Mehr als 80 Prozent der Arbeitnehmer und Erwerbslosen wollen Kündigungsschutz stärken oder unverändert beibehalten

„Sollte man den gesetzlichen Kündigungsschutz weiter ausbauen, unverändert beibehalten, eher einschränken oder ganz abschaffen“, fragte das Meinungsforschungsinstitut polis + sinus im April und Mai dieses Jahres mehr als 2.000 repräsentativ ausgewählte Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Erwerbslose.

Die meisten Befragten sind dagegen, die geltenden Schutzbestimmungen im Arbeitsrecht einzuschränken. Über alle Berufsgruppen hinweg sind die Befürworter des Kündigungsschutzes deutlich in der Mehrheit. Bei den angelernten Arbeitern sprechen sich 46 Prozent sogar für eine weitere Stärkung aus. Unter den höheren Angestellten und Beamten ist der Anteil derer, die Einschränkungen befürworten, zwar am größten. Doch auch hier sind 70 Prozent der Meinung, man solle den aktuellen Kündigungsschutz beibehalten oder noch ausbauen.

Besonders interessant sind bei Umfragen zum Kündigungsschutz die Antworten Arbeitsloser. Denn würden die Schutzrechte geschwächt, könnte ein bereits entlassener Arbeitnehmer, der die öffentliche Diskussion verfolgt, zwei gegenläufige Effekte erwarten: Er könnte darauf hoffen, dass die Fluktuation am Arbeitsmarkt zunimmt und Unternehmen eher neue Leute einstellen würden, wie es Kritiker des Kündigungsschutzes behaupten. Gleichzeitig müsste er damit rechnen, dass sein neues Arbeitsverhältnis weniger lange dauert.

Die große Mehrheit der befragten Arbeitslosen bevorzugt einen starken Kündigungsschutz. 36 Prozent plädieren dafür, die Schutzrechte auszubauen, 47 Prozent wollen sie unverändert beibehalten. Nur 16 Prozent sind für eine Einschränkung oder Abschaffung. Zu ähnlichen Werten kamen Wissenschaftler der Universitäten Hannover und Jena 2004 bei einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Befragung. Der Hannoveraner Forscher Christian Pfeifer interpretierte den Befund damals so: Er spreche dafür, „dass Arbeitslose aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen den Schutz vor Kündigungen als notwendig erachten und ihn weniger hinderlich bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz empfinden“.

Diese Einschätzung passt zur jüngsten Arbeitsmarktentwicklung. Im konjunkturellen Aufschwung sank die Arbeitslosigkeit, ohne dass am Kündigungsschutz etwas geändert worden wäre. Und sie deckt sich mit Daten, die eine Forschungsgruppe am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung um die Arbeitsrechtlerin Prof. Dr. Heide Pfarr sowie Wissenschaftler der Universität Hamburg gewonnen haben.

In beiden Forschungsprojekten wurden unabhängig voneinander insgesamt 2.750 Personalverantwortliche befragt. Zentrales Ergebnis: Entscheidend für Einstellungen ist die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, der Kündigungsschutz spielt für die meisten Personaler eine untergeordnete Rolle.

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