Moralisches Denken entsteht im Gehirn durch emotionale und rationale Verarbeitungsprozesse

Moralische Werte und Entscheidungen sind für das friedliche Zusammenleben von Menschen bedeutsam. JARA-BRAIN Wissenschaftler untersuchten erstmals, welche Hirnregionen bei diesen Entscheidungsprozessen besonders aktiv sind. Dabei zeigte sich, dass sich die Hirnareale, die für moralische Entscheidungen eine Rolle spielen, fast vollständig mit denjenigen decken, welche entweder für das Nachvollziehen von Gedanken oder von Emotionen anderer Menschen wichtig sind.

„Der Befund spricht gegen die Existenz einer speziell moralischen Hirnregion und für die Entwicklung komplexer sozialer Leistungen wie moralischen Entscheidungen aus entwicklungsgeschichtlich älteren Hirnfunktionen“, berichtet Danilo Bzdok. „Große Teile des medialen präfrontalen Kortex, des Präkuneus, der temporo-parietalen Junktion als auch die Amygdala und der posteriore zinguläre Kortex waren sowohl bei diesen Prozessen als auch bei moralischen Entscheidungen beteiligt.“

Der Medizinstudent forscht im Rahmen des Internationalen DFG-Graduiertenkollegs „Schizophrenie und Autismus“ an der Klinik für Psychiatrie; Psychotherapie und Psychosomatik am Aachener Universitätsklinikum. Außerdem arbeitet er gemeinsam mit Prof. Dr. Simon Eickhoff, der seit 2011 Professor an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf ist, am Institut für Neurowissenschaften am Forschungszentrum Jülich.

Für ihre Analyse nutzten Prof. Dr. Simon Eickhoff und Danilo Bzdok ein neues Verfahren zur statistischen Zusammenfassung funktioneller Bildgebungsbefunde. Mit der sogenannten Activation Likelihood Estimation Meta-Analyse wurden hunderte von Studiendaten auf statistische Gemeinsamkeiten untersucht. So konnten Simon Eickhoff und Danilo Bzdok die bei moralischen, rationalen und gefühlsbasierten Entscheidungen genutzten Hirnregionen quantitativ und objektiv miteinander vergleichen. Die untersuchten funktionellen Bildgebungsbefunde zeigten zudem, dass es insbesondere rationale Verarbeitungsprozesse sind, auf deren Basis letztendlich moralische Urteile gefällt werden. „Diese Entscheidungsprozesse finden in den sogenannten default mode Regionen statt, die für die Verarbeitung unterschiedlichster abstrakter sozialkognitiver Überlegungen zuständig sind“, berichtet Simon Eickhoff.
Auf neurobiologischer Ebene scheint moralisches Denken also vor allem ein rationaler Prozess zu sein, der aber über das empathische Mitfühlen von Emotionen ins alltägliche zwischenmenschliche Leben eingebunden wird. JARA-BRAIN Wissenschaftler Simon Eickhoff: „Dieses Bild menschlicher Moral deckt sich sehr gut mit klinischen Beobachtungen an Psychopathen, die bei theoretischen moralischen Fragestellungen überdurchschnittlich gut abschneiden, sich jedoch aus Mangel an Empathie im täglichen Leben unmoralisch verhalten.“

Weitere Informationen bei:

Prof. Dr. Simon Eickhoff
Brain Network Modelling Group
Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1), Forschungszentrum Jülich
Telefon: +49 2461 61 8609
E-Mail: S.Eickhoff@fz-juelich.de

und

Cognitive Neuroscience Group
Institut für Klinische Neurowissenschaften und Medizinische Psychologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Telefon: +49 211 81 13018
E-Mail: Simon.Eickhoff@uni-duesseldorf.de

Danilo Bzdok
Brain Network Modelling Group
Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1),
Forschungszentrum Jülich
E-Mail: dbzdok@fz-juelich.de

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