den 45 Fachkliniken, Instituten und Abteilungen sowie den 45 interdisziplinären Zentren stehen 2.080 Betten zur Verfügung. Von insgesamt über 10.000 Beschäftigten sind rund 1.800 Mediziner und 3.400 Pflegekräfte. Das Klinikum der Universität München hat im Jahr 2012 rund 78 Millionen Euro an Drittmitteln verausgabt und ist seit 2006 Anstalt des öffentlichen Rechts.

Gemeinsam mit der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität ist das Klinikum der Universität München an fünf Sonderforschungsbereichen der DFG (SFB 455, 571, 596, 684, 914), an drei Transregios (TR 05, 127, 128), zwei Forschergruppen (FOR 535, 809) sowie an zwei Graduiertenkollegs (GK 1091, 1202) beteiligt. Hinzu kommen die vier Exzellenzcluster „Center for Integrated Protein Sciences“ (CIPSM), „Munich Center of Advanced Photonics“ (MAP), „Nanosystems Initiative Munich“ (NIM) und „Munich Cluster for Systems Neurology“ (SyNergy) sowie die Graduiertenschulen „Graduate School of Systemic Neurosciences“ (GSN-LMU) und „Graduate School of Quantitative Biosciences Munich (QBM)“.

Media Contact

Philipp Kreßirer Klinikum der Universität München

Weitere Informationen:

http://www.klinikum.uni-muenchen.de

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