Kassensturz in der Savanne

Wie viel ist etwas wert, was nichts kostet? Forschern des Biodiversität und Klima Forschungszentrums (BiK-F) zufolge muss die Antwort lauten: 39 % des durchschnittlichen Jahreseinkommens eines ländlichen Haushaltes in Nordbenin. Besonders die sehr arme Bevölkerung sei auf die Natur als Einkommensquelle angewiesen. Die sozioökonomische Studie zu biologischer Vielfalt ist vor kurzem im Fachblatt „Ecological Economics“ erschienen.

Das „Übereinkommen über die biologische Vielfalt“ der Vereinten Nationen und zuletzt die aktuelle „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“-Studie (TEEB) haben das Thema ins Scheinwerferlicht gerückt: Der wirtschaftliche Beitrag, den Natur und Umwelt für die Wohlfahrt der Gesellschaft leisten, lässt sich berechnen. Wissenschaftler des BiK-F haben dies nun beispielhaft für die Savannenlandschaft in Norden Benins getan und ermittelt, wie viel Einkommen durch sogenannte Waldnebenprodukte (Non-Timber Forest Products) erwirtschaftet wird. Dazu gehören Früchte, Samen, essbare Pflanzenteile, Heilpflanzen, Blätter und Fasern. Am bekanntesten sind die Samen des Sheabutter-Baums, deren Fett in Hautpflegeprodukten und in der Küche verwendet wird, und die Früchte des Affenbrotbaumes, die zu Süßigkeiten und Säften verarbeitet werden. Beide Produkte sind mittlerweile auch im europäischen Handel erhältlich. In Nordbenin decken Waldnebenprodukte den Eigenbedarf der Landbevölkerung, werden gehandelt und sind Rücklage für Notzeiten.

Großteil des Einkommens kommt aus der Savanne
Die Bevölkerung weiß um diesen Wert. Alle 230 befragten Haushalte gewinnen Waldnebenprodukte aus der Savanne, 80 % dieser Haushalte handeln auch damit. Wenngleich die Ausbeute im Vergleich zum Aufwand gering scheint, sind Waldnebenprodukte eine weit genutzte Einkommensmöglichkeit, da sie – mit lokalen Einschränkungen – für jeden, auch die ärmere Bevölkerung, zugänglich sind und keine speziellen Fertigkeiten für die Ernte notwendig sind. BiK-F-Wissenschaftlerin Katja Heubach, die Leitautorin der Studie: „Der Anteil von Waldnebenprodukten am Jahreseinkommen liegt mit durchschnittlich 39 % an zweiter Stelle hinter den Erträgen aus der Landwirtschaft. In Euro umgerechnet heißt das: 80 Cent der zwei Euro, die ein Bewohner Benins im Durchschnitt täglich zur Verfügung hat, werden durch Waldnebenprodukte erwirtschaftet.“
Reichere Haushalte sind am wenigsten abhängig, profitieren aber am meisten
Je nach Einkommensgruppe variiert die wirtschaftliche Bedeutung von Waldnebenprodukten jedoch stark. Je geringer das Haushaltseinkommen ist, desto höher ist der Anteil von Waldnebenprodukten am Jahreseinkommen, d.h. die Abhängigkeit von diesen, von der Natur kostenlos zur Verfügung gestellten, Ressourcen ist bei ärmeren Haushalten höher als bei wohlhabenderen. Letztere allerdings gewinnen mengenmäßig mehr Waldnebenprodukte als ärmere Haushalte. Reichere Haushalte profitieren daher mehr von Waldnebenprodukten und erwirtschaften durch sie höhere Erträge als ärmere Haushalte. Erklären lässt sich das dadurch, dass ärmere Haushalte ohne Landbesitz für die Beschaffung von Waldnebenprodukten weitere Wege auf sich nehmen müssen.
Weitere Beschränkungen für bislang frei zugängliche Savannengebiete würden Armut verstärken

Obwohl der Wert einer intakten Savanne hiermit bewiesen ist, steht ihr in Nordbenin eine unsichere Zukunft bevor, denn die Bevölkerung in der Region wächst stetig. Dies bringt die Savanne in zweierlei Hinsicht in Bedrängnis. Einerseits intensiviert sich die Landwirtschaft, was den traditionell in Brache-Wechselwirtschaft bestellten Flächen immer kürzere Brachzeiten beschert und dadurch den wildwachsenden Savannenpflanzen immer weniger Raum lässt; andererseits steigt die Gefahr der übermäßigen Nutzung der Waldnebenprodukte. Um diesen Druck zu vermindern, empfehlen die Autoren, die Effizienz der Landwirtschaft zu erhöhen und stabile, alternative Einkommensquellen zu etablieren, damit subsistenzwirtschaftliche und marktorientierte Ansprüche durch sie befriedigt werden können. Der Ansatz, den Zugang zur jetzt offen begehbaren Savanne zu begrenzen, ist hingegen als kontraproduktiv zu bewerten. Wie die Studie zeigt, würde damit besonders die ärmere Bevölkerung benachteiligt.

Studie:
Heubach, K. et al.: The economic importance of non-timber forest products (NTFPs) for livelihood maintenance of rural west African communities: A case study from northern Benin. – Ecological Economics (2011), doi:10.1016/j.ecolecon.2011.05.015

Online unter: http://dx.doi.org/10.1016/j.ecolecon.2011.05.015

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:

Dipl. Biol. Katja Heubach
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F)
Tel.: 069 7542 1876
E-Mail: katja.heubach@senckenberg.de
oder
Sabine Wendler
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), Pressereferentin
Tel.: 069 7542 1838
E-Mail: sabine.wendler@senckenberg.de
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt am Main
Mit dem Ziel, anhand eines breit angelegten Methodenspektrums die komplexen Wechselwirkungen von Biodiversität und Klima zu entschlüsseln, wird das Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) seit 2008 im Rahmen der hessischen Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich ökonomischer Exzellenz (LOEWE) gefördert. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und die Goethe Universität Frankfurt sowie weitere direkt eingebundene Partner kooperieren eng mit regionalen, nationalen und internationalen Institutionen aus Wissenschaft, Ressourcen- und Umweltmanagement, um Projektionen für die Zukunft zu entwickeln und wissenschaftlich gesicherte Empfehlungen für ein nachhaltiges Handeln zu geben.

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Sabine Wendler idw

Weitere Informationen:

http://www.bik-f.de

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