Internationale Studie zeigt reversible Gehirnveränderungen durch Antipsychotika

Außerdem kam die Studie zu dem Ergebnis, dass diese rasche vorübergehende Volumenverminderung des Gehirns mit dem Grad der Bewegungsstörung korreliert, die eine wichtige Nebenwirkung antipsychotischer Medikamente darstellt.

Antipsychotika, die bei der Behandlung von Schizophrenie und anderen schweren seelischen Störungen eingesetzt werden, blockieren einen Rezeptor des Botenstoffs Dopamin im Gehirn. Leider verursachen diese Medikamente oft unerwünschte Bewegungsstörungen – die sogenannten extrapyramidalmotorischen Symptome (EPS) – zu denen Ruhelosigkeit sowie unfreiwillige Bewegungen der Gliedmaßen und des Gesichts zählen. EPS können innerhalb von Minuten nach einer antipsychotischen Behandlung einsetzen.

Heike Tost und Kollegen aus dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und dem National Institute of Mental Health, Bethesda, USA, gingen der Frage nach, ob ein Zusammenhang von EPS mit strukturellen Gehirnveränderungen bestehen könnte. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das Medikament Haloperidol bei jungen gesunden Männern innerhalb von Stunden nach einer einzigen Gabe das Volumen der grauen Substanz des Gehirns in einer für die Motorik wichtigen Gehirnregion, dem Putamen, reduzierte. Dieser Volumenverlust war reversibel, innerhalb von 24 Stunden erreichte das Gehirnvolumen wieder sein normales Maß. Eine so schnelle Veränderung der Hirnstruktur war zuvor noch nie beobachtet worden, was nahelegt, dass Dopamin für plastische Veränderungen des menschlichen Gehirns wichtig ist.

Das internationale Forscherteam fand weiterhin, dass die Schwere von EPS bei gesunden Probanden stark mit dem Ausmaß an Gehirnvolumenreduktion korrelierte. Der Zeitverlauf der motorischen Störung spiegelt deutlich die raschen Veränderungen der Gehirnstruktur und der Konnektivität wieder. Diese Studie legt nahe, dass kurzfristige strukturelle Veränderungen für einige der Nebenwirkungen von Antipsychotika beim Menschen verantwortlich sein können.

Professor Meyer-Lindenberg sieht hier einen ersten möglichen Schritt zur Reduzierung von unerwünschten Nebenwirkungen von antipsychotischen Medikamenten und damit auch einer Verbesserung der Lebensqualität von Patienten, die langfristig auf die Medikamenteneinnahme angewiesen sind.

Publikation:
Tost, Heike1,2; Braus, Dieter F1,3; Hakimi, Shabnam2; Ruf, Matthias1; Vollmert Christian1; Hohn, Fabian1 & Meyer-Lindenberg, Andreas1
“Acute D2 receptor blockade induces rapid, reversible remodeling in human cortical-striatal circuits” Nature Neuroscience, Vol 13 No 6, online 6. Juni 2010.

1Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, Deutschland; 2National Institute of Mental Health, Bethesda, MD, USA; 3Dr. Horst Schmidt Klinik, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Wiesbaden.

Kontakt:
Professor Andreas Meyer-Lindenberg
Institutsdirektor und Ärztlicher Direktor
der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
J5, 68159 Mannheim
Tel.: 0621 / 1703-2002
E-Mail: a.meyer-lindenberg@zi-mannheim.de

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Sigrid Wolff idw

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