Krankenhausfinanzierung: Investitionsstau von 50 Milliarden Euro erfordert alternative Finanzierungsmodelle

  • Umfrage unter Krankenhausgesellschaften, Planungsbehörden, Banken, Medizintechnik sowie Bauunternehmen
  • Öffentliche Mittel reichen für die Finanzierung von notwendigen Investitionen nicht aus: Investitionsstau von etwa 50 Milliarden Euro
  • Von der Dualistik zur Monistik: Vergütung nach Investitions-Baupauschalen gibt Krankenhäusern mehr Spielraum als bisherige duale Finanzierung, kann aber nicht alle Probleme lösen
  • Finanzierungsmodelle im Rahmen von Industrie-Partnerschaften oder Fundraising und Factoring bieten ergänzende Lösungen

Krankenhäuser stellen nach Angaben des Statistischen Bundesamts mit 64,6 Milliarden Euro Umsatz (2007) den größten Einzelausgabenposten im deutschen Gesundheitssystem dar. Durch rückgehende Investitionsmittel können dringend nötige Investitionen nicht finanziert werden. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft schätzt den Investitionsstau auf 50 Milliarden Euro. Bis Ende 2009 sind Länder und Bund gefordert, einen Investitionsfallwert zu ermitteln, der die bisherige duale Krankenhausfinanzierung ablösen soll, bei der Investitionsmittel und Betriebskosten separat vergeben werden. Erste Versuche einer regionalen Monistik in Nordrhein-Westfalen verliefen positiv, der Handlungsspielraum für Krankenhäuser stieg erkennbar.

Der Lehrstuhl für Betriebswirtschaft an der Universität Bayreuth und Roland Berger Strategy Consultants haben alternative Finanzierungsmodelle untersucht und daraus Handlungsempfehlungen für Politik, Krankenhäuser und Industrie abgeleitet.

"Deutsche Krankenhäuser müssen in der Finanzierung von dringend notwendigen Investitionen neue Wege gehen. Die öffentlichen Fördermittel reichen immer weniger aus, um technisch auf dem neuesten Stand zu bleiben", sagt Dr. Joachim Kartte, Partner und Leiter des Kompetenzzentrums Pharma & Healthcare bei Roland Berger Strategy Consultants. Die meisten Krankenhäuser sind seit vielen Jahren in einer finanziell prekären Situation: Die Kosten steigen, während die Erlöse bestenfalls konstant bleiben. Auswege aus diesem Dilemma bieten nur zielgerichtete Investitionen. Die Herausforderung für die Krankenhäuser liegt also nicht mehr nur darin, ihre operative Effizienz und Qualität zu sichern, sondern auch, Investitionsmittel zu beschaffen. Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft beträgt der Investitionsstau bereits bis zu 50 Milliarden Euro.

Monistik schafft Autonomie, aber keine Abhilfe

Bisher finanzieren sich Krankenhäuser durch ein duales Finanzierungssystem. "Dabei werden Mittel für Investitionen und Betriebskosten separat vergeben", sagt der bei Roland Berger für Krankenhäuser verantwortliche Partner Oliver Rong. "Doch dieses Modell steckt in der Krise. Die sinkenden Mittel decken längst nicht mehr die Kosten für den technischen Fortschritt. Durch die Fallpauschalen ist der Investitionsbedarf zusätzlich weiter gestiegen. Krankenhäuser müssen aber investieren, um ihre Leistungen betriebskostenoptimal erbringen zu können."

Ein monistisches Finanzierungssystem, das Investitionspauschalen leistungsbezogen an die Fallpauschalen koppelt, würde den Krankenhäusern von 2012 an mehr Autonomie in der Verwendung ihrer Mittel geben. Als Folge könnten Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungsqualität und Patientenzufriedenheit steigen und moderne Technik schneller zum Einsatz kommen. Der Testfall einer regionalen Monistik in NRW verlief bereits positiv. Es wurde aber auch deutlich, dass der Investitionsstau durch die veränderte Mittelvergabe nicht aufgelöst werden kann, sondern dass dafür das gesamte Budget steigen muss.

Krankenhäuser sind stark unterfinanziert

"Das zentrale Problem der mangelhaften Finanzierung kann eine neue Mittelverteilung alleine nicht lösen", sagt Rong. "Krankenhäuser müssen deshalb Alternativen finden, um ihre Investitionen zu finanzieren." Derzeit nutzen sie hierfür vor allem Bank- und Gesellschafterdarlehen. Künftig wird aber auch die Bedeutung von Industriepartnerschaften sowie Fundraising und Factoring zunehmen.

Partnerschaften und Spenden als Finanzspritze

Obwohl der Fundraising-Markt in Deutschland stagniert und immer mehr Organisationen um Spenden konkurrieren, lassen sich mit professionellem Vorgehen noch bedeutende Mittel einwerben. "Ein klarer Vorteil ist, dass die Ressourcen anders als beim Sponsoring ohne Gegenleistung zur Verfügung stehen", sagt Kartte. "Außerdem können insbesondere Industriepartnerschaften helfen, den Investitionsstau aufzulösen und externes Know-how zu nutzen.

Technologiepartnerschaften bringen Vorteile für Industrie und Krankenhäuser." Für die Industrie stellen sie Kundenbindungsmaßnahmen dar, dem Krankenhaus ermöglichen sie modernste Ausstattung inklusive Wartung. "Auch das Factoring, der Verkauf von Forderungen, kann sich positiv auf das Rating und Kreditverhandlungen mit Banken auswirken", sagt Kartte.

Länder sind auch bei Monistik in der Pflicht

Die Roland Berger Experten raten, in der Politik auf das monistische Finanzierungssystem umzustellen und Krankenhäusern in ihren Investitionsentscheidungen mehr Autonomie zu gewähren. Dennoch sind noch wesentliche Details offen, besonders die Ausgestaltung der Investitionspauschale. Nach Ansicht der Krankenhausgesellschaften sind die Länder auch bei einer monistischen Finanzierung nicht aus der Pflicht entlassen, sich um die Ausstattung der Krankenhäuser zu kümmern. Diese wiederum müssen sich alternativen Finanzierungsinstrumenten öffnen, um aus eigener Kraft investieren zu können. Rong: "Das Finanzierungsmanagement deutscher Krankenhäuser wird in Zukunft deutlich vielfältiger und anspruchsvoller."

Die komplette Studie können Sie kostenfrei bestellen unter: www.rolandberger.com/pressreleases

Roland Berger Strategy Consultants, 1967 gegründet, ist eine der weltweit führenden Strategieberatungen. Mit 36 Büros in 25 Ländern ist das Unternehmen erfolgreich auf dem Weltmarkt aktiv. 2.100 Mitarbeiter haben im Jahr 2008 einen Honorarumsatz von mehr als 670 Mio. Euro erwirtschaftet. Die Strategieberatung ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschließlichen Eigentum von rund 180 Partnern.

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Sebastian Deck presseportal

Weitere Informationen:

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