Ernüchternde Zwischenbilanz einer Studie: Eltern wollen Probleme ihrer Töchter oft nicht wahrhaben

Die tatsächliche Zahl liegt wahrscheinlich deutlich höher, denn 75 Prozent der an Schulen verteilten Fragebögen wurden gar nicht erst ausgefüllt. Weiterhin war bisher die Hälfte aller Eltern, bei deren Töchtern ein Risikostatus festgestellt wurde, nicht an einem diagnostischen Gespräch interessiert. „Für so ‘nen Scheiß hab‘ ich keine Zeit.“ oder „Das wächst sich schon wieder zurecht.“ Solche, teilweise harsch vorgetragene Reaktionen, werden dabei als Gründe für die Nichtteilnahme genannt.

Dennoch suchen die Dresdner Psychologen für ein familienbasiertes Vorsorgeprogramm gegen Magersucht (Anorexia Nervosa) weitere Teilnehmer.

In der Studie werden im ersten Schritt 11- bis 17-jährige Mädchen sowie deren Eltern gebeten, einen kurzen Fragebogen zu beantworten. Mit diesem wird festgestellt, ob ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Magersucht besteht. Wenn dies der Fall ist, werden sie zu einem ausführlicheren diagnostischen Gespräch eingeladen. Bestätigt sich das Risiko, erhalten die Eltern die Möglichkeit an einem Internet-gestützten Vorsorgeprogramm teilzunehmen. Dadurch soll verhindert werden, dass deren Tochter an Magersucht erkrankt.

Im Vorsorgeprogramm „E@T“ (Eltern als Therapeuten) erfahren Eltern in kurzen informativen Texten, Audio- und Video-Elementen z. B. den Unterschied von normalem und problematischem Essverhalten und erhalten praktische Tipps um die Kommunikation mit ihren Töchtern zu verbessern. Ein Online-Diskussionsforum gibt die Möglichkeit anonym mit anderen Eltern in Kontakt zu treten. Zudem gibt eine Diplom-Psychologin den Eltern individuelle Anregungen, wie sie ihrer Tochter zu einem gesunden Essverhalten zurückhelfen können. Der zeitliche Aufwand für die Eltern ist gering – eine Stunde wöchentlich, sechs Wochen lang.

Üblicherweise beginnt eine Magersucht in der späten Jugend oder im frühen Erwachsenenalter. Gestörtes Essverhalten, das der Erkrankung vorausgeht, kann jedoch viel früher auftreten. Bereits erste Vorboten gehen mit viel Leid und Beeinträchtigungen einher. Hat sich einmal das Vollbild einer Magersucht entwickelt, verläuft die Essstörung oft chronisch und ist schwer zu behandeln. Etwa jede 10. Betroffene stirbt an der Erkrankung.

Wenn Mädchen zu jungen Frauen werden, sind neben Freunden die Eltern zentrale Bezugspersonen. Sie können einer entstehenden Erkrankung positiv entgegenwirken. Häufig ist es für sie jedoch nicht einfach, erste Anzeichen richtig zu erkennen. Viele Eltern befürworten es, wenn ihre Tochter sehr schlank und leistungsorientiert ist. Dies kann allerdings schon der erste Schritt auf dem Weg in die Erkrankung sein. „Ich war in ihrem Alter genauso dünn“ oder „Das liegt bei uns in der Familie in den Genen“ sind häufige Aussagen von Eltern, wenn sie auf ein erhöhtes Risiko ihrer Tochter aufmerksam gemacht werden. Oft sind sie aber auch unsicher wie sie sich verhalten sollen, wenn ihnen Veränderungen des Essverhaltens oder der Gewichtsentwicklung ihrer Tochter auffallen. Einige Eltern haben Angst, durch falsches Handeln „schlafende Hunde zu wecken“ und erste problematische Verhaltensweisen zu verschlimmern. Aus dieser Befürchtung heraus werden Eltern oft erst dann aktiv, wenn ihre Tochter deutlich an Gewicht verloren hat und bereits mitten in der Essstörung steckt. Der Weg zurück ist dann meist viel schwieriger und langwieriger. Besser ist es, möglichst früh in den Erkrankungsverlauf einzugreifen. Mit dem „E@T“-Programm existiert ein Angebot für Eltern, ihrer Tochter zu einem gesunden Essverhalten zurück zu verhelfen.

Eltern, die beunruhigt sind, weil ihre Tochter z. B. auffallend schlank ist, augenscheinlich abgenommen hat, Mahlzeiten auslässt, Diäten macht, exzessiv viel Sport treibt oder sich übermäßig um ihre Figur sorgt, können sich an das Studienteam von Prof. Corinna Jacobi (Kontakt: Diplom-Psychologin Ulrike Völker, Diplom-Psychologe Robert Richter, Tel. 0351 463-38578, E-Mail: rrichter@psychologie.tu-dresden.de) wenden. Weitere Informationen sind auch unter http://www.eatinfo.psych.tu-dresden.de zu finden.

Informationen für Journalisten:
Prof. Dr. Corinna Jacobi, Tel. 0351 463-37469 (Sekretariat)
Fax 0351 463-37208
E-Mail: cjacobi@psychologie.tu-dresden.de

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Kim-Astrid Magister Technische Universität Dresden

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