Kindererziehung macht fit für die Wirtschaft

Die Fähigkeiten, die Eltern durch die Erziehung ihrer Kinder erwerben, entsprechen den Anforderungen der Wirtschaft weit mehr als allgemein vermutet wird. Zu diesem Schluss kommen Wirtschaftsforscher der Open University of Catalonia im International Journal of Knowledge and Learning.

Ihre Analyse von mehreren Studien der Entwicklungspsychologie zeigt, dass das Großziehen eines Kindes den Eltern ein stillschweigendes Wissen vermittelt, das auch in Arbeitssituationen hilft. Würde diese Form des Lernens mehr anerkannt, ergäben sich daraus positive Effekte sowohl für Eltern als auch für die Arbeitswelt, so die spanischen Wissenschaftler.

Zwei Kompetenzen erkannten die Forscher als besonders wertvoll für die Wirtschaft. „Erstens sind das Fähigkeiten im Umgang mit der anderen Person, wozu Empathie, Interesse am anderen oder Kommunikationsstärke zählen“, betont Studienleiterin Eva Rimbaut-Gilabert im pressetext-Interview. Eltern müssen ihre Kinder stets zu verstehen versuchen, um auf ihre Bedürfnisse einzugehen, was häufiges Nachfragen und genaues Hinhören erfordert. Das sei auch die Voraussetzung für Teamarbeit, für erfolgreichen Kundenkontakt oder die Betreuung von Personen etwa bei der Pflege. Die zweite familiäre Schlüsselkompetenz sei die Flexibilität. „Kinder wachsen und ändern dabei andauernd ihre Bedürfnisse. Um mit dieser Situation zurechtzukommen, brauchen Eltern ein hohes Maß an dialektischem Denken.“ Besonders Berufe, die der Wissensgesellschaft zugeordnet werden, profitierten laut der Organisationsforscherin von diesen beiden Kompetenzen.

Was Rimbau-Gilabert damit verdeutlicht, ist die Bedeutung des informellen Lernens im Alltag, für das es bisher noch wenig Anerkennung gibt. „Studien zeigen, dass nur ein Fünftel aller Fähigkeiten, die man im Beruf braucht, aus der formellen Bildung stammen. Den Rest erlernt man durch Erfahrungen im Alltag.“ Die Bildungssysteme würden dieses Zusatzwissens immer mehr berücksichtigen, die Wirtschaft habe in dieser Entwicklung jedoch noch großen Aufholbedarf. „Meist wird aus Gründen der Einfachheit nur messbares Vorwissen wie akademische Abschlüsse oder Ausbildungen berücksichtigt. Stillschweigende kognitive Fähigkeiten erfahren kaum ökonomische und soziale Anerkennung. Ein großes Potenzial geht damit verloren“, so die spanische Forscherin.

Um die informell erworbenen Kompetenzen ihrer Mitarbeiter besser zu nutzen, schlägt Rimbau-Gilabert den Betrieben Schulungsangebote vor, die Verknüpfungen zwischen Vorerfahrungen und der konkreten Arbeitssituation schaffen. „Dabei geht es etwa darum, im Kundenkontakt am Telefon nach Mustern vorzugehen, die man schon bei der Kindererziehung gelernt hat. Erst durch das Bewusstwerden des Unbewussten kann dieses Potenzial voll genutzt werden.“ Ein entscheidender Moment dafür sei auch die Mitarbeiterauswahl in Bewerbungsgesprächen. „In der Regel bleibt kaum Zeit, um Erfahrungen der Bewerber außerhalb der Arbeitswelt anzusprechen. Dass sich jemand der Kindererziehung gewidmet hat, kann jedoch ein Hinweis darauf sein, dass er wesentliche Schlüsselkompetenzen besitzt.“

Man braucht keine eigenen Kinder, um sich Empathie und Flexibilität anzutrainieren. „Auch wenn man eine intensive Beziehung zu Neffen oder Nichten pflegt, als Babysitter tätig ist oder im Rahmen eines sozialen Volontariats sich um die Bedürfnisse anderer einsetzt, schult man diese Fähigkeiten“, so Rimbaut-Gilabert. Eine wichtige Vorbedingung dafür, dass sie bei Eltern zur Ausprägung kommen, sei der Erziehungsstil. „Eltern, die flexibel sind und nach demokratischen Ansätzen erziehen, entwickeln die Kompetenzen eher als mit einem streng autoritären Stil oder wenn sie sich nur wenig mit den Kindern befassen. Damit verspielen sie viele Möglichkeiten“, so die Forscherin.

Media Contact

Johannes Pernsteiner pressetext.austria

Weitere Informationen:

http://www.uoc.edu

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